I. Allgemeines zum Pauschalreisevertrag
Der Pauschalreisevertrag ist eine spezielle Ausprägung des Werkvertrags. Er schützt den Reisenden mit Gewährleistungsrechten bei Reisemängeln. Dies bezieht sich aber ausdrücklich nur auf Pauschalreiseverträge! Individualreiseleistungen sind grundsätzlich nicht umfasst. Geregelt ist der Pauschalreisevertrag in §§ 651a ff. BGB. Der Vertrag kommt durch zwei übereinstimmende Willenserklärungen (§§ 145 ff. BGB) zustande.
Hauptsächlich dient das Reisevertragsrecht dem Verbraucherschutz. Ziel ist ein Interessenausgleich zwischen Reiseveranstalter und Reisendem.
Es handelt sich um zwingendes Recht.
Die Pflichten der Vertragsparteien ergeben sich aus § 651a Abs. 1 BGB. Dort heißt es:
Durch den Reisevertrag wird der Reiseveranstalter verpflichtet, dem Reisenden eine Gesamtheit von Reiseleistungen (Reise) zu erbringen. Der Reisende ist verpflichtet, dem Reiseveranstalter den vereinbarten Reisepreis zu zahlen.
Demnach wird dadurch der Unternehmer (Reiseveranstalter) verpflichtet, dem Reisenden eine Pauschalreise zu verschaffen. Damit eine Reise, also eine Gesamtheit von Reiseleistungen, gegeben ist, müssen mindestens zwei Leistungsteile vorliegen. Das Reisevertragsrecht gilt somit nur für Pauschalreisen und schließt einzelne Leistungen aus. In diesen Fällen liegt regelmäßig ein Werkvertrag vor (etwa bei einem einfachen Flug).
Die Reiseleistung ist das prägende Wesensmerkmal des Reisevertrags und gibt dem Vertrag seinen Namen und dient auch als Abgrenzungskriterium, insbesondere zur Abgrenzung zum Werkvertrag.
Tipp: Der Werkvertrag und seine wesentlichen Merkmale erfährst du hier.
Dabei sind Reiseleistungen im Sinne dieses Gesetzes geregelt in § 651 a Abs. 3 BGB und umfassen:
- die Beförderung von Personen,
- die Beherbergung, außer wenn sie Wohnzwecken dient,
- die Vermietung von vierrädrigen Kraftfahrzeugen gemäß § 3 Absatz 1 der EG-Fahrzeuggenehmigungsverordnung und von Krafträdern der Fahrerlaubnisklasse A gemäß § 6 Absatz 1 der Fahrerlaubnis-Verordnung
- jede touristische Leistung, die nicht Reiseleistung im Sinne der Nummern 1 bis 3 ist
Nicht als Reiseleistungen nach Satz 1 gelten Reiseleistungen, die wesensmäßig Bestandteil einer anderen Reiseleistung sind.
In Ausnahmefällen ist eine analoge Anwendung der §§ 651a ff. BGB geboten, wenn die Interessenlage bei einer Einzelreiseleistung derjenigen bei Pauschalreisen entspricht. Hierfür muss die Einzelreiseleistung besondere Bedeutung haben.
Ferner ist zu beachten, dass seit 2018 das Reiserecht reformiert wurde und Neuregelungen hineingekommen sind, so z.B. die neueren Buchungsformen – verbundene Online-Buchungsverfahren, der sog. „Click-Through-Buchungen“ gemäß § 651c BGB – um möglichst nah an der Verbraucherrealität zu bleiben und dem Vollharmonisierungsansatz einzuhalten.
Tipp: Bevor oder während du diesen Beitrag liest, lies dir unbedingt einmal die Normen allesamt durch, die Reformierung hat wirklich gute Leistung erbracht und vieles erklärt sich – tatsächlich – von selbst!
II. Der Reiseveranstalter
Definition: Derjenige ist Reiseveranstalter, der dem Reisenden die Erbringung der Reiseleistungen in eigener Verantwortung verspricht.
