Die Abgrenzung zum unmittelbaren Besitz
Wenn A ein Buch in der Hand hält, ist es ziemlich eindeutig, dass er den Besitz an diesem erlangt hat. Hierbei handelt es sich um den unmittelbaren Besitz gemäß § 854 BGB, denn A hat die tatsächliche Sachherrschaft. Doch wie sieht es aus, wenn man weiß, dass A sich das Buch von B geliehen hat?
§ 868 BGB bestimmt für diesen Fall:
Besitzt jemand eine Sache als Nießbraucher, Pfandgläubiger, Pächter, Mieter, Verwahrer oder in einem ähnlichen Verhältnis, vermöge dessen er einem anderen gegenüber auf Zeit zum Besitz berechtigt oder verpflichtet ist, so ist auch der andere Besitzer (mittelbarer Besitz).
Die Leihe ist einer der als ähnliches Verhältnis bezeichneten Vertragstypen. Es ändert sich also nichts daran, dass A als Entleiher den unmittelbaren Besitz innehat. Doch auch B ist als Verleiher gemäß § 868 BGB mittelbarer Besitzer des Buches. Hierfür ist kennzeichnend, dass er selbst nicht jederzeit auf die Sache einwirken kann. Die unmittelbare Zugriffsmöglichkeit besteht nur für A. Deshalb wird A auch Besitzmittler genannt – er vermittelt B den Besitz.
Außerdem kann eine solche Konstellation nicht nur zwischen einem mittelbaren Besitzer und einem Besitzmittler bestehen. Wie § 871 BGB zeigt, kann es auch einen mehrstufigen mittelbaren Besitz geben.
Beispiel: A hat B sein WG-Zimmer vermietet. B vermietet es seinerseits dem C. Hier ist C unmittelbarer Besitzer. B ist mittelbarer Besitzer erster Stufe. Demgegenüber ist A mittelbarer Besitzer zweiter Stufe.
Wenn der unmittelbare Besitzer den Besitz mehreren Personen mittelt, spricht man von mittelbarem Nebenbesitz.
Zu beachten ist ferner, dass der mittelbare Besitzer nach § 869 BGB auch die Besitzschutzrechte geltend machen kann. Zusätzlich gilt zu seinen Gunsten die Eigentumsvermutung aus § 1006 Abs. 3 BGB.
Die Voraussetzungen des mittelbaren Besitzes | Prüfungsschema
Der mittelbare Besitz hat im Einzelnen diese Voraussetzungen:
I. Besitzmittlungsverhältnis
Es muss ein Besitzmittlungsverhältnis vorliegen. Dieses wird auch Besitzkonstitut genannt und setzt voraus, dass dem unmittelbaren Besitzer gegenüber dem mittelbaren Besitzer zeitlich begrenzt das Recht zum Besitz eingeräumt wird. Das Besitzmittlungsverhältnis kann sich dabei aus Vertrag, Hoheitsakt oder dem Gesetz ergeben. Auch die Ehe stellt ein solches Verhältnis dar, auch wenn sie nicht mit der Absicht einer zeitlichen Begrenzung eingegangen wird. Der zeitliche Rahmen des Besitzkonstituts muss nicht von vornherein festgelegt worden sein.
Beachten Sie: Das Besitzmittlungsverhältnis muss nicht tatsächlich wirksam sein. Es ist ausreichend, wenn die Parteien so handeln, als sei dies der Fall. Das Gesetz lässt es genügen, wenn jemand als Pächter, Mieter usw. besitzt.
Wichtig ist weiterhin, dass es sich um ein konkretes Verhältnis handeln muss. Ein abstraktes genügt nicht, weil mithilfe des Besitzmittlungsverhältnisses bei der Übereignung die Übergabe ersetzt werden kann, wenn der Eigentümer im Besitz der Sache ist. Dies bestimmt § 930 BGB. Würde ein abstraktes Verhältnis hierfür ausreichen, könnten die Parteien sich einfach ohne weitere Voraussetzungen gegen die Übergabe als Bedingung der Eigentumsübertragung entscheiden.
Abgesehen davon muss der Vertrag zwischen dem Besitzmittler und dem mittelbaren Besitzer keiner gesetzlichen Vertragsart entsprechen.
II. Wille des unmittelbaren Besitzers zum Fremdbesitz
Daneben muss der unmittelbare Besitzer auch den Willen zum Fremdbesitz haben. Er muss den mittelbaren Besitzer als Oberbesitzer anerkennen, während der Oberbesitzer seinerseits den Willen zum mittelbaren Besitz haben muss.
Beispiel: Beschließt A aus dem ersten Beispiel, dass er B das Buch nicht mehr zurückgeben möchte, besitzt er es ab diesem Zeitpunkt nicht mehr als Fremdbesitzer sondern als Eigenbesitzer ohne Recht zum Besitz.
III. Herausgabeanspruch des mittelbaren Besitzers
Zusätzlich muss der mittelbare Besitzer gegenüber dem unmittelbaren Besitzer einen Herausgabeanspruch haben. Dieser kann sich einerseits aus dem Besitzmittlungsverhältnis selbst ergeben. Andererseits ist auch ein Anspruch aus § 985 oder § 812 BGB ausreichend, wenn das Besitzmittlungsverhältnis nicht wirksam ist.
Im Gegensatz zu dem Besitzmittlungsverhältnis selbst muss der Herausgabeanspruch nach herrschender Ansicht tatsächlich bestehen.
Begründung des mittelbaren Besitzes
Besteht bereits mittelbarer Besitz, kann dieser durch die Abtretung des Herausgabeanspruchs nach § 870 BGB übertragen werden. Das ist für die Übereignung gemäß § 931 BGB wichtig. Ansonsten entsteht er durch die Begründung des Besitzmittlungsverhältnisses.
Ende des mittelbaren Besitzes
Der mittelbare Besitz endet einerseits, wenn der Besitzmittler den mittelbaren Besitzer äußerlich erkennbar nicht mehr in seiner Position als Oberbesitzer anerkennt (s.o.). Genauso ist es möglich, dass das Besitzmittlungsverhältnis endet und der unmittelbare dem mittelbaren Besitzer die Sache zurückgibt oder der mittelbare Besitzer seinen Besitz gem. § 870 BGB überträgt.
Quellen
- Brehm, Wolfgang/Berger, Christian: Sachenrecht, 3. Aufl., Tübingen 2014
- Wolf, Manfred/Wellenhofer, Marina: Sachenrecht, 27. Aufl., München 2012