I. Überblick
Üble Nachrede, § 186 StGB:
Wer in Beziehung auf einen anderen eine Tatsache behauptet oder verbreitet, welche denselben verächtlich zu machen oder in der öffentlichen Meinung herabzuwürdigen geeignet ist, wird, wenn nicht diese Tatsache erweislich wahr ist […], wenn die Tat öffentlich, in einer Versammlung oder durch Verbreiten eines Inhalts (§ 11 Absatz 3) begangen ist, […] bestraft.
Bei § 186 StGB handelt es sich um ein Gefährdungsdelikt.
Geschütztes Rechtsgut der üblen Nachrede (§ 186 StGB) ist die Ehre.
Jemand behauptet oder verbreitet eine Tatsache von der er gar nicht weiß, ob diese wahr ist. Die entsprechende Beweislast liegt demzufolge bei dem Behauptenden. Die Nichterweislichkeit der Wahrheit geht somit zu Lasten des Täters (objektive Bedingung der Strafbarkeit).
Es handelt sich jedoch um ein reines Antragsdelikt, damit gemeint ist, dass es nur auf Antrag des Geschädigten verfolgt wird. Dies sollte vorab in der Klausur überprüft werden, denn liegt ein solcher Antrag nicht vor, kann man die Prüfung fallen lassen und sinnvolle Zeit sparen!
Hierin liegt auch die Besonderheit der üblen Nachrede im Gegensatz zu den §§ 185 und 187 StGB.
Tipp: Die Wertung des § 186 StGB wird auch in das Zivilrecht übernommen, es ist dann ein Unterlassungsanspruch gemäß § 823, 1004 BGB denkbar.
I. Schema: üble Nachrede, § 186 StGB
Üble Nachrede, § 186 StGB – Schema:
- I. Tatbestand
- 1. Objektiver Tatbestand
- a) Behaupten oder Verbreiten einer ehrenrührigen Tatsache
- b) Beleidigungsfähige Person
- c) Kundgabe
- 2. Subjektiver Tatbestand
- 3. Objektive Strafbarkeitsbedingung: Nichterweislichkeit der Tatsache
- II. Rechtswidrigkeit
- III. Schuld
- IV. Strafantrag, § 194 StGB
III. Tatbestandsvoraussetzungen des § 186 StGB
1. objektiver Tatbestand des § 186 StGB
Tathandlung der üblen Nachrede (§ 186 StGB) ist das Behaupten oder Verbreiten der zum Herabwürdigen oder Verächtlichmachen geeigneten Tatsache gegenüber einem Dritten.
Taugliche Tatobjekte der üblen Nachrede iSd. § 186 StGB sind wie bei § 185 StGB einzelne Personen (auch unter einer Kollektivbezeichnung – sofern eine Individualisierbarkeit möglich ist) oder Kollektive. Da die Tatsache „in Beziehung auf einen anderen“ behauptet oder verbreitet werden muss, dürfen der Beleidigte und der Empfänger der Mitteilung nicht personenidentisch sein (sonst § 185 StGB).
Definition: Eine Behauptung einer Tatsache ist dann gegeben, wenn der Täter nach seiner Überzeugung die Tatsache als richtig hinstellt.
Werden fremde Tatsachen weitergegeben, kommt es ausschließlich auf die eigene Überzeugung des Täters an.
Definition: Ein Verbreiten ist das Weitergeben bzw. Mitteilen einer Tatsache, die von einer anderen Person gehört wurde.
Auf eine eigene Überzeugung kommt es dabei nicht an. Ist dem Empfänger die Tatsache schon vorher bekannt entfällt die Handlungsvariante.
Definition: Unter Tatsachen versteht man, konkrete Vorgänge und Zustände der Vergangenheit oder Gegenwart, die in der Realität wahrnehmbar und daher dem Beweis zugänglich sind (auch innere Tatsachen).
Hierin liegt der Unterschied der üblen Nachrede iSd. § 186 StGB zu § 185 StGB, bei welchem ein Werturteil zur Verwirklichung des Tatbestandes vorliegen muss.
Zudem muss die Tatsache geeignet sein, den anderen verächtlich zu machen oder ihn in der öffentlichen Meinung herabzuwürdigen. Ein tatsächlicher Unterschied besteht zwischen den beiden Alternativen nicht, vielmehr ist bei beiden ein ehrverletzender Inhalt der Tatsache erforderlich.
Definition: Eine Tatsache ist zur Verächtlichmachung eines anderen geeignet, wenn sie diesen als eine Person hinstellt. die ihren ethischen, moralischen oder sozialen Pflichten nicht gerecht wird.
Tipp: gegebenenfalls muss in der Klausur auch die Qualifikation des § 186 Var. 2 StGB oder des § 188 Abs. 1 StGB geprüft werden
§ 186 Var. 2 StGB qualifiziert die üble Nachrede, wenn die Tat öffentlich oder durch das Verbreiten von Schriften begangen wird. § 188 Abs. 1 StGB qualifiziert die üble Nachrede, wenn diese gegen Personen des politischen Lebens begangen wird.
2. subjektiver Tatbestand des § 186 StGB
Im subjektiven Tatbestand der üblen Nachrede iSd. § 186 StGB ist nach dem Vorsatz die objektive Bedingung der Strafbarkeit zu prüfen. Ist die Tatsache erwiesenermaßen wahr, hat der Täter sich nicht gemäß § 186 StGB (üble Nachrede) strafbar. Lässt sich die Wahrheit jedoch nicht feststellen, so gilt die Tatsache – wie bereits oben erwähnt – als nicht erweislich wahr, mit der Folge, dass der Täter sich gemäß § 186 StGB (üble Nachrede) strafbar ist.