Er muss hierzu nicht gewerblich handeln. Sollte dies allerdings der Fall sein (Regelfall), treffen ihn besondere gesetzliche Informationspflichten.
Beachte: Reisebüros sind hingegen zumeist nur Handelsvertreter i.S.v. § 84 HGB, welchen lediglich eine Vermittlungsfunktion zukommt. Mit dem Reisebüro kommt somit meist ein Geschäftsbesorgungsvertrag i.S.v. § 675 Abs. 1 BGB zustande. Pflichtverletzungen des Reisebüros muss sich der Veranstalter allerdings regelmäßig gem. § 278 BGB zurechnen lassen.
Ebenso sind die einzelnen Leistungsträger, wie Hotels und Fluggesellschaften, lediglich Erfüllungsgehilfen des Reiseveranstalters. Sie sind nicht selbst Vertragspartei, sofern der Reiseveranstalter dies nicht ausdrücklich klarstellt. Eine Verrichtungsgehilfenschaft i.S.d. § 831 BGB erfüllen die einzelnen Leistungsträger jedoch nicht, da sie nicht weisungsgebunden tätig sind.
Rechtsprechung und h.M. nehmen an, dass zwischen Reiseveranstalter und Leistungsträger ein Vertrag zugunsten Dritter gegeben ist, was dem Reisenden einen eigenen Erfüllungsanspruch gegen die Leistungsträger eröffnet.
III. Der Reisende
Der Reisende muss die Reise im eigenen Namen buchen. Er muss die Reise aber nicht selbst antreten.
Vertragspartner mit dem Reiseveranstalter sind hingegen die Personen, die im Vertrag namentlich genannt sind. Daher sind die mitreisenden Familienangehörigen, die im Vertrag nicht bezeichnet sind, idR nicht Vertragspartner.
Auch bei Gruppenreisen vertritt der Vertragsschließende die anderen Teilnehmer, weshalb mehrere Einzelverträge zustande kommen.
Im Gegensatz dazu kommt bei Familienreisen nur ein Vertrag zustande, welcher auch als Vertrag zugunsten Dritter qualifiziert werden kann.
IV. Vertragliche Pflichten
Der Reiseveranstalter schuldet als Hauptleistungspflicht die mangelfreie Erbringung der Reiseleistung. Ebenso hat er besondere Informations- und Nachweispflichten. Ebenso treffen ihn als Nebenpflichten gewisse Schutz- und Obhutspflichten, § 241 Abs. 2 BGB.
Als Hauptleistungspflicht des Reisenden bestimmt § 651a Abs. 1 S. 2 BGB die Zahlung des Reisepreises. In Anlehnung an die werkvertraglichen Regelungen der §§ 641 Abs. 1 S. 1, 646 BGB tritt Fälligkeit erst mit Beendigung der Reise ein. Dieser Zeitpunkt wird allerdings häufig durch AGB vorverlegt (Regelfall). Auch den Reisenden treffen Schutzpflichten nach § 241 Abs. 2 BGB.
§ 651a Abs. 4, 5 BGB schränken das Recht zur einseitigen Vertragsänderung durch den Reiseveranstalter ein.
V. Rücktrittsrecht, § 651h Abs. 1 BGB
§ 651h Abs. 1 BGB gibt dem Reisenden ein Rücktrittsrecht vor Reisebeginn.
(1) Vor Reisebeginn kann der Reisende jederzeit vom Vertrag zurücktreten.[…]
Auch gestattet § 651e Abs. 1 BGB dem Reisenden eine Ersetzungsbefugnis, sodass ein Wechsel in der Person des Reisenden eintreten kann.
