Herausforderungen in der Automobilindustrie
Automobilhersteller sind global tätig und arbeiten mit vielen verschiedenen Zulieferern weltweit zusammen. Durch diese Komplexität ist die Branche mit zahlreichen Herausforderungen konfrontiert, die sich insbesondere aus den Gesetzesvorschriften verschiedener Länder ergeben.
Für die Automobilindustrie gilt es allein in der Europäischen Union mehr als 80 Bestimmungen zu beachten. Hinzu kommen viele bundesstaatliche und staatliche Regelungen in den USA, welche Umwelt-, Sicherheit- und Importbestimmungen festlegen. Diese sind zum Beispiel:
- Die EU-Verordnungen zur Verminderung der CO2-Emissionen von Straßenfahrzeugen: Der CO2-Emissionsdurchschnitt für alle neu zugelassenen Personenkraftwagen darf einen Wert von 130 g CO2/km nicht überschreiten.
- §32 der Straßenverkehrs-Zulassungsordnung (StVZO): Die höchstzulässige Breite eines Fahrzeugs beträgt 2,50 Meter.
- §50 der StVZO: Für die Beleuchtung darf nur weißes Licht verwendet werden.
Eine weitere Herausforderung, mit der Autohersteller und deren Zulieferer konfrontiert sind, ist das große Potenzial für Markenrechtsverletzungen, Korruption sowie für Industrie- und Wirtschaftsspionage. Die Gefahr solcher Verstöße liegt deutlich über den Durchschnittswerten anderer Branchen.
Die große Anfälligkeit für Wirtschaftskriminalität ergibt sich zu einem großen Teil aus dem Zusammenspiel vieler unterschiedlicher Akteure. Da Automobilhersteller mit einer Vielzahl von Zulieferern zusammen arbeiten, ist es äußert schwierig die komplexen Strukturen zu überwachen.
Die Automobilbranche und ihre Zulieferer – Träger der deutschen Wirtschaft
Im Jahr 2021 generierten Unternehmen in dieser Branche 411 Milliarden Euro Umsatz und beschäftigten nahezu 786.000 Menschen.
Deutschland exportiert jeden Monat ungefähr 400.000 Autos in die ganze Welt. Damit trägt die deutsche Automobilindustrie einen erheblichen Teil zur deutschen Volkswirtschaft bei.
Compliance in der Automobilindustrie
Compliance steht in der Automobilbranche viel stärker im Fokus als in anderen Industrien
Für Zulieferer, die für Autohersteller tätig sind, spielt Compliance eine enorm wichtige Rolle. Denn um einheitliche Standards gewährleisten zu können, haben die Hersteller hohe Compliance-Anforderungen an ihre Zulieferer.
Diese Notwendigkeit ergibt sich allein schon aus der Tatsache, dass ein einzelner Hersteller beispielsweise durchschnittlich von 1.600 Unternehmen beliefert wird und die jeweiligen Zulieferer in manchen Fällen bis zu 16.000 km voneinander entfernt produzieren.
Für die Autohersteller sind einheitliche Compliance-Vorschriften deshalb wichtig, weil sie selbst nach dem Prinzip der Zurechnung bei Verstößen der Zulieferer haften.
Aufgrund dessen haben die Hersteller ein großes Interesse daran, dass ihre Zulieferer die Standards einhalten und keine Compliance-Schäden verursachen.
Die meisten Zulieferer der großen Automobilhersteller sind mittelständische Unternehmen. Auch im Mittelstand besteht großer Bedarf an Compliance-Maßnahmen, der jedoch noch nicht von allen Unternehmen erkannt worden ist.
Hinzu kommt, dass die meisten Zulieferer-Unternehmen nicht nur einen Autohersteller beliefern, sondern mehrere. Somit müssen sie sich auch an die Vorschriften unterschiedlicher Unternehmen gleichzeitig halten und die verschiedenen Anforderungen koordinieren.
Aufholbedarf in einigen Bereichen der Compliance
Die Notwendigkeit von Compliance haben Zulieferer und Autohersteller bereits erkannt: In einer Umfrage aus dem Jahr 2013 gaben bereits 79 % der befragten Unternehmen an, ein Compliance-Programm etabliert zu haben.
Damit ist die Automobilbranche anderen Branchen ein Stück voraus. Dort haben lediglich 74 % ein Compliance-Programm eingeführt.
Der Aufholbedarf wird deutlich, wenn man die Korruptions-Compliance betrachtet: Nur 58 % der befragten Automobilhersteller und deren Zulieferer haben ein Anti-Korruptionsprogramm etabliert.
