I. Allgemeines zu § 145d StGB
Der Zweck der Vorschrift ist, die inländischen Rechtspflege- und Präventivorgane davor zu bewahren, infolge Täuschungen Dritter durch unnötigen Einsatz von der Erfüllung ihrer wirklichen Aufgaben abgehalten zu werden.
Erfasst wird vom § 145d StGB nur eine Täuschungshandlung, die auf Fehlleiten des staatlichen Verfolgungsapparates oder Erwirken unnötiger Sicherheitsvorkehrungen gerichtet ist, nicht die ungerechtfertigte Inanspruchnahme des Vollstreckungsapparates.
Nicht strafbar ist, wer sich als angeblich Verurteilter zur Strafvollstreckung meldet.
II. Schema des § 145d StGB
Im Rahmen des Vortäuschens einer Straftat kann grundsätzlich zwischen vier Varianten unterschieden werden:
Der Täter kann sich sowohl durch ein Vortäuschen einer bereits begangenen rechtswidrigen Tat (§ 145d Abs. 1 Nr. 1 StGB) als auch durch ein Vortäuschen einer bevorstehenden rechtswidrigen Tat gemäß § 126 Abs. 1 StGB (§ 145d Abs. 1 Nr. 2 StGB) strafbar machen.
Daneben kann er hinsichtlich der Beteiligung an einer bereits begangenen rechtswidrigen Tat (§ 145d Abs. 2 Nr. 1 StGB) bzw. an einer bevorstehenden rechtswidrigen Tat gemäß § 126 Abs. 1 StGB (§ 145d Abs. 2 Nr. 2 StGB) täuschen.
Die folgenden Schemata vermitteln einen ersten Eindruck des Prüfungsaufbaus.
§ 145d Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 Nr. 1 StGB: Vortäuschen begangener Straftaten
I. Tatbestand
1. Objektiver Tatbestand
a) Abs. 1 Nr. 1: Vortäuschen der Begehung einer angeblich rechtswidrigen Tat
b) Abs. 2 Nr. 1: Täuschung über den Beteiligten an einer rechtswidrigen Tat
c) gegenüber einer Behörde oder einer zur Entgegennahme von Anzeigen zuständigen Stelle (§ 11 I Nr. 7 StGB, § 158 I StPO)
2. Subjektiver Tatbestand
a) Mindestens dolus eventualis bzgl. objektiver Tatbestandsmerkmale
b) Dolus directus 2. Grades bzgl. Unrichtigkeit der Behauptung (Wider Besseren Wissens)
II. Rechtswidrigkeit und Schuld
III. Subsidiarität, § 145d I StGB aE
§ 145d Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2 Nr. 2 StGB: Vortäuschen bevorstehender Straftaten
I. Tatbestand
1. Objektiver Tatbestand
a) Abs. 1 Nr. 2: Vortäuschen des Bevorstehens einer rechtswidrigen Tat gem. § 126 Abs. 1 StGB
b) Abs. 2 Nr. 2: Täuschung über den Beteiligten an einer bevorstehenden rechtswidrigen Tat gemäß § 126 Abs. 1 StGB
c) gegenüber einer Behörde oder einer zur Entgegennahme von Anzeigen zuständigen Stelle (§ 11 I Nr. 7 StGB, § 158 I StPO)
2. Subjektiver Tatbestand
a) Mindestens dolus eventualis bzgl. objektiver Tatbestandsmerkmale
b) Dolus directus 2. Grades bzgl. Unrichtigkeit der Behauptung (Wider Besseren Wissens)
II. Rechtswidrigkeit und Schuld
III. Subsidiarität, § 145d I StGB aE
Sinn und Zweck von § 145d Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 Nr. 1 StGB ist der Schutz der Rechtspflege vor einer unnötigen Inanspruchnahme. § 145d Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2 Nr. 2 StGB bezieht die Polizeibehörden als Präventivorgane in diesen Schutz ein.
III. Der objektive Tatbestand des § 145d StGB
§ 145d Abs. 1 Nr. 1 StGB: Vortäuschen angeblich begangen rechtswidrigen Tat
Definition: Vortäuschen meint das Erregen oder Verstärken eines Verdachts.
Das Vortäuschen kann zum einen durch ausdrückliche Behauptungen geschehen. Genauso sind aber auch die konkludente Behauptung von Tatsachen bzw. die Schaffung einer verdächtigen Beweislage oder andere irreführende Handlungen ausreichend.
Die Behauptung muss außerdem nicht unmittelbar gegenüber der Behörde erfolgen. Es genügt, wenn sie über andere Personen hiervon Kenntnis erlangt. Die Kenntniserlangung genügt im Übrigen auch für eine Vollendung der Tat. Das Einleiten von Ermittlungsmaßnahmen ist nicht erforderlich!
