Der erste Eindruck läuft auf einer unbewussten Ebene ab und kann täuschen. Wo Sie im privaten Bereich Ihre Meinung meistens ohne gravierende Konsequenzen revidieren können, ist im beruflichen Rahmen schnell das Kind in den Brunnen gefallen. Sie müssen als Personalleiter objektiv die richtige Entscheidung für Ihre Firma treffen – doch wie objektiv sind Sie wirklich?
Was ist der Halo-Effekt?
„Halo“ kommt aus dem Griechischen und bezeichnet den Lichtkreis um Sonne und Mond. Im Englischen bedeutet „Halo“ Heiligenschein, und genau um diese Auswirkung – die Überstrahlung – dreht sich der Effekt. Im negativen Sinne wird der Halo-Effekt auch als Teufelshörner-Effekt beschrieben. Was in der Sozialpsychologie als kognitive Verzerrung bezeichnet wird, ist nichts anderes als eine unbewusste, systematische Störung unserer Urteilskraft.
Eine besondere Eigenschaft von jemandem oder ein prägnantes Ereignis, wie beispielsweise eine herausragende Leistung, überstrahlt dabei alles Übrige. Das lässt sich ohne Weiteres auf andere Attribute einer Person übertragen. Ist jemand in einer sportlichen Disziplin wie Schwimmen extrem gut, wird man unwillkürlich diese Person als sportlich begabt ansehen. Unabhängig von der Tatsache, dass ein guter Schwimmer noch lange kein hervorragender Läufer sein muss.
Es lassen sich zahlreiche Beispiele für den Halo-Effekt finden. Attraktive Menschen haben laut Studien mehr Erfolg im Beruf, weil ihnen automatisch aufgrund ihres Aussehens Intelligenz attestiert wird. Fülligen Menschen sagt man ein sanftes Gemüt und Heiterkeit nach – obwohl diese Eigenschaften nichts miteinander zu tun haben.
Wo tritt der Halo-Effekt auf?
Da der Halo-Effekt allgegenwärtige Merkmale wie Aussehen oder Charaktereigenschaften verzerrt, kann man sich ihm nicht entziehen. Umso mehr gilt es aber, sich seiner bewusst zu werden!
Als Erster beschrieb den Effekt der amerikanische Psychologe Edward Thorndike. Er untersuchte im ersten Weltkrieg die Beurteilung von Soldaten durch deren Offiziere.
Die vorgegebenen Kriterien waren unterschiedlichster Natur: Intelligenz, Aussehen, Charakter, Musikalität und zielgenaues Schießen. Die Untersuchung führte zu überraschenden Ergebnissen. So wurde Soldaten mit einer einwandfreien Körperhaltung auffällig oft zielgenaues Schießen und Musikalität bestätigt, wohingegen die anderen Soldaten bei der Bewertung unterdurchschnittlich abschnitten.
Thorndike nannte eben jenen Effekt, den „Halo-Effekt“. Ein hervortretendes Merkmal – in diesem Fall die einwandfreie Körperhaltung – überstrahlte den Rest und machte eine differenzierte Betrachtung der Soldaten unmöglich. In Kombination mit dem Nimbus-Effekt – auch bekannt als Attraktivitätsstereotyp – lässt sich der Halo-Effekt ebenfalls im Unterrichtswesen nachweisen.
Studien belegen, dass Studenten einen attraktiven Professor für kompetenter halten als einen weniger attraktiven. Ebenso sind Lehrkräfte vor beiden Effekten nicht gefeit und können dazu neigen, einen Schüler aufgrund einer überstrahlenden Eigenschaft besser als andere Schüler zu bewerten. Eine überragende Eigenschaft – hier die Attraktivität – verdrängt in der Wahrnehmung die restlichen Eigenschaften dieser Person. Stattdessen wird mit der Attraktivität automatisch Kompetenz und Intelligenz assoziiert.
Eine Nachrichtensprecherin z. B., die die Texte fehlerfrei abliest und adrett wirkt, muss nicht zwangsweise intelligent sein. Ihr sympathischer Eindruck führt jedoch zur Zuschreibung weiterer positiver, möglicherweise nicht vorhandener Eigenschaften. Sogar in der Kunst werden wir bei Abbildung religiöser Motive mit dem Halo-Effekt konfrontiert. Die Heiligenschein-Darstellung der Jungfrau Maria oder anderer Heiliger soll diese besonders rein und tugendhaft erscheinen lassen.
Wo wird der Effekt problematisch?
