I. Allgemeines zur Sicherungsübereignung
Die Sicherungsübereignung ist die einzige juristische Möglichkeit, sachenrechtlich eine Eigentumsänderung zu vollziehen, ohne dass dies eine Änderung des unmittelbaren Besitzes zur Folge hat.
Um eine Forderung zu sichern, übereignet der Schuldner dem Gläubiger eine Sache. Eben diese Sache bleibt allerdings im Besitz des Schuldners, der diese weiter nutzen kann. Dies ist durchaus sinnvoll, denn würde ein Pfand vereinbart werden, so würde der Gläubiger nicht nur Eigentümer, sondern auch Besitzer werden. Die Sache wäre damit wirtschaftlich für den Schuldner nicht mehr nutzbar.
Ein zentraler Unterschied zum Pfandrecht ist auch, dass die Sicherungsübereignung nicht akzessorisch, also an eine Forderung geknüpft, ist.
In der Klausur ist es wichtig, sich die verschiedenen Positionen klar zu machen. Der ursprüngliche Eigentümer war der Sicherungsgeber. Dieser ist nach der Sicherungsübereignung nur noch Besitzer. Eigentümer hingegen ist der Sicherungsnehmer geworden.
II. Schema der Sicherungsübereignung
Das Schema zur Prüfung der Sicherungsübereignung knüpft an die normale Prüfung einer rechtsgeschäftlichen Übereignung gem. § 929 S. 1 BGB an. Diese scheidet allerdings aus, weil die Norm den totalen Besitzverlust des Veräußerers voraussetzt. Stattdessen findet § 930 BGB Anwendung:
Ist der Eigentümer im Besitz der Sache, so kann die Übergabe dadurch ersetzt werden, dass zwischen ihm und dem Erwerber ein Rechtsverhältnis vereinbart wird, vermöge dessen der Erwerber den mittelbaren Besitz erlangt.
Daraus ergibt sich folgendes Prüfungsschema für die Sicherungsübereignung gem. §§ 929 S. 1, 930 BGB:
1. Einigung gem. § 929 S. 1 BGB
2. Übergabesurrogat: Besitzkonstitut gem. § 930 BGB
3. Einigsein
4. Berechtigung des Veräußerers; ggf. §§ 930, 933 BGB
III. Übergabesurrogat: Besitzkonstitut gem. § 930 BGB
Die Übergabe im Rahmen des § 930 BGB wird durch ein Besitzkonstitut bzw. durch die Vereinbarung eines Besitzmittelungsverhältnisses i.S.d. § 868 BGB ersetzt.
Definition: Ein Besitzmittelungsverhältnis ist jedes konkrete Verhältnis zwischen einem Veräußerer als Besitzer und einem Erwerber, aufgrund dessen der Erwerber mittelbaren Besitz erlangt.
Beispiele für ein Besitzmittelungsverhältnis sind die Leihe gem. § 598 BGB oder die Verwahrung gem. § 688 BGB. Allerdings können Besitzmittelungsverhältnisse auch gesetzlich entstehen. Besonders relevant ist hierbei die Ehe.
IV. Sicherungsvertrag, § 311 Abs. 1 BGB
Hand in Hand mit der Sicherungsübereignung geht die Sicherungsabrede bzw. der Sicherungsvertrag. Er verbindet das (i.d.R.) Darlehen und Sicherheit miteinander und hält das Gebilde mit folgenden Vereinbarungen am Laufen. Dabei handelt es sich um einen selbstständigen Vertrag, der den allgemeinen Regelungen gem. §§ 145 ff. BGB unterliegt.
Im Sicherungsvertrag wird festgelegt, dass der Sicherungsnehmer den Sicherungsgeber zur Veräußerung des Sicherungsguts ermächtigt, §§ 929, 185 BGB (Veräußerungsermächtigung).
Daneben agiert der Sicherungsnehmer als Treuhänder, indem typischerweise in der Sicherungsvereinbarung geregelt wird, dass der Sicherungsnehmer nur dann aus dem Eigentum vorgehen darf, wenn der Darlehnsschuldner das Darlehen nicht zurückbezahlt. Dies führt zu einer schuldrechtlichen Limitierung der dinglichen Berechtigung.