Definition: Behörde ist ein Stelle, die Aufgaben der öffentlichen Verwaltung wahrnimmt, auch Gerichte § 11 Abs. 1 Nr. 7 StGB.
Zur Entgegennahme von Anzeigen zuständigen Stellen sind z.B. Staatsanwaltschaft und Polizei gemeint. Hinzukommend fällt auch der einzelne Beamte hierunter. Andere zuständige Stellen, bei denen eine Anzeige aufgegeben werden kann, sind etwa militärische Dienststellen.
Daneben muss hinsichtlich des Vorliegens einer rechtswidrigen Tat getäuscht werden. Die Tat darf in Wahrheit nicht verübt worden sein. Das Ausschmücken der Schilderung einer tatsächlich begangenen Tat („aufbauschen“) ist nicht vom Tatbestand erfasst, sofern die Behörden infolgedessen keinen erheblich größeren Aufwand bei ihren Ermittlungen betreiben. Häufig ist dies zu diskutieren, wenn aus einem Vergehen ein angebliches Verbrechen wird.
§ 145d Abs. 2 Nr. 1 StGB: Täuschen über Beteiligten einer wirklich begangenen rechtswidrigen Tat
Eine Täuschung über den an einer rechtswidrigen Tat Beteiligten liegt vor, wenn der Verdacht auf einen Unbeteiligten gelenkt wird. Hinsichtlich der Täuschungshandlung gelten die oben stehenden Ausführungen zum Merkmal des Vortäuschens.
Für die Täuschung genügt es indessen nicht, wenn der Täter auf einen völlig Unbekannten verweist. Demgegenüber soll es aber ausreichen, wenn zu einer unbekannten Person konkrete Angaben gemacht werden, die die Ermittlungen in eine bestimmte Richtung lenken. Nach herrschender Auffassung muss die rechtswidrige Tat auch in Wahrheit verübt worden sein.
§ 145d Abs. 1 Nr. 2 StGB: Vortäuschen des Bevorstehens einer in § 126 Abs. 1 StGB genannten Tat
Bei dieser Variante muss der Täter das Bevorstehen einer rechtswidrigen Tat gemäß § 126 Abs. 1 StGB vortäuschen. Hier sind unter anderem Mord, die schwere Körperverletzung sowie der Raub und die räuberische Erpressung genannt. Auch hier stellt sich die Frage, was geschieht, wenn der Täter die Beschreibung einer tatsächlich bevorstehenden Tat so stark übertreibt, dass er eine solche gemäß § 126 Abs. 1 StGB behauptet.
Aufgrund der Tatsache, dass es um das Verhindern eines unnötigen Tätigwerdens der Behörden geht, ist es zweckmäßig, eine Strafbarkeit nur zu bejahen, wenn der Täter eine Tat ausschmückt, die ohne sein Hinzudichten nicht zu einem Einschreiten der Behörden führen würde.
§ 145d Abs. 2 Nr. 2 StGB: Täuschen über die Beteiligten einer bevorstehenden, in § 126 Abs. 1 StGB genannten Tat
Hinsichtlich dieser Tatvariante gilt das zu § 145d Abs. 1 Nr. 2 und Abs. 2 Nr. 1 StGB gesagte.
IV. Der subjektive Tatbestand
Subjektiv muss der Täter mit dolus directus 2. Grades (sicherem Wissen) im Hinblick auf das Nichtvorliegen bzw. -bevorstehen einer rechtswidrigen Tat sowie die Unwahrheit seiner Angaben zu dem Beteiligten handeln. Darüber hinaus genügt dolus eventualis.
V. § 145d Abs. 3 StGB
Ferner enthält der Absatz 3 unter anderem eine Regelung für den Fall, dass eine Tat nach § 145d Abs. 1 oder 2 StGB das Erschleichen einer Milderung zum Ziel hat. Der Täter wird in dieser Situation mit einer Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren bestraft.
VI. Subsidiaritätsklausel
Gemäß § 145d Abs. 1 StGB ist das Vortäuschen einer Straftat formell subsidiär gegenüber der falschen Verdächtigung gemäß § 164 StGB der Strafvereitelung nach § 258 StGB und der Strafvereitelung im Amt gemäß § 258 a StGB.
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Quellen
- Joecks, Wolfgang: Studienkommentar, 11. Aufl., München 2014.
- Kindhäuser, Urs: Strafrecht Besonderer Teil I, 6. Aufl., Baden-Baden 2014.
- Wessels, Johannes/Hettinger, Michael: Strafrecht Besonderer Teil I, 38. Aufl., Heidelberg [u.a.] 2014.