I. § 1365 Abs. 1 BGB – Allgemeines
Der gesetzliche Regelfall der Güterstände ist gem. § 1363 BGB die Zugewinngemeinschaft. In dieser besteht Vermögenstrennung und jeder Ehegatte verwaltet sein Vermögen selbstständig, § 1364 BGB.
Sofern die Ehe geschieden wird, kommt es zum Zugewinnausgleich. Um die Existenzgrundlage der Familie und den Zugewinnausgleich bei Scheidung der Ehe zu schützen (§ 1378 BGB), wird die freie Verfügung der Ehegatten über das Vermögen im Ganzen gem. § 1365 BGB begrenzt.
§ 1365 Abs. 1 BGB lautet:
Ein Ehegatte kann sich nur mit Einwilligung des anderen Ehegatten verpflichten, über sein Vermögen im Ganzen zu verfügen. Hat er sich ohne Zustimmung des anderen Ehegatten verpflichtet, so kann er die Verpflichtung nur erfüllen, wenn der andere Ehegatte einwilligt.
II. Schema: § 1365 Abs. 1 BGB
- I. Wirksame Ehe, §§ 1303 ff. BGB
- II. Zugewinngemeinschaft, § 1363 BGB
- III. Verfügung über das Vermögen im Ganzen, § 1365 Abs. 1 BGB
- P: Vermögen im Ganzen
- P: Kenntnis des Dritten
- P: Berücksichtigung der Gegenleistung
- P: Belastung als Verfügung
- IV. Rechtsfolge
- 1. Unwirksamkeit des Verpflichtungsgeschäfts, § 1365 I 1 BGB
- 2. Unwirksamkeit des Verfügungsgeschäfts § 1365 I 2 BGB
III. Vermögen im Ganzen
Zunächst ist fraglich, was genau unter „Vermögen im Ganzen“ zu verstehen ist und ob davon auch Einzelgegenstände erfasst sind, welche nahezu das gesamte Vermögen ausmachen.
Zum Verständnis: A und B sind verheiratet. B verschenkt ihr Grundstück an C, sie hat neben dem Grundstück lediglich noch ein Vermögen von 3000 €.
1. Gesamttheorie
Die Gesamttheorie bezieht die Verfügungsbeschränkungen des § 1365 BGB nur auf Rechtsgeschäfte, die sich auf das Vermögen „en bloc“ beziehen. Die Geschäfte müssen sich ausdrücklich auf das Vermögen im Ganzen beziehen. Als Argument wird der Wortlaut angeführt, denn in § 1365 Abs. 1 S. 1 BGB wird auf das „Vermögen im Ganzen“ abgestellt. In dem genannten Beispielsfall würde folglich nicht ein „Vermögen im Ganzen“ vorliegen, da B noch 3000 € hat.
2. Einzeltheorie
Eine Verfügung über das Vermögen im Ganzen liegt nach der Einzeltheorie auch dann vor, wenn nur über einen einzelnen Vermögensgegenstand verfügt werden soll, dieser aber wirtschaftlich den wesentlichen Teil des Vermögens ausmacht. Von einem wesentlichen Teil kann bei kleineren Vermögen ausgegangen werden, wenn nach der Verfügung weniger als 15 % des ursprünglichen Vermögens verbleiben.
Bei größeren Gesamtvermögen dürfen nicht weniger als 10 % des Vermögens verbleiben. Argumentiert wird mit dem Schutzzweck der Norm. Die Existenzgrundlage der Familie und die Zugewinnausgleichszahlung (§ 1378 BGB) werden auch bei Rechtsgeschäften über solche Vermögensgegenstände gefährdet. Zudem kommen Verträge über das „echte“ Vermögen im Ganzen bei natürlichen Personen praktisch nie vor.
Dieser Ansicht ist zu Folgen. Im Beispiel würde somit ein „Vermögen im Ganzen“ durch das Verschenken des Grundstücks vorliegen.
IV. Kenntnis des Dritten vom Umfang des Rechtsgeschäfts
Aufgrund der Ausdehnung, welche die Einzeltheorie vornimmt, könnte es vonnöten sein die Norm im Gegenzug wieder einzuschränken. Umstritten ist daher, ob der Erwerber Kenntnis vom Rechtsgeschäft über das Vermögen als Ganzes haben muss.
1. Objektive Theorie
Der objektiven Theorie zufolge ist keine Kenntnis des Erwerbers erforderlich. Ein subjektives Element ist im Gesetz nicht enthalten. Somit kommt es nach dieser Theorie allein auf die objektive Vermögenslage an.
2. Subjektive Theorie
Die subjektive Theorie fordert bei der Veräußerung von Einzelgegenständen die Kenntnis des Erwerbers vom Umfang des Rechtsgeschäfts. Die Ausweitung der Verfügungsbeschränkung durch die Einzeltheorie wird an dieser Stelle wieder eingeschränkt.
Hatte der Erwerber keine Kenntnis und kannte er auch nicht die Umstände vom Umfang des Rechtsgeschäfts, so steht § 1365 BGB der Verfügung nicht entgegen. Der Schutz der Familie muss hier hinter dem Schutz des Rechtsverkehrs zurücktreten.
V. Berücksichtigung der Gegenleistung
Des Weiteren ist fraglich, ob eine Gegenleistung berücksichtigt wird. Das könnte der Fall sein, da das eheliche Vermögen kompensiert scheint. Jedoch ist Geld flüchtig, zudem soll der Status quo geschützt werden. Außerdem handelt es sich bei der Gegenleistung rechtlich um ein anderes Rechtsgeschäft. Eine Gegenleistung ist für § 1365 Abs. 1 BGB mithin unbeachtlich.
VI. Belastung als Verfügung
Umstritten ist, ob auch die Belastung eines Grundstücks mit einem Grundpfandrecht eine Verfügung im Sinne des § 1365 BGB darstellt. Dies wird von der h.M. bejaht, sofern die Belastung den Verkehrswert des Grundstücks ausschöpft. Ansonsten bestünde die Möglichkeit einer Umgehung der Verfügungsbeschränkung. Die Gegenmeinung führt an, dass es bei einer Belastung mit einem Grundpfandrecht zu keinem Verlust der Vermögenssubstanz komme.
VII. Rechtsfolgen
Die Rechtsfolgen werden für Verpflichtungsgeschäfte in § 1366 BGB geregelt. So besteht die Möglichkeit des Ehegatten das Rechtsgeschäft zu genehmigen. Zu Verfügungsgeschäften kann der andere Ehegatte ebenfalls noch nachträglich zustimmen. Ansonsten ist der Verfügende Nichtberechtigter. Bei § 1365 Abs. 1 S. 2 BGB handelt es sich um ein absolutes Verfügungsgebot. Ein gutgläubiger Erwerb ist daher auch nicht möglich.
VIII. Fazit
Die Norm des § 1365 BGB ist eine typische Auswendiglernnorm. Ohne das nötige Wissen im Hinterkopf wird man in der Klausur kaum auf die verschiedenen Theorien kommen. Sie sollte daher regelmäßig wiederholt werden.