Die §§ 273, 320 BGB stellen Leistungsverweigerungsrechte dar. § 273 BGB normiert ein Zurückbehaltungsrecht, § 320 BGB als Sonderform dessen die Einrede des nicht erfüllten Vertrages.
Weitere Leistungsverweigerungsrechte, die im Wege der Einrede geltend gemacht werden müssen, ergeben sich etwa aus § 214 Abs. 1 BGB wegen Verjährung oder unverhältnismäßigem Aufwand oder Unzumutbarkeit für den Schuldner aus § 275 Abs. 2, 3 BGB.
I. Das Zurückbehaltungsrecht nach § 273 BGB
Abs. 1 des § 273 BGB lautet:
Hat der Schuldner aus demselben rechtlichen Verhältnis, auf dem seine Verpflichtung beruht, einen fälligen Anspruch gegen den Gläubiger, so kann er, sofern nicht aus dem Schuldverhältnis sich ein anderes ergibt, die geschuldete Leistung verweigern, bis die ihm gebührende Leistung bewirkt wird (Zurückbehaltungsrecht).
Dieses Zurückbehaltungsrecht ergibt sich aus dem Grundsatz von Treu und Glauben des § 242 BGB. Es ist insbesondere anzuwenden, wenn eine Aufrechnung gem. §§ 387 ff. BGB mangels Gleichartigkeit der Forderungen nicht in Betracht kommt.
Es handelt es sich um eine dilatorische Einrede, die der Schuldner als Gestaltungsrecht geltend machen muss.
Definition: Dilatorische Einreden sind vorübergehend rechtshemmende Einreden. Das Gegenteil davon sind peremptorische Einreden. Diese hemmen die Durchsetzbarkeit des Anspruchs dauerhaft.
Zur erfolgreichen Geltendmachung dieser Einrede müssen folgende Voraussetzungen vorliegen:
1. Gegenseitigkeit
Es muss ein Gegenseitigkeitsverhältnis vorliegen. D.h. beide Personen müssen einen Anspruch gegen den jeweils anderen haben. Dabei ist es unerheblich, ob dieser aus Gesetz oder Vertrag stammt und ob er dinglicher oder schuldrechtlicher Natur ist.
2. Fälligkeit
Der Anspruch muss zudem fällig und einredefrei sein.
Gem. § 215 BGB kann das Zurückbehaltungsrecht sogar noch nach Verjährung geltend gemacht werden, wenn das Zurückbehaltungsrecht in dem Zeitpunkt der ersten möglichen Geltendmachung noch nicht verjährt war.
3. Konnexität
Beide Ansprüche müssen auf demselben rechtlichen Verhältnis beruhen. Dazu genügt ein einheitliches Lebensverhältnis, also ein natürlicher und wirtschaftlicher Zusammenhang. Dieser Zusammenhang wird auch als Konnexität bezeichnet. Ein synallagmatisches Verhältnis der Ansprüche ist hingegen keine Wirksamkeitsvoraussetzung.
Gem. § 273 Abs. 2 BGB liegt Konnexität vor, wenn dem Schuldner, welcher die Herausgabe schuldet, wegen Verwendungen auf den Gegenstand oder wegen eines ihm durch diesen verursachten Schadens ein Anspruch zusteht. Dies gilt nicht, wenn er den Gegenstand durch eine vorsätzlich begangene unerlaubte Handlung erlangt hat.
4. Kein Ausschluss
Das Zurückbehaltungsrecht kann sowohl vertraglich, als auch gesetzlich ausgeschlossen sein.
Als gesetzliche Ausschlussnorm ist etwa § 175 BGB zu nennen, wonach es kein Zurückbehaltungsrecht gegen den Anspruch auf Herausgabe einer Vollmachtsurkunde gibt.
Vertraglich kann das Zurückbehaltungsrecht zwar ausgeschlossen werden. Dies funktioniert allerdings nicht über die Verwendung von AGB (s. § 309 Nr. 2b BGB).
Auch kann die Geltendmachung des Zurückbehaltungsrechts gegen Treu und Glauben gem. § 242 BGB verstoßen, etwa wenn der Schuldner bereits ausreichend gesichert ist.
Gem. § 273 Abs. 3 BGB kann das Zurückbehaltungsrecht zudem durch Sicherheitsleistung abgewendet werden.
5. Rechtsfolgen
Dass es sich bei dem Zurückbehaltungsrecht um eine Einrede mit aufschiebender Wirkung handelt, wurde bereits erwähnt. Daher muss sie vom Schuldner geltend gemacht werden. Es folgt gem. § 274 Abs. 1 BGB eine Verurteilung auf Leistung Zug um Zug.