Dies entspricht den branchenübergreifenden Angaben. In Anbetracht der Tatsache, dass die Gefahr von Bestechung und Korruption in der Automobilindustrie besonders hoch ist, sind die Werte jedoch erschreckend niedrig.
Im Hinblick auf die kartellrechtliche Compliance hingegen haben viele Unternehmen der Autobranche die Gefahr bereits erkannt: Immerhin 47 % geben in der Umfrage an, über kartellrechtliche Compliance-Programme zu verfügen.
Compliance-Gefahren, mit denen Hersteller konfrontiert sind
Patent- und Markenrechtsverletzungen
Innovationen und geistiges Eigentum sind die beiden Hauptfaktoren für Erfolg in der Automobilindustrie. Die Verletzung von Patent- und Markenrechten ist daher ein besonders schwerwiegendes Problem, da in der Automobilbranche durch Know-How-Abfluss den größten finanziellen Schaden verursacht wird.
Eine Verletzung des Patentrechtes liegt dann vor, wenn eine patentierte Erfindung unerlaubterweise genutzt wird. Markenrechte hingegen werden verletzt, wenn eine eingetragene Marke ohne Erlaubnis genutzt wird.
Eine Marke kann neben dem Logo und dem Namen der Firma zum Beispiel auch die bloße Form eines Produktes sein.
Besonders Volkswagen hat mit diesem Problem schon lange zu kämpfen. Chinesische Partner verletzten die Patente des Konzerns, indem sie die VW-Motoren mithilfe illegal kopierter Konstruktionspläne nachbauen.
Und auch das Getriebe der Volkswagen wurde von chinesischen Partnern fast vollständig übernommen.
Volkswagen entschied sich jedoch gegen eine Klage.
Die Begründung: Die Kopien entscheiden sich durch minimale Details von den Originalteilen und sind damit nicht identisch. Der Konzern sah deshalb kaum Chancen auf einen Erfolg vor Gericht.
Ein weiterer interner Grund war aber wohl auch, dass VW seine Position auf dem chinesischen Markt nicht gefährden wollte, denn dieser ist entscheidend für den Erfolg des Konzerns.
Industrie- und Wirtschaftsspionage
Auch durch Industrie- und Wirtschaftsspionage sind Innovationen und geistiges Eigentum der Unternehmen in Gefahr. Denn wenn sensible Daten ausspioniert werden, geht dem Unternehmen wichtiges Know-How verloren.
Oftmals stammen die Täter sogar aus dem eigenen Unternehmen und geben sensible Informationen an Dritte weiter. In den meisten Fällen aber sind externe Personen oder andere Unternehmen für die Spionage verantwortlich.
Aber auch andere Länder können für Spionage verantwortlich sein, wie der Fall eines russischen Agentenpaares zeigt. Ein Maschinenbauer soll demnach bei Autozulieferern in Deutschland und Österreich gearbeitet und Spionage betrieben haben. Die sensiblen Daten soll er dann an einen russischen Auslandsgeheimdienst weitergegeben haben.
Compliance-Verstöße im eigenen Unternehmen
Compliance betrifft nicht nur den Schutz von eigenen Informationen und Wissen. Denn Compliance als Form der Regeltreue soll ebenfalls sicherstellen, dass Rechtsverletzungen nicht durch das eigene Unternehmen begangen werden. Gerade in der Autoindustrie ist das ein Thema, welches nicht zu missachten ist
Korruption und Bestechung
Korruption und Bestechung von Mitarbeitern ist eine Gefahr, die bei Zulieferern der Autobranche allgegenwärtig ist. Das hohe Risiko ergibt sich in erster Linie durch den hohen Konkurrenz- und Preisdruck.
Oftmals bestehen die Risiken bereits in der Unsicherheit der Mitarbeiter in Bezug auf den Umgang mit Geschenken und anderen Zuwendungen. Daraus kann sehr schnell eine Einflussnahme von Geschäftspartnern resultieren.
Der Autozulieferer Continental hat das Problem von Korruption und Bestechung zu spüren bekommen. Der Reifenhersteller musste zahlreiche Personen aus dem Vertriebs-Management in China wegen Korruptionsverdacht entlassen.
Die Mitarbeiter sollen sich bei Geschäften persönlich bereichert haben. In welcher Größenordnung sich die Compliance-Verstöße abspielten ist zwar nicht bekannt, die harten Konsequenzen sollten jedoch hauptsächlich ein Signal an andere Mitarbeiter sein.
Die Folgen von Korruptionsfällen im eigenen Unternehmen sind vielseitig: Bußgeldzahlungen, Schadenersatzforderungen sowie Kosten für Gerichtsprozesse und Anwälte. In besonders schweren Fällen droht den Beteiligten sogar eine Freiheitsstrafe.
