Osborns Methode soll zur Anregung des kreativen Denkens in Gruppen beitragen. Die Grundzüge sind einfach: Alle Teilnehmenden äußern spontan ihre Ideen zu einer Fragestellung. Kritik und Diskussionen unterbleiben zunächst. Im Anschluss kann aus der unzensierten Gedankensammlung der Ausgangspunkt für eine Lösung des Problems herausgearbeitet werden.
Theorie und Praxis
Wer Brainstorming einsetzt, erhofft sich davon, dass sich im Endergebnis mehr brauchbare Vorschläge ergeben, als wenn jeder Teilnehmende für sich allein nachdenken würde. Es kommt in der Werbung, bei der Produktentwicklung und Konstruktion, aber auch beim Einstieg in ein Problem sowie bei der grundsätzlichen Ideenfindung zum Einsatz.
Durch ihre Beiträge regen sich die Kollegen zu neuen Ideen an, so die Theorie. Dass das aber nicht immer stimmen muss, zeigen Studien zum Thema. 2005 schrieb „Bild der Wissenschaft“ in der ersten Jahresausgabe, dass sich in rund 50 Studien nachweislich gezeigt habe, dass durch diese Art der Zusammenarbeit in einer Gruppe keine besseren Ergebnisse erzielt werden konnten als bei den Einzelkämpfern.
Die Vorbedingungen müssen stimmen
Eine mögliche Erklärung für das schlechte Abschneiden der populären Kreativtechnik ist, dass die grundlegenden Bedingungen nicht zur Methode des Brainstorming passten. Im Folgenden stellen wir Ihnen deshalb die fünf häufigsten Störquellen vor, die Brainstormings negativ beeinflussen können und zeigen mögliche Lösungsoptionen auf.
1. Teammitglieder blockieren gegenseitig den Ideenfluss
Im Fall der Studien von 2005 zeigte sich, dass sich die Kandidaten gegenseitig blockierten, weil das Warten auf das Ende eines anderen Redebeitrags die Kreativität aller Teilnehmenden hemmte (sog. Produktionsblockierung).
Wie lässt sich dieses Problem umgehen? Man kombiniert das Brainstorming mit einer Phase des stillen Notizenmachens im Vorfeld. Alternativ kann die Gruppe auch zum Brainwriting greifen, in dem parallel Ideen notiert werden, statt sie sprachlich beizutragen. Als weitere Option bietet sich an, das Brainstorming virtuell oder mediengestützt durchzuführen.
2. Die Problemstellung ist unscharf
Ein weiterer Fallstrick: Die Definition der Frage ist nicht eindeutig genug. Wenn die einzelnen Mitglieder der Arbeitsgruppe nicht auf das gleiche Ziel hinarbeiten, weil es hier Doppeldeutigkeiten oder Missverständnisse gibt, kann das Brainstorming nicht funktionieren.
Es bietet sich daher an, vor Beginn der Arbeitsphase durch einen Moderator oder Sitzungsleiter eindeutige Fakten zu schaffen. Zeigt sich, dass die Problemstellung zu komplex ist, kann eine Untergliederung in Teilaspekte hilfreich sein. Idealerweise erledigt das der Verantwortliche bereits bevor er vor die Gruppe tritt.
3. Die Gruppe ist kein geeignetes Team
Die Ergebnisse eines Brainstormings hängen sehr wesentlich von den beteiligten Akteuren ab. Sind zurückhaltende, schüchterne Geister dabei, ist es wesentlich, sie zu unterstützen, damit sie sich mit ihren Gedanken auch zu einem Beitrag aufraffen. Das kann durch Nachfragen und positive Bestärkung durch einen Teamleiter geschehen, aber auch durch die übrigen Teilnehmenden.
Die Gruppe sollte eine angemessene Größe haben. In aller Regel bietet es sich an, mit drei bis sieben Personen zu arbeiten. In größeren Gruppen fühlen sich die einzelnen Mitglieder nicht mehr so gefragt und die Menge der Resultate wird möglicherweise unüberschaubar. Außerdem wird es nach dem gemeinsamen stormen schwieriger, einen Konsens zu finden.
Ist das Team zu homogen – sind beispielsweise alle Teilnehmenden schon lange in der Firma und etwa gleichen Alters und Geschlechts, haben sie ähnliche Ansichten und Herangehensweisen – werden sich weniger vielfältige Vorschläge entwickeln können. Vielfältige Interessen, eine breite Allgemeinbildung und die Vertrautheit mit dem Gegenstand sind hingegen von Vorteil.
Laden Sie Kollegen unterschiedlicher Abteilungen und Hierarchieebenen ein, können diese voneinander lernen und Vorbehalte abbauen – sich aber auch gegenseitig blockieren. Es bietet sich an, die Teams aus unterschiedlichen Menschen zu bilden und gegebenenfalls auch Außenstehende einzubeziehen – allerdings ist eine geübte, vertraute Gruppe oft gut in der Lage, schnell zu guten Ergebnissen zu kommen. Je nach Zielsetzung sind hier Vor- und Nachteile abzuwägen.
