Die jährliche Zahl der Krankheitstage je Beschäftigten ist im Jahr 2022 auf 15 gestiegen, verglichen mit 11,2 Tagen 2021 und 9,3 Tagen noch 2012. Der Krankenstand aller Erwerbstätigen in Deutschland betrug im Jahr 2022 5,62 % und liegt damit 54% über dem Stand von 2012. Seit Beginn der Coronapandemie blieb der Stand eigentlich konstant, schnellte 2022 dann aber überraschend weiter in die Höhe. Für ein 300-Mann-Unternehmen mit durchschnittlich 50.000 € Jahresgehalt je Mitarbeiter*in und einer Fehlzeitenquote von 5,62 Prozent, bedeutet diese Kosten von 843.000 € (= 300 * 50000€ * 5,62%).
Burnout ist ein stressbelasteter Gesundheitszustand, der das physische und emotionale Ausgebranntsein bezeichnet. Zu den Symptomen gehören vor allem Kraftlosigkeit und Müdigkeit.
Die vermutlich umfassendste Datenquelle zum Thema Stress und Burnout ist der so genannte Stressreport. Er wird alle 6 Jahre durch die Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin herausgegeben. Zuletzt wurde der Bericht auf Basis einer Erwerbstätigenbefragung 2019 veröffentlicht. Die Eckdaten des Berichts sind folgende:
- die Belastung durch Arbeitsintensität liegt auf einem hohen Niveau
- viele Vollzeitbeschäftigte arbeiten lang bzw. überlang, was ihre Gesundheit direkt oder indirekt beeinträchtigt (reduzierte Erholung, erhöhte Häufigkeit von Arbeitsunfällen)
- Schicht- und Wochenendarbeit sowie Rufbereitschaft/Bereitschaftsdienste sind mit einer Minderung der psychischen Gesundheit verbunden, ein Fünftel der Beschäftigten arbeitet unter diesen Bedingungen
- Jede*r fünfte Beschäftigte gibt an, nicht empfehlenswerte verkürzte Ruhezeiten zu haben
Was verursacht Stress?
Negativer Stress ist Hauptursache für die ansteigenden Fehlzeiten. Dabei setzen Reize im Körper die Hormone Adrenalin und Noradrenalin frei. Der Körper wird aktiviert, indem Blutdruck, Herzschlag und Atmung steigen.
Bei dauerhaften Stressreaktionen schüttet der Körper zusätzlich das Hormon Kortisol aus, wodurch die Kraftreserven mobilisiert werden. Ab einem bestimmten Punkt führt das bei jedem Menschen zu negativen Erscheinungen und Krankheitsbildern. Im Gegensatz dazu ist ein Mindestmaß an Belastung für ein glückliches Leben förderlich. Der Stressforscher Hans Selye hält dafür ein schönes Sprichwort parat:
Stress ist die Würze des Lebens.
Doch welche Stressfaktoren wirken auf Arbeitnehmer? Hier ein kurzer Überblick:
Leistungsstressoren
Zeitdruck und Überforderung sind die am meisten bekannten und gefürchteten Gründe für negativen Stress. Der Stressreport zeigt, dass der größte Stresstreiber das gleichzeitige Betreuen verschiedener Arbeiten ist. 60% der Befragten gaben an, dass die Leistung im Arbeitsalltag darunter leidet. 48% der Befragten beklagen einen starken Termin- und Leistungsdruck und nur etwas weniger sind durch häufige Unterbrechungen bei der Arbeit belastet.
Außerdem sind das rasche Arbeitstempo und Stückzahlforderungen des Arbeitgebers typische Leistungsstressoren, die Arbeitnehmer tatsächlich belasten. 16% gaben an, bereits an der eigenen Leistungsgrenze zu arbeiten und 17% fühlen sich nicht ausreichend über Entscheidungen und Veränderungsprozesse informiert.
Körperliche Stressoren
Der Stressreport betrachtet physische Beschwerden und Hungergefühle infolge von dauerhaften Belastungen und vergleicht die prozentualen Werte gegenüber der letzten Erhebung von 2012. Dabei werden Nerven- und Muskelbeschwerden unterschieden.
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Insgesamt gaben 83% an, mindestens eine Beschwerde im Jahresverlauf gehabt zu haben. Muskelbeschwerden dominieren mit 70% gegenüber psychischen Beschwerden mit seit der letzten Studie um 2% gestiegene 59%. 2018 bezeichneten 15% der Befragten ihren Gesundheitszustand als schlecht bis weniger gut.
