I. Der Sachverhalt
Die 5 Angeklagten arbeiteten als Bediener für Einäscherungsanlagen in einem Krematorium. Eine Angeklagte war die Ehefrau eines mittlerweile verstorbenen Mitarbeiters des Krematoriums.
Zu den Aufgaben der Krematoriumsmitarbeiter gehörte es, nach dem Verbrennungsvorgang ein Metallfach zu durchsuchen in welchem sich Verbrennungsrückstände befanden. Darin befanden sich üblicherweise künstliche Gelenke oder auch Zahngold. Diese Verbrennungsrückstände sollten durch die Mitarbeiter in Sammelbehälter geworfen werden und wurden anschließend durch das Krematorium veräußert. Der Erlös wurde an die Kinderkrebshilfe gespendet.
Die Angeklagten entnahmen während ihres Dienstes in mehreren Fällen Zahnbruchgold aus den Verbrennungsresten. Anstatt diese in den Sammelbehälter zu werfen, verkauften sie dieses privat. Die Ehefrau des verstorbenen Krematoriumangestellten verkaufte das Zahnbruchgold in mehreren Fällen für diesen.
II. Störung der Totenruhe gem. § 168 StGB
In § 168 Abs. 1 StGB heißt es:
Wer unbefugt aus dem Gewahrsam des Berechtigten den Körper oder Teile des Körpers eines verstorbenen Menschen, eine tote Leibesfrucht, Teile einer solchen oder die Asche eines verstorbenen Menschen wegnimmt oder wer daran beschimpfenden Unfug verübt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.
III. Das Urteil der 1. Instanz
Das Landgericht Hamburg verurteilte die Angeklagten Mitarbeiter des Krematoriums zu Bewährungsstrafen wegen Störung der Totenruhe in Tateinheit mit Beihilfe zum Verwahrungsbruch. Die Ehefrau wurde wegen Beihilfe zur Störung der Totenruhe in Tateinheit mit Beihilfe zum Verwahrungsbruch in 110 Fällen zu einer zur Bewährung ausgesetzten Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und vier Monaten verurteilt. Das Gericht stellte auch fest, dass die Angeklagten Vermögensvorteile zwischen 6.000 € und 178.000 € erlangt haben.
IV. Entscheidung des BGH
Amtlicher Leitsatz des BGH:
Zur „Asche“ im Sinne des § 168 StGB gehören sämtliche nach der Einäscherung verbleibenden Rückstände, das heißt auch die vormals mit einem Körper fest verbundenen, nicht verbrennbaren Bestandteile.
Die Revisionen der Angeklagten waren nur zu einem geringen Teil erfolgreich. Die Verurteilung der Ehefrau wegen Beihilfe zur Störung der Totenruhe und wegen Beihilfe zum Verwahrungsbruch konnte nicht auf den Verkauf des Zahngoldes gestützt werden, da zu diesem Zeitpunkt die Haupttaten schon beendet waren. Die Beihilfe geschah vielmehr in Form psychischer Beihilfe. Insofern wurde der Schuldspruch abgeändert.
Im Übrigen wurden die Revisionen als unbegründet verworfen.
Die entscheidende Frage war hierbei, ob Zahngold unter den Begriff der „Asche“ i.S.d. § 168 StGB zu subsumieren sei. Nach Ansicht des BGH gehören hierzu sämtliche nach der Einäscherung verbleibenden Rückstände, das heißt auch die vormals mit dem Körper fest verbundenen fremden Bestandteile, die nicht verbrennbar sind.
Diese Ansicht begründet der BGH mit einer detaillierten und fast lehrbuchartigen Auslegung:
1. Wörtliche Auslegung
Nach Ansicht des BGH ist der Begriff der „Asche“ nicht eindeutig definiert. Er umfasst nicht nur „einen staubig-pulverigen Rückstand verbrannter Materie“, sondern allgemeiner Verbrennungsrückstände. Darunter sei auch Zahngold subsumierbar.
2. Historische Auslegung
Die Vorschrift des § 168 StGB wurde 1953 in das StGB unter ausdrücklicher Bezugnahme auf frühere Entwürfe eingefügt. Für die Erfassung von Zahngold spricht daher auch der Wille des historischen Gesetzgebers, da in einem Vorentwurf zum StGB von 1909 von „Ascheresten“ statt „Asche“ die Rede war.
3. Systematische und teleologische Erwägungen
Schutzgüter des § 168 StGB sind das Pietätsgefühl der Allgemeinheit und der postmortale Persönlichkeitsschutz des Toten. Dieser Schutz bezieht sich auch auf die Überreste der sterblichen Hülle. Zum Körper des Menschen gehören auch künstliche Körperteile wie das Zahngold, die durch die Verbindung mit dem Körper ihre Sachqualität verloren haben und nicht ohne Verletzung der Körperintegrität entfernt werden können.
Innerhalb des Tatbestandes des § 168 StGB soll dem Tatobjekt „Asche“ der gleiche Schutz auf würdige Bestattung gewährt werden, wie dem Körper. Der Körper eines Menschen und seine Körperreste werden daher in ihrer Gesamtheit geschützt.
Dafür spricht auch das Friedhofsrecht, dass die Verbrennungsreste vollständig in der Urne gesammelt werden sollen, damit auch nach längerer Zeit eine behördliche Untersuchung an diesen stattfinden kann.
Daher sprechen auch systematische und teleologische Erwägungen für die Subsumtion des verbliebenen Zahngoldes unter den Begriff der „Asche“.
Quellen
- Beschluss des 5. Strafsenats des BGH vom 30.06.2015, 5 StR 71/15