Allgemeines
Im Rahmen des Leistungsstörungsrecht (§§ 280 ff. BGB) ist es zunächst wichtig, die Systematik der Paragraphen zu verstehen. Der Grundtatbestand findet sich in § 280 Abs. 1 BGB:
Verletzt der Schuldner eine Pflicht aus dem Schuldverhältnis, so kann der Gläubiger Ersatz des hierdurch entstehenden Schadens verlangen. Dies gilt nicht, wenn der Schuldner die Pflichtverletzung nicht zu vertreten hat.
Daraus ergibt sich folgendes Schema für die Schadensersatzansprüche, § 280 BGB:
I. Schuldverhältnis
II. Pflichtverletzung
III. Vertretenmüssen
IV. Schaden
Die Paragraphen §§ 281, 282, 283, 286 und 311 Abs. 2 BGB stellen besondere Arten des Schadenersatzes dar und ergänzen das Grundschema um verschiedene Voraussetzungen. Die besonderen Voraussetzungen wurden jeweils in einem eigenen Beitrag näher erläutert.
Der vorliegende Beitrag beschäftigt sich mit dem oben aufgeführten Schema gem. § 280 BGB, welches in allen Ansprüchen gem. §§ 280 ff. BGB grundsätzlich gleich ist.
I. Schuldverhältnis
§ 280 Abs. 1 BGB verlangt zunächst ein Schuldverhältnis.
Definition: Ein Schuldverhältnis ist ein Rechtsverhältnis, kraft dessen eine Partei (= Gläubiger) von einer anderen (= Schuldner) eine Leistung verlangen kann (oder beide voneinander).
Im Rahmen von § 280 Abs. 1 BGB kann es sich hierbei sowohl um ein vertragliches (bspw. aus einem Kaufvertrag) oder gesetzliches (bspw. aus einer GOA) Schuldverhältnis handeln.
In der Klausur genügt zu diesem Punkt i.d.R. ein kurzes Nennen des jeweiligen Schuldverhältnisses.
II. Pflichtverletzung
Zudem müsste der Schuldner eine Pflicht aus dem Schuldverhältnis verletzt haben.
Definition: Unter Pflichtverletzung ist jedes Abweichen einer Partei von der geschuldeten Pflicht zu verstehen.
Hierbei ist in Haupt- und Nebenleistungspflichten, sowie in Sorgfaltspflichten zu unterscheiden:
- Zu den Verletzungen von Hauptleistungspflichten gehören das Ausbleiben der Leistung, die Verspätung der Leistung und die Schlechtleistung.
- Die Nebenleistungspflichten sollen die Erfüllung der Hauptleistungspflichten unterstützen, ein Bsp. hierfür wäre das Verpacken der Ware (Liefern der Ware als Hauptleistungspflicht).
- Die Sorgfaltspflicht lässt sich aus § 241 Abs. 2 BGB ableiten, wonach jede Partei zur Rücksichtnahme gegenüber der anderen verpflichtet ist.
Im Rahmen von § 280 Abs. 1 BGB ist grds. jede Pflichtverletzung ausreichend. Die besonderen Schadensersatzansprüche konkretisieren die Pflichtverletzung i.d.R. näher.
III. Vertretenmüssen
§ 280 Abs. 1 S. 2 BGB fordert weiterhin, dass der Schuldner die Pflichtverletzung nicht zu vertreten hat. Die Negativformulierung im Gesetz stellt klar, dass das Vertretenmüssen grds. vermutet wird und der Schuldner beweisen muss, dass er die Pflichtverletzung nicht zu vertreten hat. Es findet also eine Beweislastumkehr statt.
Es bietet sich daher an, dies in der Fallbearbeitung durch eine entsprechende Negativformulierung im Obersatz kenntlich zu machen: Bsp. „Der Anspruch ist ausnahmsweise ausgeschlossen, wenn der Schuldner die Pflichtverletzung nicht zu vertreten hat.”
Gem. § 276 BGB hat der Verkäufer Vorsatz und Fahrlässigkeit bezüglich der Pflichtverletzung zu vertreten. Wichtig ist, zu beachten, dass § 276 BGB keine eigene Anspruchsgrundlage, sondern lediglich eine Zurechnungsnorm darstellt.
Definition: Vorsatz ist das Wissen und Wollen eines rechtswidrigen Erfolgs.
Die Fahrlässigkeit ist in § 276 Abs. 2 BGB legaldefiniert:
Fahrlässig handelt, wer die im Verkehr erforderliche Sorgfalt außer Acht lässt.
In besonderen Fällen kann sich eine strengere oder mildere Haftung aus dem Gesetz ergeben (§ 276 Abs. 1 BGB).
An dieser Stelle muss zudem die mögliche Zurechnung von fremdem Verschulden problematisiert werden. Besonders relevant ist hier die Verantwortlichkeit für Erfüllungsgehilfen gem. § 278 S. 1. Alt. 2BGB. Ggf. kann dies auch schon ihm Rahmen der Pflichtverletzung angesprochen werden, wenn diese ein bestimmtes Verhalten des Erfüllungsgehilfen voraussetzt.
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IV. Schaden
Zuletzt müsste auch ein Schaden entstanden sein.
Definition: Schaden ist jede unfreiwillige Vermögenseinbuße.
Die Berechnung des Schadens gem. §§ 249 ff. BGB richtet sich grds. nach der Differenzhypothese. Diese besagt, dass ein Schaden in der Differenz, die sich aus zwei Vermögenslagen ergibt, besteht. Verglichen werden dabei die Vermögenslage, die durch die Pflichtverletzung geschaffen wurde und die Vermögenslage, die bestünde, wenn das Ereignis hinweggedacht würde. Ist der jetzige Wert des Vermögens beim Geschädigten geringer als der Wert ohne das die Ersatzpflicht auslösende Ereignis, so liegt ein Vermögensschaden vor.
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Der konkrete Umfang des Schadens richtet sich im weiteren nach der jeweiligen Schadensersatznorm.
Annex: Schadensersatz statt der Leistung oder neben der Leistung?
Ein Punkt, welcher im Rahmen der Prüfung von Ansprüchen gem. der §§ 280 ff. BGB eigentlich ganz zu Beginn kurz erläutert werden sollte, ist die Frage, ob es sich um einen Schadensersatz statt oder neben der Leistung handelt. Aus dieser Frage lässt sich die jeweilige Anspruchsgrundlage ableiten.
Merke: Jede Schadensposition kann jeweils nur entweder Ansprüche aus Schadensersatz neben oder Schadensersatz statt der Leistung begründen.
1. Schadensersatz statt der Leistung
Der Schadensersatz statt der Leistung ergibt sich aus dem vollständigen Ausbleiben der Leistung. Der Gläubiger hat folglich kein Interesse an der Leistung mehr.
Beispiel: Ersatzkauf
2. Schadensersatz neben der Leistung
Beim Schadensersatz neben der Leistung hat der Gläubiger weiter Interesse an der Leistung und behält seinen Primäranspruch.
Beispiel: A lässt den Auspuff seines Autos in der Werkstatt des B reparieren. Bei der Reparatur hinterlässt Bs Mitarbeiter C einen Kratzer im Lack des Autos. A verlangt von B die Beseitigung des Kratzers. Weiterhin möchte er natürlich, dass B auch den Auspuff repariert.
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Quellen
- Looschelders, Dirk: Schuldrecht Besonderer Teil, 9. Auflage.
- Musielak, Hans-Joachim / Hau, Wolfgang: Grundkurs BGB, 13. Auflage.