4. Äußere Störfaktoren unterminieren den Prozess
Simpel, aber wichtig: Können alle Beteiligten gut sehen, was passiert? Die Darstellung der wachsenden Ideensammlung über Flipchart, Pinnwand oder Beamer ist essenziell, um die gegenseitige Anregung durch die Vorschläge anderer Teammitglieder zu fördern.
Gerne übersehen wird auch, dass Brainstorming möglicherweise nicht zur Unternehmenskultur oder dem Verhältnis der Beteiligten zueinanderpasst. Sich frei zu äußern, auch auf den ersten Blick „blöde“ Vorschläge beizutragen, gelingt nur in einer Atmosphäre der gegenseitigen Wertschätzung und des Vertrauens. Außerdem muss deutlich sein, dass die Ideen tatsächlich gebraucht werden.
Auch die augenblicklichen Ausgangsbedingungen der beteiligten Individuen spielt eine Rolle. Haben alle ausreichend Zeit? Können sie sich konzentrieren, oder schwirren ihnen andere Dinge durch den Kopf? Gibt es schwelende Konflikte oder ist die Stimmung im Büro gerade insgesamt angespannt?
Hier kann ein Ortswechsel helfen. Streitigkeiten und getrübte Verhältnisse müssen vorher geklärt werden – zur Not besetzen sie das Team mit anderen Kollegen. Zur Einstimmung kann dem Brainstorming auch eine Phase des Ankommens vorgeschaltet werden. Ob das ein lockeres Gespräch bei einer Tasse Kaffee oder eine Spielrunde Stadt-Land-Fluss ist, ist eine Abwägung wert.
5. Die Gruppe kommt nicht in die Gänge
Wie die meisten kooperativen Arbeitsformen bedarf auch das Brainstorming einer Person, die die Leitung übernimmt. Vielredner müssen beschränkt, Schüchterne ermuntert werden. Als Moderator achtet dieser verantwortliche Teilnehmende außerdem besonders darauf, dass die Regeln klar sind und eingehalten werden:
- Es wird keine Kritik geäußert.
- Masse anstelle von Klasse ist das Ziel.
- Alle Ideen dürfen von allen weitergesponnen werden.
- Abschweifen, Fantasieren und Assoziieren sind erwünscht.
Er oder sie achtet auch auf das Zeitmanagement: Länger als 30 Minuten am Stück zu stormen, hat sich als wenig sinnvoll erwiesen. Manche Menschen arbeiten besser oder fokussierter unter Druck – vielleicht setzt der Leitende für die Gruppe zu Beginn einen Timer?
Alternativ kann der Moderator in einer festgefahrenen Runde auch eine Pause verordnen und die Kollegen für ein paar Minuten nach draußen schicken. Im Anschluss wird noch einmal gebrainstormt. Oder: Teilen Sie größere Gruppen in zwei Teams auf, die konkurrieren. Wer hat am Ende die meisten Vorschläge in der vorgegebenen Zeit gesammelt?
Wenn gar nichts mehr geht: Schreiben Sie alle Buchstaben des Alphabets untereinander und machen Sie der Gruppe zur Auflage, zu jedem Buchstaben mindestens einen Begriff zu finden. Oder: Vertagen Sie sich.
Erfolgreich aufgrund seiner Einfachheit und Wirksamkeit
Wenn die Rahmenbedingungen stimmen und Brainstorming als Methode kultiviert wird, gelingt es gut, mit vergleichsweise unkomplizierter Vorbereitung und geringem Aufwand das kreative Potenzial der Mitarbeitenden anzuzapfen.
Brainstorming liefert im besten Fall viele Ideen in kurzer Zeit und sorgt für gegenseitige Anregung der Beteiligten. So kann Denken in immer neuen Bahnen verlaufen und zur Innovationskraft eines Unternehmens beitragen.
Im Anschluss an ein Brainstorming ist es wesentlich, die Ideen zu sortieren und zu prüfen. Auch wenn am Ende ein oder mehrere „Sieger“ aus der Sammlung hervorgehen werden – widerstehen Sie der Versuchung, die Idee oder den Ideengeber gesondert zu loben. Würdigen Sie besser den Prozess und die Bereitschaft jedes Einzelnen, sich einzubringen. Das Ergebnis ist immer ein Teamerfolg!
Quellen
Brainstorming via zettworks!
Brainstorming: Regeln, Methoden, Tipps via karrierebibel
Brainstorming via Atelier für Ideen
Wilke, H. & Wit, A. (2002): Gruppenleistung. In: W. Stroebe & K. J. Jonas & M. Hewstone (Hrsg.), Sozialpsychologie: Eine Einführung (4 Aufl., S. 500-505).