(1) Der Reisende kann innerhalb einer angemessenen Frist vor Reisebeginn […] erklären, dass statt seiner ein Dritter in die Rechte und Pflichten aus dem Pauschalreisevertrag eintritt. […]
Darüber hinaus gibt § 651i BGB dem Reisenden unter bestimmten Voraussetzungen ein Rücktrittsrecht bei Vorliegen eines Mangels.
VI. Gewährleistungsrechte bei Mangelhaftigkeit, §§ 651i ff. BGB
Bei Mangelhaftigkeit der Reise steht dem Reisenden das Mängelrecht des §§ 651i ff. BGB zur Seite.
1. Reisemangel, § 651i Abs. 2 BGB
Wann ein Mangel vorliegt, ergibt sich aus § 651i Abs. 2 BGB. Dort heißt es:
(2) Die Pauschalreise ist frei von Reisemängeln, wenn sie die vereinbarte Beschaffenheit hat. Soweit die Beschaffenheit nicht vereinbart ist, ist die Pauschalreise frei von Reisemängeln,
- wenn sie sich für den nach dem Vertrag vorausgesetzten Nutzen eignet, ansonsten
- wenn sie sich für den gewöhnlichen Nutzen eignet und eine Beschaffenheit aufweist, die bei Pauschalreisen der gleichen Art üblich ist und die der Reisende nach der Art der Pauschalreise erwarten kann.
Wenn man sich dem Wortlaut entlang orientiert und sauber subsumiert, kann hier kaum ein Fehler entstehen.
Darauf ergibt sich folgendes Prüfungsschema:
Prüfungsschema:
- Abweichung von der vereinbarten Beschaffenheit
- Nichteignung nach vertraglich vorausgesetzten Nutzen
- Nichteignung für den gewöhnlichen Nutzen und Abweichung von der üblichen Beschaffenheit
2. Die Gewährleistungsrechte
a. Abhilfe, § 651k BGB
Zunächst hat der Reisende bei Vorliegen eines Mangel gem. § 651k Abs. 1 S. 1 BGB Abhilfe zu verlangen.
(1) Verlangt der Reisende Abhilfe, hat der Reiseveranstalter den Reisemangel zu beseitigen.[…]
Abhilfe kann durch Mängelbeseitigung oder Erbringung einer gleichwertigen Ersatzleistung erfolgen. Sollte dies nur unter unverhältnismäßigem Aufwand möglich sein, hat der Reiseveranstalter ein Verweigerungsrecht nach § 651k Abs. 1 S. 2 BGB.
Nach Ablauf einer angemessen Frist, kann der Reisende gem. § 651k Abs. 2 S. 1 BGB selbst Abhilfe schaffen. In den Fällen des § 651k Abs. 2 S. 2 BGB ist eine Fristsetzung entbehrlich.
b. Minderung, § 651m BGB
Gemäß § 651m BGB steht dem Reisenden auch ein Minderungsrecht zu.
(1) Für die Dauer des Reisemangels mindert sich der Reisepreis. Bei der Minderung ist der Reisepreis in dem Verhältnis herabzusetzen, in welchem zur Zeit des Vertragsschlusses der Wert der Pauschalreise in mangelfreiem Zustand zu dem wirklichen Wert gestanden haben würde. […]
Eine Mängelanzeige ist grundsätzlich dennoch erforderlich, § 651o BGB. Die Berechnung des Minderungsbetrages erfolgt dadurch, dass der tatsächliche Wert der Reise ermittelt wird. Notfalls kann dieser auch geschätzt werden. Bei zu viel gezahlten Reisepreis findet dann eine Rückabwicklung nach Maßgabe des § 346 Abs. 1 BGB und § 347 Abs. 1 BGB statt.
c. Kündigung, § 651l BGB
Sollte die Reise durch den Mangel erheblich beeinträchtigt werden oder ein sonstiger wichtiger Grund vorliegen, kann der Reisende auch gem. § 651l BGB kündigen.
