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I. Objektiver Tatbestand
Objektiv muss es sich auch hier bei der zu verdecken Tat um eine Straftat des StGB handeln. Dabei ist irrelevant, ob der Täter die andere Tat vorsätzlich oder fahrlässig begangen hat, die Tat versucht oder vollendet ist oder ob der Täter durch die Tötung des Opfers seine eigene Tat oder die Tat eines Dritten verdecken will.
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Keine Voraussetzung für die Verdeckungsabsicht ist jedoch nach überwiegender Ansicht, dass der Täter, sollte seine Tat „auffliegen“, mit einer Strafverfolgung rechnet. Ausreichend ist, dass er außerrechtliche Konsequenzen vermeiden will.
Weder muss die Straftat tatsächlich durch die Tötung verdeckt werden noch muss überhaupt objektiv eine Straftat vorgelegen haben: Entscheidend ist nur die Vorstellung des Täters, wonach er (oder ein Dritter) eine Straftat begangen hat, die aber objektiv nicht strafbar, gerechtfertigt, entschuldigt oder verjährt sein kann.
Der Täter muss bloß den nach seiner Vorstellung bestehenden rechtlichen oder außerrechtlichen Konsequenzen durch die Tötung des Opfers ausweichen wollen.
II. Subjektiver Tatbestand
Der angestrebte Erfolg des Täters, d.h. die Verdeckung der anderen Tat, muss nicht tatsächlich eingetreten sein. Mit Verdeckungsabsicht tötet auch derjenige, der überhaupt keine andere Straftat begangen hat, weil sein Verhalten nicht tatbestandsmäßig, gerechtfertigt oder entschuldigt war.
Verdeckungsabsicht kann auch dann noch vorliegen, wenn die Vortat als solche bereits entdeckt ist, es dem Täter aber noch darauf ankommt, seine eigene Täterschaft zu verheimlichen. Der Täter muss dann aber bei der Tötung subjektiv noch davon ausgehen, selbst als Täter der Vortat nicht schon identifiziert zu sein.
III. Absicht oder Eventualvorsatz?
Umstritten ist, ob die Tötung als Mittel der Verdeckung eingesetzt werden muss, oder ob es bereits ausreicht, dass die Verdeckungshandlung an sich das Mittel der Verdeckung, der Todeseintritt dagegen nur eine unbeabsichtigte aber billigend in Kauf genommene Nebenfolge der Verdeckungshandlung ist.
Hier gilt es zwei Fallgruppen zu unterscheiden
- Fallgruppe 1: Wenn der Täter davon ausgeht, dass er vom Opfer identifiziert werden kann, dann kann die Verdeckung nur durch eine erfolgreiche Tötung erreicht werden. Aus der Möglichkeit der Identifizierung ergibt sich die Entdeckungsgefahr, so dass in dieser Fallgruppe Eventualvorsatz nicht ausreichen kann. Es muss direkter Vorsatz vorliegen.
- Fallgruppe 2: Wenn der Täter davon ausgeht, nicht erkannt worden zu sein und selbst bei Weiterleben des Opfers keine Identifizierung befürchtet, sodass nach der Tätervorstellung auch ohne die Tötung eine Verdeckung der Tat möglich wäre, dann ist streitig, ob Handlungen, die mit Verdeckungsabsicht vorgenommen worden, mit nur bedingtem Tötungsvorsatz zusammentreffen können:
- Die Mindermeinung verlangt, dass der Täter in jedem Fall gerade die Tötung als Mittel der Verdeckung einsetzt.
- Nach der herrschenden Auffassung ist eine Tötungsabsicht nicht erforderlich, vielmehr muss der Täter (nur) beabsichtigen, dass die Handlung, die letztlich zur Tötung führt, die Verdeckung bewirkt. Opfer eines Verdeckungsmordes kann also jeder durch diese Handlung (vorsätzlich) getötete Mensch sein, auch wenn von ihm selbst überhaupt keine Entdeckungsgefahr ausgeht.
- Der herrschenden Meinung ist zu folgen: Die erhöhte Verwerflichkeit, Menschenleben zur Verdeckung einer Straftat zu opfern, kann nicht davon abhängen, wer die Leiche ist. Es handelt nicht nur der Täter besonders verwerflich, der den Entdecker der Vortat tötet, sondern auch der Täter, der bei der verdeckenden (Tötungs-)Handlung den Tod von unwissenden Unbeteiligten billigend in Kauf nimmt. Darüber hinaus spricht auch die Systematik hierfür: Der Gesetzgeber hat darauf verzichtet, beim Grundtatbestand des Totschlages eine bestimmte Vorsatzform zu fordern, also muss dies auch für das Mordmerkmal gelten, solange sich nach Sinn und Zweck nichts anderes gibt. Grund der Strafschärfung ist jedoch die verwerfliche Verbindung von Tötung und Verdeckung anderer Straftaten, was keine Absicht voraussetzt. Außerdem bezieht sich die Verdeckungsabsicht nur auf die Verdeckung, nicht auf die Tötung.