Nervenbeschwerden sind jedoch von außen sehr viel schwieriger zu beobachten als beispielsweise Verspannungen, Verdauungsbeschwerden oder Herz-Kreislauf-Probleme. Je nach individueller Einstellung fällt die Stressreaktion unterschiedlich aus. Nervenbeschwerden äußern sich zum Beispiel in Denkblockaden, Blackouts oder innerer Unruhe. Äußerlich gelingt es vielen Arbeitnehmenden, gelassen zu wirken, weshalb kognitiv-emotionale Stressreaktionen zumeist erst spät erkannt werden.
Soziale und physikalische Stressoren
Neben Leistungsstressoren und körperlichen Stressoren ist mittlerweile auch hinreichend wissenschaftlich belegt, dass auch die private Situation ein wesentlicher Stressfaktor ist. Familiäre Spannungen und Konflikte im Freundeskreis wirken durchaus belastend. Nach Holmes ist eine Stress-Skala benannt, welche bestimmten Ereignissen Punktwerte der Anspannung zuordnet. Insgesamt sind 43 Ereignisse hinterlegt, wir zeigen hier nur einen Ausschnitt:
Ereignis | Punktwerte | |
---|---|---|
Tod des Lebenspartners | 100 | |
Scheidung | 73 | |
Persönliche Verletzung oder Krankheit | 53 | |
Pensionierung | 45 | |
Finanzielle Veränderungen | 38 | |
Geringe Gesetzesverstöße | 11 |
In einem individuellen Betrachtungszeitraum von zwei Jahren werden die Punktwerte eingetretener Ereignisse addiert. Folgende Grafik zeigt die Wahrscheinlichkeit des Eintritts ernster körperlicher Krankheiten in diesem Zeitraum an.
Je höher der Punktewert, desto stärker die Wahrscheinlichkeit des Eintritts von Krankheiten wie Kopfschmerzen, Diabetes, Brustschmerzen oder Geschwüren.
Physikalische Stressoren, wie Kälte, Hitze oder Lärm sind ebenfalls ständige Einflussgrößen, deren tatsächlicher Einfluss schwer feststellbar ist, da sie in der Regel begleitend, d.h. unterbewusst wahrgenommen werden.
Präventive Vorsorge durch den Arbeitgeber
Arbeitgebende stehen nicht nur durch das Arbeitsrecht in der Pflicht, für die Gesundheit der Arbeitnehmenden Sorge zu tragen, sondern haben, wie eingangs gezeigt, auch ein erhebliches wirtschaftliches Interesse, aufgrund von Erkrankungen und Überlastungen, Ausfallzeiten zu reduzieren.
Unterstellt man im obigen Beispiel einen linearen Zusammenhang (5,62% Fehlzeitenquote = 843.000 € Kosten), dann würden bei einer Senkung der Quote um 1 % bereits 150.000 € eingespart werden (843.000 € / 5,62 = 150.000 €).
3 Tipps der Primärprävention
In der Primärprävention geht es darum, gesunde Mitarbeitende mit einfachen Maßnahmen am Arbeitsplatz vor Überforderung zu schützen.
1. Eine gesunde Ernährung, die reich an Vitaminen ist, stärkt die vitalen Abwehrkräfte im Allgemeinen. Sofern Unternehmen eine Betriebskantine betreiben, sollte auf ein gesundes Ernährungsprogramm geachtet werden. Je kleiner das Unternehmen, desto mehr sind natürlich die Mitarbeitenden selbst für den Speiseplan verantwortlich.
2. Seminarangebote unterschiedlicher Couleur haben einerseits eine motivationale Komponente, weil Mitarbeitende dankbar sind, zuweilen aus dem Arbeitsalltag heraustreten zu können. Andererseits fördern Sie durch Sportprogramme, Entspannungstechniken oder mit einem Zeitmanagementseminar verschiedene weiche Kompetenzen Ihrer Mitarbeitenden.
3. Eine spezielle Methode der Primärprävention ist das Biofeedback. Dabei werden Probanden individuell durch einen Coach betreut und es wird über Elektroden der Stresswert am Arbeitsplatz ermittelt. Biofeedback ermöglicht den Mitarbeitenden während der Arbeitszeit die Stressreaktionen ihres Körpers zu beobachten und zu lernen sich selbst besser zu beurteilen, Stresszustände leichter zu erkennen und Gegenmaßnahmen ergreifen zu können.
