Herr XY kam meist zu spät zur Arbeit, war absolut beratungsresistent und wurde von seinen Kollegen nicht gemocht.
Vielleicht mag diese Beschreibung eines x-beliebigen Mitarbeiters ehrlich sein, aber sie ist im deutschen Recht nicht erlaubt. Im Arbeitsgerichtsjargon heißt es, dass das Zeugnis „vom verständigen Wohlwollen für den Arbeitnehmer getragen sein“ muss.
Dieses Anliegen hat nicht zuletzt dazu beigetragen, dass es heute Formulierungshandbücher und sogar Tools gibt, die den Zeugnisschreibern sagen, wie sie eine minderwertige oder erstklassige Arbeit perfekt umschreiben können.
Eingegeben wird vom Arbeitgeber z. B. „Sorgfalt = mangelhaft“ und der Formulierungshelfer schlägt vor, folgenden Satz ins Zeugnis einzusetzen: „Er erledigte die ihm übertragenen Aufgaben im Allgemeinen sorgfältig und genau.“ Aufgrund des eklatanten Unterschieds zwischen Gemeintem und Geschriebenem entschlüsseln wir an dieser Stelle die Formulierungscodes der Arbeitgeber.
So sieht die Benotung nach Ziffern aus
Jeder kennt aus der Schulzeit den Zahlenraum von 1 bis 6, der die Stimmung der Eltern entweder überschwänglich, heiter oder tief betrübt werden ließ. Zahlreiche Erziehungsberechtigte haben bei schlechteren Noten zunächst das Gespräch mit Lehrern und Kind gesucht, um Lösungen für die mangelnden Leistungen zu eruieren.
So einfach ist es in der Arbeitswelt nicht, denn so mancher Zeugnisstreit wurde schon vor dem Arbeitsgericht ausgefochten. Doch welche Note steckt nun hinter den verschiedenen Formulierungen? Exemplarisch wird hier die Beurteilung über die Arbeitsleistung eines Arbeitnehmers in allen Notenstufen dargestellt:
Die Note 1 vergibt ein Arbeitgeber beispielsweise mit dieser Formulierung: „Er hat unsere Erwartungen immer und in allerbester Weise erfüllt.“
Die Note 2 wird mit einer leicht abgewandelten Formulierung erteilt: „Er hat unseren Erwartungen in jeder Hinsicht und bester Weise entsprochen.“
Für die Note 3 heißt es übersetzt: „Er hat unseren Erwartungen in jeder Hinsicht und Weise entsprochen.“
Die Note 4 wird mit dieser Formulierung vergeben: „Er hat unseren Erwartungen entsprochen.“
Für die Note 5 steht der folgende Satz: „Er hat unsere Erwartungen größtenteils erfüllt.“
Die Note 6 versteckt sich hinter folgender Formulierung: „Er setzte sich im Rahmen seiner Möglichkeiten ein.“
Beim direkten Vergleich der Formulierungen zeigt sich, wie eng die Nuancen zwischen den Ziffernbenotungen liegen. Negativ kann sich allerdings auch auswirken, wenn etwas fehlt. So bedeutet die Formulierung „Er war pünktlich und fleißig.“ nichts Gutes, denn die Begriffe ehrlich, pünktlich und fleißig gehören im Zeugnis immer zusammen. In der Übersetzung heißt dies, dass der Mitarbeiter nicht aufrichtig war.
Das Zeugnis muss vollständig sein
Grundsätzlich gilt, dass sich Arbeitgeber die Mühe machen müssen, die eben erwähnten Schulnoten in entsprechende Formulierungen umzuwandeln. Fehlen diese, ist das ein Negativkriterium. Darüber hinaus gilt es als unschöne Konnotation, wenn die Beschreibung der Fähigkeiten nicht zum Berufsbild passt. Wird einer Sekretärin keine Diskretion bescheinigt, wirft das kein gutes Licht auf die Mitarbeiterin.
Analysefähigkeiten müssen in Zeugnissen von IT- oder Kundendienstmitarbeitern genauso erwähnt werden, wie die zuverlässige Einhaltung der Sicherheitsbestimmungen in produzierenden Unternehmen und in Zeugnissen von z. B. Maschinenführern.
Führungskräften sollten ihre Qualifikationen selbstverständlich auch bescheinigt werden. Allerdings gilt auch hier, die richtige Färbung in die Formulierung zu bringen.
Wenn ein leitender Angestellter von seinen Mitarbeitern als „angenehm und umgänglich“ eingeschätzt wird, heißt dies in der Übersetzung, dass unklar war, wer die Führungskraft und wer der Mitarbeiter war.Stellt man hingegen die Kompetenzen zu übertrieben als sehr produktive und effektive Arbeitsweise dar, wirkt das schnell ironisch.
Das Sozialverhalten ist ein weiterer Punkt, der im Zeugnis erwähnt werden muss. Ein Fehlen wirft ein schlechtes Licht auf den Arbeitnehmer. Die Wahrheitspflicht sollte gewahrt und Übertreibungen vermieden werden, weil sie irritierend wirken. „Insbesondere von den Mitarbeitern war er in herausragender Weise geschätzt worden.“ klingt nur vermeintlich positiv, denn dieser Satz bedeutet, dass der Mitarbeiter von Vorgesetzten, Kollegen und Kunden eben nicht anerkannt war.
Auch die Form und Sprache müssen stimmen
Zu guter Letzt sei noch ein Wort zum äußeren Erscheinungsbild erwähnt: Das Zeugnis muss auf dem offiziellen Firmenbriefpapier gedruckt werden und frei von Schmutz und etwaigen Knicken sein.
Die Personalien sowie die Dauer der Tätigkeit und die genaue Berufsbezeichnung gehören ebenfalls ins Arbeitszeugnis. Es gibt keinerlei Hervorhebungen wie Unterstreichungen und Ausrufezeichen in Zeugnissen.
Wichtig ist, dass im Zeugnis nur wichtige Punkte erwähnt werden. Wenn die beruflich bedingten und selbstverständlichen Fähigkeiten hochstilisiert werden, ist Misstrauen angesagt. Für den Personalreferenten bedeutet dies: Dieser Bewerber kann genau das, was er irgendwann einmal gelernt hat, aber mehr auch nicht.Auf die Einhaltung der Reihenfolge der Beurteilungspunkte muss Wert gelegt werden.
Die Leistung des Arbeitnehmers muss vor seinem Verhalten genannt werden. Darüber hinaus liegt beim Arbeitszeugnis nicht in der Kürze die Würze, denn zu knapp geratene Zeugnisse erwecken den Anschein, etwas verbergen zu wollen.