Typischerweise folgt aus der Veräußerungsermächtigung, dass sich die Sicherungssumme mit jedem Verkauf reduziert. Es besteht also die Gefahr, dass die Sicherungssumme sukzessive leer läuft, obwohl das Darlehen noch nicht abgezahlt ist. Dieses Problem löst das antizipierte Besitzkonstitut gem. §§ 930, 868 BGB. Das heißt, der Sicherungsgeber ist verpflichtet, stets neue Sicherheiten zur Verfügung zu stellen, um den Erhalt der Sicherungshöhe zu gewährleisten.
Ist die Forderung beglichen (z.B. das Darlehen abbezahlt) muss der Gläubiger die Sache dem Schuldner rückübereignen. Der Schuldner hat also einen Rückübereignungsanspruch. Dies wird i.d.R. bereits in der Sicherungsabrede als Bedingung normiert. Insoweit geht dann die mit Eintritt der auflösenden Bedingung (vollständige Rückzahlung) das Sicherungseigentum automatisch an den Sicherungsgeber zurück.
V. Bestimmtheitsgrundsatz
Der Bestimmtheitsgrundsatz beherrscht das Sachenrecht und muss daher auch bei der Sicherungsübereignung beachtet werden. Er besagt, dass eine Verfügung lediglich dann wirksam ist, wenn die dingliche Einigung den Verfügungsgegenstand exakt bestimmt. Es ist insoweit nicht ausreichend eine abstrakte Regelung zu treffen. Eine Regelung, die 50% Ihres Warenbestandes zur Sicherheit übereignet verstößt daher gegen den Bestimmtheitsgrundsatz. Es muss genau geregelt sein, welche Sachen sicherungsübereignet werden.
VI. Gefahr der Übersicherung wegen wechselnder Sicherheiten
Regelmäßig tritt im Handelsgewerbe das Problem auf, dass die Waren im Warenlager ständig im Wechsel sind. Um die neuen Werte zu sichern, enthält der Sicherungsvertrag die Regelung, dass auch künftige Waren sicherungsübereignet werden (= antizipierte Sicherungsübereignung). Indem immer neue Werte sicherungsübereignet werden, besteht die Gefahr der Übersicherung der Bank.
Definition: Eine Übersicherung liegt vor, wenn der Wert der Sicherheiten im Vergleich zur Höhe der gesicherten Gesamtforderung ergibt, dass der Wert der Sicherheiten die Darlehnsforderung dauerhaft in ungerechtfertigter Weise übersteigt.
Die Frage der Freigabevereinbarung ist maßgeblich für dieses Problem. Mithin kann eine Übersicherung lediglich dann eintreten, wenn keine Freigabeklausel vereinbart ist. Der BGH legt die Sicherungsvereinbarung in diesen Fällen über die ergänzende Vertragsauslegung gem. §§ 133, 157 BGB wie folgt aus: Jeder Sicherungsabrede muss eine Freigabeanspruch entsprechend des Grundsatzes von Treu und Glauben immanent sein (BGHZ 137, 212 (212)).
Eine solche Übersicherung sieht der BGH bei 150 % des Einkaufs- und Herstellerpreises für gegeben (BGH NJW 1998, 671 ff). Eine Freigabeklausel zielt auf einen angemessenen Ausgleich zwischen den Interessen des Sicherungsgebers und Sicherungsnehmers. Der Sicherungsnehmer kann allerdings in seinem Ermessen entscheiden, welche Sicherungsgegenstände freigegeben werden (BGH NJW-RR 2003, 45 = ZIP 2002, 1390).
Mithin obliegt es dem Sicherungsgeber, der sich auf das Vorliegen einer Übersicherung beruft, darzulegen und zu beweisen, dass die vermuteten Deckungsgrenzen erreicht sind.
Obgleich die Sicherungsübereignung aufgrund der verwobenen Verträge etwas schwierig erscheinen mag, ist sie dennoch im Klausursachverhalt gut zu erkennen und in die Lösung zu integrieren. Wichtig ist, die einzelnen Vertragsbeziehungen auseinanderzuhalten und den Tatbestand der Sicherungsübereignung zu verinnerlichen.
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