(1) Wird die Pauschalreise durch den Reisemangel erheblich beeinträchtigt, kann der Reisende den Vertrag kündigen. Die Kündigung ist erst zulässig, wenn der Reiseveranstalter eine ihm vom Reisenden bestimmte angemessene Frist hat verstreichen lassen, ohne Abhilfe zu leisten; […]
Auch hier ist grundsätzlich eine Fristsetzung zur Abhilfe erforderlich. Die Pflicht zur Zahlung des Reisepreises entfällt und für bereits erbrachte Reiseleistungen ist eine Entschädigung zu zahlen, außer an den Leistungen besteht kein Interesse des Reisenden mehr. Zu den zur Vertragsaufhebung notwendigen und vom Veranstalter geschuldeten Maßnahmen gehört auch die Rückbeförderung.
d. Schadensersatz, § 651n Abs. 1 BGB
Aus § 651n Abs. 1 BGB ergibt sich zudem ein Schadensersatzanspruch wegen Nichterfüllung bei Vertreten müssen durch den Reiseveranstalter, wobei das Verschulden der Leistungsträger dem Reiseveranstalter nach § 278 BGB zugerechnet wird. Auch wenn § 651n Abs. 1 BGB keine Mängelanzeige fordert, ergab sich das Erfordernis einer solchen Pflicht schon früher aus Gesetzessystematik, außer die Anzeige ist ohnehin sinnlos. Nunmehr hat der Gesetzgeber in § 651o Abs. 2 Nr. 2 BGB dies auch normiert. Geschützt sind sowohl Erfüllungs- als auch Integritätsinteresse.
e. Entschädigung, § 651n Abs. 2 BGB
Letztlich steht dem Reisenden ein Anspruch auf Entschädigung wegen nutzloser aufgewendeter Urlaubszeit zu, § 651n Abs. 2 BGB. Hierbei handelt es sich um den Ersatz eines immateriellen Schadens und damit um eine der wenigen Ausnahmen, in denen ein Ersatz von immateriellen Schäden gezahlt wird.
3. Beschränkung der Haftung, § 651p BGB
In welchem Umfang der Reiseveranstalter seine Haftung beschränken kann, ergibt sich aus § 651p BGB. Dies gilt allerdings nicht für deliktische Ansprüche.
4. Verhältnis zum allgemeinen Leistungsstörungsrecht
Aufgrund des Spezialitätsgrundsatzes wird das allgemeine Leistungsstörungsrecht – wie in jeden Fall der gesetzlich normierten Vertragstypen – von den §§ 651i ff. BGB verdrängt.
Problematisch sind die Fälle, in denen eine Reiseleistung oder gar die ganze Leistung ausfällt, da sich dann die Frage stellt, ob die Vorschriften über die Unmöglichkeit Geltung erlangen.
Bei Ausfall einzelner Reiseleistungen liegt jedoch lediglich ein Mangel vor. Dies gilt auch bei vorzeitigem Reiseabbruch. Ebenso werden die Vorschriften der §§ 651i ff. BGB angewandt, wenn die Reise nicht angetreten werden kann, weil ein Umstand vorliegt, der nicht in der Person des Reisenden zu sehen ist. Dies ist allerdings nicht unstreitig.
VII. Verjährung, § 651j Abs. 2 BGB
Die Ansprüche des Reisenden verjähren gem. § 651j Abs. 2 BGB nach zwei Jahren ab vertraglich vereinbarten Ende der Pauschalreise, wobei auch hier eine Ausdehnung auf deliktische Ansprüche ausgeschlossen ist.
Die in § 651i Absatz 3 bezeichneten Ansprüche des Reisenden verjähren in zwei Jahren. Die Verjährungsfrist beginnt mit dem Tag, an dem die Pauschalreise dem Vertrag nach enden sollte.
Quellen
- Looschelders, Dirk: Schuldrecht Besonderer Teil, 9. Auflage 2014.
- Medicus, Dieter / Lorenz, Stephan: Schuldrecht II Besonderer Teil, 17. Auflage 2014.