Viele Hirntrainingsprogramme steigern die Gedächtnisleistung nicht
Für das Gedächtnis sind neuronale Netzwerke im Gehirn zuständig. Sie werden mit zunehmendem Alter marode. Mit regelmäßigem Training lässt sich dem nicht nur entgegenwirken, das Gedächtnis kann auch nachweislich verbessert werden. Lutz Jäncke, Leiter des Lehrstuhls für Neuropsychologie an der Uni Zürich: „Studien zeigen, dass man mit Übungen seine Hirnleistung wirklich verbessern kann.“
Viele vermeintliche Hirntrainingsprogramme sind allerdings Humbug. Wissenschaftliche Studien in den Vereinigten Staaten und Malaysia schickten Probanden an computergestützte Gedächtnistrainer. Die Ergebnisse zeigten allerdings, dass sich Intelligenz und andere Hirnleistungen nicht steigerten.
Auch Hans Georg Nehen, Vorsitzender des Bundesverbands Gedächtnistraining, rät von vermeintlich einfachen Trainingsmethoden wie Kreuzworträtseln ab. Stattdessen setzt er auf Bewegung und einfache Übungen. Vor dem geistigen Auge Aufgaben Revue passieren zu lassen kann schon helfen: „Schon eine geringe Trainingsdauer ist effizient“.
Als Faustregel für Gedächtnisübungen gilt, dass sie möglichst viele Sinne ansprechen sollten, damit sich Assoziationen und Bilder im Kopf festigen.
Übung 1: Sprechen Sie die Informationen laut aus
Das Aussprechen von wichtige Daten und Informationen trägt deutlich zum besseren Merken bei. Essenziell ist dabei, auf unnötige Füllwörter zu verzichten, um das Gedächtnis nicht mit wertlosen Füllwörtern zu belasten. Beim lauten Sprechen wird ein weiterer Sinn aktiviert, nämlich das Gehör. Die Merkfähigkeit wird durch die zusätzliche Impression verstärkt. Vielleicht haben Sie dies schon einmal unwillkürlich benutzt – zum Beispiel wenn Sie sich Telefonnummern merken wollen.
Wer empfindlich ist und nicht möchte, dass Kollegen sich über diese Technik mokieren, kann Sie selbstverständlich hinter verschlossener Tür nachholen.
Übung 2: Notieren Sie sich die Informationen
Wenn Sie etwas aufschreiben, übersetzt das Gehirn die Information direkt in Bilder. Diese Bilder lassen sich einfacher in neuronalen Netzen speichern als abstrakte Aussagen. Es gilt jedoch auch hier: Verzichten Sie auf alles nicht unbedingt notwendige, um Ihrer Gedächtniskraft die Arbeit zu erleichtern.
Schreiben Sie dementsprechend nur die zentralen Begriffe nieder – Ihr Gehirn wird Sie eigenständig wieder zusammenführen. Beim Schreiben prägen sich Sachverhalte effektiver ins Gedächtnis ein, als wenn Sie nur versuchen, sich herkömmlich daran zu erinnern. Hier spielt abermals eine zusätzliche Sinneswahrnehmung eine Rolle: Der taktile Sinn, der beim Führen des Stifts ins Spiel kommt.
Hier braucht niemand den Schalk der Kollegen fürchten: Wer Informationen niederschreibt, wirkt meist seriöser und zuverlässiger, als ein einfacher Zuhörer. Diese Technik wird auch gern von Polizeikräften weltweit bei Vernehmungen eingesetzt.
Übung 3: Bilden Sie Eselsbrücken
Bei Eselsbrücken oder Assoziationen kommen erneut Bilder ins Spiel, die besser vom Gedächtnis verarbeitet werden können. Selbst sehr komplexe Informationen lassen sich leicht merken, wenn diese Bilder mit Hilfe einer Geschichte verwoben werden. Dies lässt sich auf Nummern, Daten, Namen von Personen oder viele weitere Felder anwenden.
Ob sich die Geschichte reimen soll, ein Lied ergibt oder einfach nur sehr außergewöhnlich ist, bleibt Ihrem Geschmack überlassen. Fest steht: Je origineller, desto einfacher zu merken!
Diese Merkverse oder „memonic devices“ haben längst Einzug in seriöse wissenschaftliche Kreise gehalten. So hat die renommierte Harvard University ein Video veröffentlicht, welches die Professoren Bol und Kirby beim Singen des französischen Kinderliedes „Frère Jacques“ zeigt – nur dass es sich nicht um einen faulen Mönch handelt, sondern sämtliche chinesische Dynastien chronologisch korrekt aufzählt.
Übung 4: Verknüpfen Sie Orte und Informationen mit der Loci-Methode
Die Loci-Technik (aus dem Lateinischen: locus, „Ort“) ist eine Technik, die einige der schon benannten Verfahren kombiniert. Sie ist sehr leicht zu erlernen und umzusetzen, und nutzt die natürliche Kombinationskraft des Gehirns voll aus. Variable Informationen werden mit fixen Orten, Loci, verknüpft. Zum Abrufen der Information „gehen“ Sie geistig zum Ort zurück, um sich zu erinnern.
Besonders gut können Sie dies zum Beispiel anhand eines Spaziergang in Ihr Gedächtnis einprägen. Sie können nach der Mittagspause eine kurze Promenade in der Nähe Ihres Arbeitsplatzes unternehmen. An bestimmte Orte knüpfen Sie nacheinander die Informationen, die Sie benötigen – am besten nur jeweils eine pro Halt.
Wenn Sie sich später wieder erinnern möchten, laufen Sie im Kopf den Weg ab: Es wird Ihnen viel einfacher fallen, alles Wichtige parat zu haben. Mit der Loci-Methode werden viele Elemente wie Bilder, Assoziation, Bewegung und Sinneswahrnehmungen erfolgreich miteinander verbunden.
Mythos: Zucker macht das Gehirn aufnahmefähiger
Abschließend sei noch der beliebte Irrglaube erwähnt, dass Zucker das Gehirn besonders aufnahmefähig mache. In der Tat liefert Zucker zwar Energie, die vom Denkorgan gefordert wird. Doch Studien belegen, dass Zucker meist mehr Schaden anrichtet, weil er überdosiert zugeführt wird (vor allem durch die wohlschmeckende „Nervennahrung“), und so der Erinnerung nicht zugute kommt.
Viel wichtiger, sind sich die Wissenschaftler einig, ist eine ausreichende Menge Wasser, mindestens ein Liter pro Tag, besser sogar zwei. Belassen Sie es also nicht beim Espresso nach dem Essen, sondern sorgen Sie auch für eine hinlängliche Flüssigkeitszufuhr. Ihr Gehirn wird es Ihnen danken!
Die hier aufgeführten Methoden und Leitfäden erfordern keine lange Einarbeitung, Sie können Sie schon morgen einsetzen und erproben. Ihre Gedächtnisleistung wird messbar zunehmen – davon profitieren Sie nicht nur lang-, sondern auch schon kurzfristig! Die Zeiten der kleinen Schusseligkeiten werden der Vergangenheit angehören, und Sie können sich ganz neuen Aufgaben und Zielen widmen – ohne die Angst, wieder etwas vergessen zu haben.