Hinzu kommen verheerende Imageschäden. Das betroffene Unternehmen verliert in einem hohen Maße das Vertrauen von Mitarbeitern und der Öffentlichkeit. Fehltritte einzelner Mitarbeiter können das gesamte Unternehmen über einen langen Zeitraum hinweg in ein schlechtes Licht rücken.
Kartellverstöße
Wettbewerbswidrige Absprachen in der Automobilindustrie entsprechen ungefähr dem Durchschnitt aller Branchen. Trotzdem sollte diese Gefahr nicht unterschätzt werden, denn dadurch kann ein großer finanzieller Schaden entstehen. Außerdem ist die Dunkelziffer von Kartellrechtsverstößen möglicherweise deutlich höher, als es die offiziellen Zahlen vermuten lassen.
Ein aufgeklärter Verstoß gegen das Kartellrecht betrifft das Zulieferer-Unternehmen Eberspächer. Dieses hat mit seinem bayrischen Wettbewerber Webasto über 10 Jahre lang die Preise für Standheizer und Zuheizer abgesprochen und in die Höhe getrieben.
Außerdem teilten die beiden Unternehmen die Kunden untereinander auf. Dieser Fall wiegt gerade deshalb schwer, weil die beiden betroffenen Unternehmen die einzigen Hersteller von Standheizungen in Europa sind.
Die EU-Kommission verurteilte Eberspächer deshalb zu einer Bußgeldzahlung in Höhe von 68 Millionen Euro. Webasto hingegen wurde eine Strafe von 222 Millionen Euro erlassen, da das Unternehmen selbst die Behörden auf das Kartell hinwies.
Wenn Unternehmen gegen das Kartellrecht verstoßen, müssen sie mit drastischen Strafen rechnen. Das Bundeskartellamt verhängt hohe Bußgelder, wenn Unternehmen illegale Absprachen treffen.
Auch Haftstrafen und arbeitsrechtliche Konsequenzen sind keine Seltenheit. Und damit nicht genug: Andere Unternehmen können Schadenersatz fordern, wenn sie durch das Kartell benachteiligt wurden.
Prävention: Wie sollten Zulieferer sich schützen?
Ein funktionierendes und gelebtes Compliance-Management-System ist der wichtigste Schritt in Richtung Prävention. Dies ist der einzige Weg für Zulieferer, um sich vor den schwerwiegenden Folgen von Compliance-Verstößen zu schützen.
Unternehmenskultur spielt wichtige Rolle, um Schäden vorzubeugen
Die Unternehmenskultur spielt eine entscheidende Rolle, um Verstößen vorzubeugen. Führungskräfte müssen deutlich machen, dass alle Handlungen mit den gesetzlichen und unternehmensinternen Regelungen vereinbar sein müssen.
Die ethischen Grundlagen in Unternehmen können beispielsweise in einem Verhaltenskodex festgeschrieben werden. Solche klaren Richtlinien bieten den Mitarbeitern Orientierung, sodass sie unerlaubte Verhaltensweisen besser erkennen können.
Ein Leitfaden des Unternehmens zu verschiedenen Themenbereichen der Compliance kann Mitarbeitern eine wichtige Orientierungshilfe sein.
Der Verband der Automobilindustrie (VDA) beispielsweise hat einen Leitfaden zum Kartellrecht für seine Mitglieder erstellt. Dieser enthält konkrete Verhaltensregeln, die von kartellrechtlicher Bedeutung sind und an die sich die Verbandsmitglieder verbindlich halten müssen.
Mitarbeiterschulung und -sensibilisierung als wichtige Präventionsmaßnahme
Viele Fälle von Industrie- und Wirtschaftsspionage entstehen durch Unachtsamkeit der Mitarbeiter. Um diese Gefahrenquelle zu minimieren, sind umfassende Compliance-Schulungen eine mögliche Maßnahme.
In diesen lernen die Mitarbeiter die zahlreichen Risiken kennen und werden für heikle Themen wie Spionage sensibilisiert.
Dabei kann es zum Beispiel hilfreich sein, Angestellten die typischen Vorgehensweisen bei Spionagefällen aufzuzeigen.
Die Bindung der Mitarbeiter an das Unternehmen ist eine weitere Maßnahme, um Spionage und Informationsverlust vorzubeugen.Zufriedene Mitarbeiter bleiben in den meisten Fällen auch lange in der Firma.