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II. Die Einrede des nicht erfüllten Vertrages gem. § 320 BGB
Oft fällt es Studierenden schwer, zwischen dem Zurückbehaltungsrecht des § 273 BGB und der Einrede des nicht erfüllten Vertrages gem. § 320 BGB zu unterscheiden. Worin sie die beiden Normen unterscheiden, wird noch erklärt.
Abs. 1 des § 320 BGB lautet:
Wer aus einem gegenseitigen Vertrag verpflichtet ist, kann die ihm obliegende Leistung bis zur Bewirkung der Gegenleistung verweigern, es sei denn, dass er vorzuleisten verpflichtet ist. Hat die Leistung an mehrere zu erfolgen, so kann dem einzelnen der ihm gebührende Teil bis zur Bewirkung der ganzen Gegenleistung verweigert werden. Die Vorschrift des § 273 Abs. 3 findet keine Anwendung.
Die Einrede des nicht erfüllten Vertrages gem. §§ 320 ff. BGB stellt eine Sonderform des Zurückbehaltungsrechtes dar und ist somit vorrangig zu prüfen. Der wichtigste Unterschied zu § 273 BGB ist der, dass der Schuldner gem. § 320 Abs. 1 S. 3 BGB die Geltendmachung der Einrede nicht durch Sicherheitsleistung abwenden kann.
Zur Wirksamkeit der Einrede aus § 320 BGB sind folgende Voraussetzungen zu prüfen:
1. Gegenseitiger Vertrag (Synallagma)
Beide Forderungen müssen in einem Gegenseitigkeitsverhältnis stehen. Dies erfordert eine synallagmatische Verknüpfung von Forderung und Gegenforderung. Das bedeutet i.d.R., dass die Leistung des Einen das Entgelt für die Gegenleistung des anderen darstellt. So sind dies etwa beim Kaufvertrag nach § 433 BGB die Kaufpreiszahlung auf der einen und die Übereignung und Übergabe der Kaufsache auf der anderen Seite.
Liegt ein solches Gegenseitigkeitsverhältnis nicht vor, ist jedoch an § 273 BGB zu denken. Hier wird der Unterschied zwischen § 320 BGB und § 273 BGB noch einmal deutlich. Bei § 320 BGB handelt es sich um den Spezialfall.
2. Durchsetzbarkeit der Gegenforderung
Die Gegenforderung muss fällig und einredefrei sein. Auch hier gilt die Ausnahmeregel des § 215 BGB.
3. Kein Ausschluss
Die Einrede des nicht erfüllten Vertrages gem. § 320 BGB darf zudem nicht ausgeschlossen sein.
So ist etwa bei einer Vorleistungspflicht des Schuldners dessen Einrede des nichterfüllten Vertrags ausgeschlossen. Eine solche Vorleistungspflicht findet sich etwa in den §§ 579, 614, 641 Abs. 1 BGB. Auch eine vertragliche Vereinbarung ist möglich. Für die Fälle, in denen später ersichtlich wird, dass der andere nur mangelnde Leistungsfähigkeit aufweist, kommt eine Unsicherheitseinrede in Betracht, um den Vorleistungsverpflichteten nicht vollkommen schutzlos zu lassen.
Auch kann die Geltendmachung der Einrede gegen den Grundsatz von Treu und Glauben verstoßen. So ist dies nach § 320 Abs. 2 BGB etwa indiziert bei Nichterfüllungsbereitschaft des Schuldners, der die Einrede geltend macht und bei endgültiger Ablehnung der Leistung.
4. Rechtsfolgen
Bei § 320 BGB handelt es sich zwar ebenso wie bei § 273 BGB um eine dilatorische Einrede, allerdings schließt sie den Eintritt des Schuldnerverzuges (§ 286 BGB) schon ab Vorliegen ihrer tatbestandlichen Voraussetzungen automatisch aus. Die Einrede des § 273 BGB muss hingegen (spätestens) im Prozess geltend gemacht werden und schließt den Schuldnerverzug auch nur ex nunc ab Erheben der Einrede aus.
Auch hier folgt als Rechtsfolge gem. § 322 BGB die Verurteilung zur Leistung Zug um Zug. Im Ergebnis führen beide Einreden somit zur selben Rechtsfolge.
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Quellen
- Brox/Walker: Allgemeines Schuldrecht, 38. Aufl. 2014, § 13.
- Kropholler, Studienkommentar BGB, 14. Auflage 2013, §§ 273 f., 320.
- Bamberger/Roth, Beck Online-Kommentar BGB Stand: 01.11.2014, Edition: 33, §§ 273 f., 320.