IV. Weitere Besonderheiten des § 186 StGB
Beachtet werden muss zudem § 193 StGB auf der Ebene der Rechtfertigung. Zudem besteht auch für die üble Nachrede ein Strafantragserfordernis gemäß § 194 StGB.
V. Beispielsfall zur üblen Nachrede, § 186 StGB
In dem Kleingartenverein „Blütenpracht“ findet jeden ersten Samstag des Monats ein gemeinsames Grillfest statt, ein jedes Mal bei einem anderen Gartenbewohner. Als alle fünf Gartenbesitzer bei Heinrich Hasch (H) und seiner Lebensgefährtin Frieda Fuchs (F) geladen und Steak und feine Bratwurst genießen, entdeckt Willy Wahrheit (W) nicht nur den neuen 80-Zoll Fernseher des Paares, sondern etwas viel Ungewöhnlicheres. Einen Hortensienbaum. Sofort sagte dieser zu H: „Kannst du mir erklären, wie du dir dieses 80-Zoll Schmuckstück leisten kannst und uns immer mit deinen finanziellen Problemen konfrontierst?“
Als sich H mit den Worten verteidigte, seine Lebensgefährtin habe eine Erbschaft erhalten, entgegnete W: „Du bist ein Dealer und handelst samt F mit (Blüten-)Drogen! Ich habe gestern in einer Reportage alles über den neuen Stern am Drogenhimmel, die Blüten der Hortensie, gesehen. Jetzt kann ich das eimerweise Sammeln der Blüten bei euch im Garten verstehen.“ Das Gespräch wurde, ohne dass W dies wusste, von seinem Freund Uwe Unbefangen (U) mitgehört. H stellte gegen W Strafantrag. Im Strafverfahren gegen W konnte dessen Belastung von H weder bewiesen noch widerlegt werden.
W könnte sich durch die Aussage „H und seine Lebensgefährtin seien Dealer“ wegen übler Nachrede nach § 186 StGB strafbar gemacht haben.
1. Tatbestand des § 186 StGB
a) Objektiver Tatbestand
W müsste den objektiven Tatbestand der üblen Nachrede (§ 186 StGB) erfüllt haben.
Tathandlung des § 186 ist das Behaupten oder Verbreiten einer ehrenrührigen Tatsache in Beziehung auf einen anderen. Demnach müsste W gegenüber einem Dritten eine ehrenrührige Tatsache behauptet oder verbreitet haben. Behaupten heißt, eine Tatsache als nach eigener Überzeugung wahr hinstellen, selbst wenn man sie nur von dritter Seite erfahren hat. Verbreiten ist die Weitergabe einer von anderen gehörten Tatsache.
Vorliegend hat W Tatsachen behauptet, welche H betreffen. Eine bloße Äußerung fällt dabei nicht unter § 186 StGB. Dass U dies bemerkt hat, war W nicht bekannt. Mithin fehlt es an dem Vorsatz, einem Dritten etwas mitzuteilen (subjektiver Tatbestand).
Ferner hat er dieselben Tatsachen, die er über H behauptet, auch von F behauptet. Indessen er diese Behauptung gegenüber H äußerte, geschah dies auch gegenüber einer dritten Person und zieht eine Ehrverletzung nach sich. Der objektive Tatbestand ist folglich gegeben.
b) Subjektiver Tatbestand
W müsste ferner den subjektiven Tatbestand des § 186 StGB verwirklicht haben.
Subjektiv ist mindestens bedingter Vorsatz (dolus eventualis) erforderlich. Weitere Anforderungen stellt die h.M. nicht. Nach der herrschenden Literatur hingegen, muss der Täter in Bezug auf die Unwahrheit der geäußerten Tatsache, zumindest fahrlässig gehandelt haben.
Hier hat nach den Feststellungen des Gerichts W leichtfertig in Hinsicht auf den Wahrheitsgehalt seiner Behauptungen gehandelt. Mithin erfüllt die in der Literatur vertretene Ansicht den Tatbestand der üblen Nachrede. M. E. kommt es darauf an, ob W es für möglich hielt, keine Beweise für seine Behauptungen zu haben. Hier fehlte die Drogenkundschaft bezüglich einzelner, von H belieferter Hortensienblüten. Er hat dies ferner zu keiner Zeit erblickt. W wusste daher, dass er keinen Beweis hatte. Folglich ist der Tatbestand von § 186 StGB auch M.E. gegeben.
c) Objektive Strafbarkeitsbedingung des § 186 StGB
Schließlich darf die Tatsache nicht erweislich wahr sein. Dies ist nur dann der Fall, wenn ihre Unwahrheit vor Gericht erwiesen ist oder der Wahrheitsbeweis dort missglückt. Der Grundsatz in dubio pro reo gilt dabei nicht, ein Vorsatz muss sich darauf nicht erstrecken. Die behaupteten Tatsachen des W hatten sich nicht erweisen lassen. Demnach entspricht die Behauptung des W nicht der Wahrheit.
2. Rechtswidrigkeit und Schuld des § 186 StGB
Rechtfertigungsgründe gemäß § 193 StGB sind nicht ersichtlich. Schuldausschließungsgründe sind auch nicht ersichtlich.
3. Strafantrag des § 186 StGB
Ein erforderlicher Strafantrag gemäß § 194 StGB ist gestellt.
4. Ergebnis
W hat sich gemäß § 186 StGB wegen übler Nachrede Strafbar gemacht.
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