Durchführen sollten diese Methode jedoch nur ausgebildete Therapeut*innen. In Deutschland und Österreich bietet die von der Ärztekammer anerkannte Europäische Biofeedback Akademie Aus- und Weiterbildungen an.
Bei der Methode Biofeedback werden die Klienten mit Elektroden verkabelt. So können die Körperfunktionen an einem Computer graphisch dargestellt werden. Stresstests zeigen die aktuelle Stressbelastung auf, aber es wird auch ermittelt wie hoch die Regenerationsfähigkeit eines Menschen nach Stress ist.
Schon nach einer Stunde Analyse mit Biofeedback (Kosten 150€/Stunde) erkennen die Klient*innen, dass sie aktiv vieles im Körper beeinflussen können und Stressoren nicht hilflos ausgeliefert sein müssen.”
Sekundärprävention: Je früher, umso besser!
Kein größeres Unternehmen kann es sich heute mehr leisten, NICHT die Frage zu stellen, welche Warnsignale und Auffälligkeiten zu Burnout und Suchtproblematiken führen können. Suchtproblematiken sind besonders kritisch, weil sie als Tabuthema oftmals unerkannt bleiben. Gesundheitsuntersuchungen, betriebspsychologische Dienste und Mitarbeitergespräche sind deshalb wichtige Institutionen, um frühzeitig die entscheidenden Stresssymptome zu erkennen.
Natürlich sind Mitarbeitergespräche hilfreich, um durch direkte Fragen Belastungen des Mitarbeiters oder der Mitarbeiterin am Arbeitsplatz zu erkennen. In der betrieblichen Praxis ist aber leider zu wenig Zeit, um sich als Führungskraft mit den persönlichen Stressoren der Mitarbeitenden auseinander zu setzen. Es ist daher eine wichtige Führungsaufgabe, Mitarbeitende zu ermuntern rechtzeitig ein Gespräch zu suchen, wenn sie unter Belastungsfaktoren leiden, die sie bereits körperlich und psychisch beinträchtigen.
Die Evaluierung psychischer Belastungen, die mittlerweile zu den gesetzlichen Pflichten des Arbeitsgebenden gehört, ist als Basis zur Erfassung von Stressoren am Arbeitsplatz sehr wertvoll. Schulungsprogramme sollten sich aber intensiv mit dem Thema Prävention und Resilienz (psychische Widerstandsfähigkeit, Anm. der Redaktion) beschäftigen, damit Mitarbeitende rechtzeitig lernen wie sie Stressoren gut bewältigen und ihre Widerstandskraft steigern können.
Tertiärprävention: Was tun mit stressbelasteten oder an Burnout erkrankten Mitarbeitenden?
Verantwortungsvolle Arbeitgebende lassen Ihre Mitarbeitenden nicht fallen, sondern halten für Langzeiterkrankte spezielle Arbeitszeitmodelle bereit, um ihnen den Wiedereintritt ins Berufsleben zu erleichtern. Organisatorisch steht, meist in sehr großen Betrieben, ein Wiedereingliederungsmanagement zur Verfügung. Eine Möglichkeit besteht darin, nach Wiedereintritt ins Berufsleben die Arbeitszeit zu reduzieren. Eine weitere Option ist der interne Arbeitsplatzwechsel.
Bereits während der Krankheitsphase kann durch eine begleitende Beratung, ein spezielles Stressmanagement-Training oder durch das Erlernen von Entspannungstechniken der oder die Betroffene professionell unterstützt werden.
Leider hatte das Thema „Burnout-Prävention im Unternehmen“ viele Jahrzehnte keinen hohen Stellenwert. Arbeitgebende können dieses Thema aber aufgrund der Zahlen nicht mehr ignorieren, weil auch die Kosten durch Erkrankungen von Mitarbeitenden zu einer hohen betrieblichen Belastung geworden sind.
“Enttabuisierung” heißt aber, den Krankheitszustand der Arbeitnehmenden als schwere Erkrankung ernst zu nehmen und nicht als „Schwächeanfall“ dieser zu belächeln. Je mehr Arbeitgebende und Mitarbeitende über erste Burnout-Symptome wissen, umso effizienter können rasch Gegenmaßnahmen gesetzt werden. Nur wenn Mitarbeitende spüren, dass der Unternehmensleitung ihre Gesundheit wirklich am Herzen liegt, werden Stressbewältigungsprogramme am Arbeitsplatz aber auch angenommen.