Im Alltag beziehungsweise im Privatleben kann Sie dieser Effekt zu einem unpassenden Partner führen oder gar eine Freundschaft unter falschen Voraussetzungen entstehen lassen! Sind Ihnen generell Menschen sympathisch, die großzügig sind, werden Sie vielleicht unbewusst bei Menschen, die Ihnen sympathisch sind, annehmen, jene wären ebenfalls großzügig. Das kann spätere Enttäuschungen nach sich ziehen, ohne direkte Beteiligung die betreffenden Personen.
Im beruflichen Rahmen kann dies allerdings zu enormen Problemen führen und ist für den Arbeitnehmer unter Umständen mit vermeidbaren Kosten verbunden. Wird Personal aufgrund des Halo-Effekts falsch beurteilt und somit in einer ungeeigneten Position eingesetzt, ist das weder für den Mitarbeiter noch für den Arbeitgeber von Vorteil – mit allen möglichen Nebenwirkungen.
Falsch eingesetzte Mitarbeiter können selbstverständlich nicht die von ihnen erwartete Leistung erbringen. Demotivation und Kündigung können die Folge sein. Häufige Kündigungen und die damit verbundene Fluktuation des Personals verhindern ein mögliches Gemeinschaftsgefühl. Der ständige Wechsel verunsichert Mitarbeiter und kann dazu führen, dass sie sich selber nach anderen Arbeitsstellen umsehen. Ein Teufelskreis beginnt.
Auch Unternehmen im Ganzen unterliegen dem Halo-Effekt. Der Erfolg einer Firma und ihre Außenwirkung stehen in direktem Zusammenhang. Wenn ein Unternehmen zum Beispiel hohe Gewinne erzielt, könnte der Erfolg in der Außenwirkung einzelnen, markanten Unternehmenseigenschaften zugeschrieben werden. Die Mitarbeiterführung könnte man etwa als ausschlaggebende Eigenschaft bestimmen.
Kommt dasselbe Unternehmen hingegen in die Verlustzone, wird der ehemalige Erfolgsfaktor „Mitarbeiterführung“ ins Negative verkehrt und für den Verlust verantwortlich gemacht. Unabhängig davon, welche Gründe wirklich Schuld waren. In diesem Beispiel ist das jeweilige Geschäftsergebnis das alles überstrahlende Ereignis, welches die objektive Beurteilung erschwert und womöglich falsche Konsequenzen nach sich zieht.
Gibt es Strategien zur Vermeidung?
Zur Qualitätssicherung in Personalangelegenheiten oder dem schulischen Umfeld, muss das Bewusstsein für den Halo-Effekt geschärft und Leute dafür sensibilisiert werden. Es gibt spezielle Schulungs- und Trainingscenter, die helfen, Beobachtern das nötige Handwerkszeug mitzugeben. Selbstreflexion und Selbsterfahrung sind wichtige Aspekte. Zudem sollten Auswahlverfahren in besonders gefährdeten Bereichen möglichst objektiviert sein.
In Australien sind beispielsweise Bewerbungsformulare größtenteils standardisiert – und ohne Foto. Es werden lediglich Kennzeichen abgefragt, die zur Eignung der ausgeschriebenen Stelle vonnöten sind. Aber es gibt weitere Strategien, um die Risiken des Halo-Effektes bei der Personalauswahl zu minimieren. Das Mehr-Augen-Prinzip kann hierbei genauso helfen wie die sorgfältige Konzeption der Diagnostik.
Soll ein Assessment- oder Development-Center möglichst objektiv sein, müssen sämtliche Daten mehrfach und in unterschiedlichsten Konstellationen erhoben werden. Wichtig sind nicht nur unterschiedliche Kandidaten-, sondern auch unterschiedliche Beobachterkonstellationen. So können irrige Beurteilungen reduziert werden.
Wer profitiert vom Halo-Effekt?
Natürlich ist der Halo-Effekt für viele Menschen – wenn nicht sogar für alle – von Vorteil. Aufgrund der vorangegangenen Beschreibung kann man den Schluss ziehen, dass hauptsächlich schöne, reiche und sportliche Menschen von diesem Effekt profitieren. Eine pauschale Aussage hierzu kann schwer getroffen werden, schließlich hängt der Effekt selbst und sein Auftreten immer von dem Betrachter und dem Betrachteten ab.
Zusätzlich darf man nicht die unbewusste Komponente außer Acht lassen. Der Halo-Effekt kann und wird jedoch auch gezielt in der Unterhaltungsindustrie eingesetzt, um beispielsweise bei erfolgreichen Filmen, ebenfalls erfolgreiche Fortsetzungen zu generieren. Den Fortsetzungen werden dann dieselben Eigenschaften zugeschrieben wie dem Vorgänger und die Bereitschaft, den Film im Kino zu sehen, steigt.