Sollten sie das Unternehmen doch verlassen, ist die Wahrscheinlichkeit geringer, dass sie ihr Wissen an Dritte weitergeben. Die Gefahr von Spionage und Informationsverlust kann jedoch niemals vollkommen abgewendet werden – auch eine hohe Mitarbeiterzufriedenheit gewährleistet keine 100%ige Sicherheit.
Generell können Gesetzesverstöße nur vermieden werden, wenn Mitarbeiter und Führungskräfte die gesetzlichen Regelungen kennen und immer auf dem neuesten Stand sind. Um dies zu erreichen, ist eine qualitativ hochwertige und umfassende Schulung Ihrer Mitarbeiter unabdinglich.
Passende Schulungen finden
In jedem Unternehmen müssen adäquate und spezifische Compliance-Strukturen etabliert werden. Das gilt für die Automobilbranche aufgrund ihrer besonderen Voraussetzungen ebenso. Für die Autobranchen bedeutet das vor allem die Fokussierung auf Themen wie Korruption, Wissens-Abfluss und Patentverletzungen.
Compliance sollte aus einer inneren Einstellung heraus geschehen und es ist unumgänglich, dass das Thema von allen Mitarbeiter getragen wird.
Durch nachhaltige Schulungen können an alle Mitarbeiter Informationen zu den relevanten Compliance-Themen wie Korruption oder Wissensabfluss übermittelt werden. Dabei kann die Einweisung in verschiedenen Formaten erfolgen:
- Angebot von externen Schulungen
- In-House Schulungen abhalten – mit oder ohne externem Dienstleister
- E-Learning-Lösungen für Compliance-Schulungen etablieren. Entweder als reine E-Learning-Lösung oder als Blended Learning Konzept kombiniert mit In-House Schulungen
E-Learning als Schulungsinstrument
E-Learning kann auch in der Automobilindustrie ein wichtiges Instrument für allgemeine Compliance-Schulungen sein, aber ebenfalls für andere für den Produktionsablauf relevante Themengebiete wie Arbeitssicherheit, Qualitätsmanagement (ISO/TS 16949) oder Umweltschutz.
Die steigende Zahl an Gesetzen und Compliance-relevanten Themenbereichen erfordert eine schnelle und effektive Weiterbildung. Skandale wie von VW erhöhen den Druck auf die Automobilbranche, effektive Compliance-Strukturen zu implementieren.
Compliance-Schulungen können kostspielig sein
In der Automobilbranche sind eine Vielzahl von Personen angestellt. Allein in Deutschland arbeiten 447.200 Personen bei Autoherstellern direkt und 295.000 bei deren Zulieferern.
Die Konzerne müssen daher effektive und kostengünstige Methoden finden ihre Mitarbeiter zu schulen. Präsenzschulungen und In-House-Schulungen können für eine große Anzahl an Mitarbeitern sehr schnell sehr teuer werden.
E-Learning Lösungen wie Videoangebote bieten den Vorteil, dass Schulungen direkt vor Ort und für ein großes Publikum zur Verfügung stehen. Inhalte können so außerdem flexibel aufgerufen und leichter wiederholt werden.
Bei Compliance-Schulungen durch E-Learning ist es Arbeitgebern darüber hinaus mittels Kontrollmechanismen möglich, nachzuvollziehen, wie relevante Themen von den Mitarbeitern angenommen wurden. Solche Mechanismen, erlauben außerdem nachweislich die Unterweisung von Mitarbeitern zu dokumentieren.
Online-Compliance-Training für Ihr Unternehmen
Lecturio bietet Compliance Schulungen mit hochqualitativen und praxisnahen Online-Video-Trainings. Sie erhalten Ihre eigene Online-Akademie und können Ihre Mitarbeiter und Führungskräfte schnell und kosteneffizient in alle relevanten Compliance- und Sicherheitsregeln einweisen.
Für weniger als 10 € pro Mitarbeiter pro Jahr können Sie sich und Ihr Unternehmen enthaften und vor Compliance-Schäden bewahren.
Quellen
Wirtschaftskriminalität und Compliance in der Automobilindustrie via PwC
Die Bedeutung von Compliance für die Unternehmen des KFZ-Gewerbes via Zentralverband Deutsches Kraftfahrzeuggewerbe (ZDK)
Leitfaden Kartellrecht via VDA
Zahlen und Daten – Übersicht via VDA
Risk und Compliance: Die Anforderungen wachsen via Automotive IT
Automobilbranche via Thomson Reuters
VW-Skandal offenbart mangelhafte Aufsicht via N-TV
Volkswagen: Wo war die Compliance? via Compliance Digital
China klaut Volkswagen-Patente via Handelsblatt
Automobilindustrie via BMWK