IV. Verdeckungsabsicht bei doppelt spontanem Tatentschluss?
Problematisch kann auch die Frage sein, ob es eine Verdeckungsabsicht bei doppelt spontanem Tatentschluss gibt.
Die Verdeckungsabsicht setzt keine besondere Planung der Tat voraus, sie kann deshalb auch dann vorliegen, wenn Vortat (bspw. eine Körperverletzung) und Tötung des Opfers jeweils spontan erfolgen. Vortat und Verdeckungstötung können nicht schlicht als eine einzige Tat zusammengefasst werden, da sonst immer die Verdeckungsabsicht entfiele, weil nun keine „andere“ Tat mehr vorläge, die der Täter durch die Tötung des Opfers verdecken könnte. Auch wenn die zu verdeckende Tat bereits auf den Körper oder das Leben des Opfers abzielte und unmittelbar in eine Tötung überging, kommt also eine Verdeckungsabsicht in Frage.
Maßgeblich ist, dass bei einer Gesamtwürdigung aller Umstände der Tat festgestellt wird, dass das Motiv des Täters vergleichbar mit sonstigen niedrigen Beweggründen ist.
Die frühere Rechtsprechung verneinte in den Fällen eine Verdeckungsabsicht, in denen wegen einer sog. Doppelspontanität, d.h. (z.B.) der Körperverletzungsvorsatz ebenso wie der nachfolgende Tötungsvorsatz spontan gefasst wurde und so die erste Tat und die Tötung zeitlich-räumlich unmittelbar ineinander übergingen, so dass überhaupt keine andere zu verdeckende Straftat vorläge.
Nach heutiger Auffassung des BGH ist ein Verdeckungsmord jedoch auch dann möglich, wenn die zu verdeckende Tat und die Verdeckungstötung aus einer Doppelspontanität entspringen und zeitlich-räumlich nahtlos ineinander übergehen. Zwischen Vortat und Tötung muss also kein zeitlicher Abstand liegen.
V. Restriktive Auslegung
Um der restriktiven Auslegung der Mordmerkmale beim Verdeckungsmord gerecht zu werden, werden von der Rechtsprechung zwei Möglichkeiten vorgeschlagen:
Die Verdeckungsabsicht sei als Sonderfall der niedrigen Beweggründe zu verstehen, deshalb könne Mord trotz bestehender Verdeckungsmotivation verneint werden, wenn die Tat ausnahmsweise aufgrund einer Gesamtwürdigung nicht sittlich auf tiefster Stufe steht und nicht verachtenswert ist.
Dagegen wird auch für möglich gehalten, die Rechtsfolgenlösung, welche ursprünglich für die Heimtücke entwickelt worden ist, auf die Verdeckungsabsicht zu übertragen, sodass bei Vorliegen außergewöhnlicher Umstände von einer lebenslanger Freiheitsstrafe unter Heranziehung von § 49 StGB abgesehen werden kann.
Nach Ansicht eines großen Teils der Literatur wird eine restriktive Einschränkung über eine Korrektur des Tatbestandes vorgenommen, wonach aufgrund einer Gesamtwürdigung die Tat als besonders verwerflich erscheinen muss.
VI. Verdeckungsmord durch Unterlassen
Fraglich ist noch, ob die Verdeckungsabsicht auch durch Unterlassen verwirklicht werden kann.
Die frühere Rechtsprechung lehnte dies mit der Begründung ab, dass der Täter durch ein bloßes Entfernen vom Tatort die von ihm begangene Fahrlässigkeitstat noch nicht tatsächlich verdeckt, denn der Verdeckungsbegriff sei inhaltlich von einem aktiven Tun, nicht von einem „Nichtaufdecken“ gekennzeichnet. Dass der Täter keine Hilfe leiste, könne vom Unrechtsgehalt der Tat her nicht so verwerflich sein wie die aktive Form des Mordes.
Dem folgt der BGH und die herrschende Lehre heute nicht mehr. Vielmehr könne ein Verdeckungsmord auch durch Unterlassen begangen werden. Weder stehe der Wortlaut dem entgegen, noch werde vom Garanten verlangt, die eigene Strafverfolgung zu unterstützen, er soll nur irgendwie die Lebensrettung unterstützen, dazu reiche schon ein anonymer Anruf im Krankenhaus. Dass sich dadurch seine Entdeckungsgefahr erhöhen könnte sei noch sozial adäquat und zumutbar.