Die 7 Stressphasen von Veränderungsprozessen
Veränderungen sind unvermeidlich. Die Unternehmensführung ist für den Fortbestand des Unternehmens verantwortlich und Mitarbeitende wissen, dass Erfolg auch ein Resultat der richtigen Organisationsstruktur ist. Andererseits sind Veränderungsprozesse auch von Widerständen begleitet. Dabei bedarf es einer gut geführten Kommunikation zwischen Management und Belegschaft.
Phase 1: Der Schock sitzt tief!
Bereits vor der geplanten Umstrukturierung wissen Mitarbeitende schon Bescheid. Gerüchte machen die Runde und sorgen für Unruhe im Unternehmen. An dieser Stelle ist es wichtig mit den Mitarbeitenden im Gespräch zu bleiben.
Phase 2: Es wird offiziell!
Wird eine anstehende Veränderung offiziell bekannt gegeben, so erfahren die Mitarbeitenden die Realität erstmalig. Für die Unternehmensleitung ist es jetzt wichtig genau zuzuhören, sich bei den Mitarbeitenden zu informieren und Verständnis für Sorgen, Ängste und Hoffnungen zu zeigen.
Schließlich hat das Management einen Informationsvorsprung, hat keine Arbeitsplatzsorgen und hat die Veränderung bereits mehrfach gedanklich durchlaufen. Mitarbeitende machen sich zu diesem Zeitpunkt eine erste Vorstellung und fragen sich: Wo bleibe ich?
Phase 3: Nicht mit uns!
Werden die ersten Veränderungsschritte eingeleitet, passiert es nicht selten, dass Widerstände auf den Plan treten. Ärger und Wut über die Radikalität der Entscheidung entlädt sich an womöglich hilflosen Führungskräften. Dieser Abwehrreaktion werden Sie als Arbeitgeber*in nur Herr, wenn Sie überzeugend von Notwendigkeit und Dringlichkeit der Entscheidung argumentieren und klarmachen, dass der Fortbestand die zukünftige Entwicklung des Unternehmens von der Veränderung abhängt.
Phase 4: Na gut!
Der Widerstand legt sich wieder. Die vorgebrachten Argumente wurden akzeptiert. Dennoch herrscht Zweifel in der Belegschaft, die die Entscheidung des Managements mitträgt, aber ungewiss in die Zukunft blickt. In dieser Phase ist es wichtig mit den Mitarbeitendne im Gespräch zu bleiben und positive Trends zu kommunizieren.
Phase 5: Überzeugt!
Sind auch die Zweifler*innen überzeugt, so wandelt sich die Stimmung im Unternehmen. Nicht nur auf der rationalen, sondern auch auf der emotionalen Ebene sind die Mitarbeitenden von der Entscheidung zur Veränderung überzeugt. In dieser Stimmung lohnt es sich, das Vertrauen auszubauen, Einzelgespräche zu führen und Workshops abzuhalten, auf deren Basis erste Projekte mit motivierten Mitarbeitenden durchgeführt werden können.
Phase 6: Einsicht statt Nachsicht!
Anstatt Burnout und innerer Kündigung sind die Mitarbeitenden schließlich einsichtig und bringen Kraft für neue Projekte auf. Erfahrungsaustausch und Feedback über den gesamten Veränderungsprozess helfen, Mitarbeitende für Veränderungsprozesse im Allgemeinen zu sensibilisieren, wodurch die Schwelle zum Widerstand abgesenkt wird.
Phase 7: Zeit für etwas Neues!
Wenn das Selbstvertrauen unter den Mitarbeitenden steigt und Offenheit gegenüber neuen Veränderungsprozessen herrscht, dann lohnt es sich, den Veränderungsprozess Revue passieren zu lassen. Jede Erfahrung ist schließlich ein Lernprozess und einmal erkannte Kommunikationsfehler werden so zukünftig vermieden.
Während all der Phasen geht es darum, die Mitarbeitenden psychologisch zu betreuen und sich bewusst zu machen, dass Veränderungsprozesse Reibungspotential haben. Insbesondere potentielle Verlierergruppen und Perfektionist*innen sind während des Prozesses anfällig für Erkrankungen. Es ist wichtig die Ziele des Veränderungsprozesses klar zu benennen und Transparenz gegenüber den Mitarbeitenden zum Prinzip zu machen. Nur dann ist auch gewährleistet, dass Widerstand ernst genommen wird.
Wie Sie selbst Stress effektiv bewältigen und im Arbeitsalltag mit allen Anforderungen und eventuellen Belastungen zurechtkommen, erfahren Sie in unserem Kurs.