Über den Zusammenhang von Netzwerk und Sozialkapital
Im letzten Jahrzehnt ist das soziale Kapital als die Gesamtmenge der Beziehungen, über die einzelne Personen persönlichen Nutzen erzielen, intensiv diskutiert worden. Sozialkapital erweitert den Begriff des Humankapitals um „stille Reserven“, die erst dann aktiviert werden, wenn sie nötig sind.
Aus diesem Grund ist das soziale Kapital jedoch nicht transparent und es bedarf einigen Aufwandes, um es im Unternehmen sichtbar zu machen. Ist dieser Schritt getan, dann verfügt die Unternehmensleitung über ein neues Managementtool des Networkens.
Jedoch macht es wenig Sinn nur eine Seite der Medaille zu betrachten. Schließlich sind die Beziehungen nicht in einem freien Raum lose verteilt, sondern sind abhängig vom vorhandenen Humankapital und auch graduell von den vorhandenen Wissensstrukturen im Unternehmen. Ohne diesen vorhandenen Grundstock im Blick zu haben, lässt sich kein professionelles Networken betreiben.
Merke: Nur durch die Kombination von Wissen um bestehende Netzwerke von Mitarbeitern und dem Unternehmen allgemein kann soziales Kapital sichtbar gemacht und genutzt werden.
Vorteile des professionellen Networkens
Professionelles Networken erlaubt es, gezielt Kontakte zu brach liegenden Reserven aufzubauen, zu intensivieren oder das Wissen direkt abzurufen. Der Vorteil liegt auf der Hand: Das Wissen ist nicht länger in den Unternehmensstrukturen vergraben, sondern ist für jeden Mitarbeiter im Unternehmen abrufbar.
Das Networking dient dazu, auch innerhalb Abteilungen festgefahrene Strukturen zu überwinden. Das belebt die Unternehmenskultur und Ihre Mitarbeiter sind bereit, sich stärker an das Unternehmen zu binden, weil sie in ihrer Arbeit einen höheren Sinn sehen.
Unternehmen mit einem großen Personalbestand haben begonnen, das soziale Kapital, auch immaterielles oder intellektuelles Kapital genannt, in Form einer Wissensbilanz zu systematisch zu erfassen. Die Begriffe immaterielles bzw. intellektuelles Kapital erheben im Gegensatz zum sozialen Kapital keinen wissenschaftlichen Anspruch und beschränken sich auf ein ökonomisch handelndes Objekt.
Die Wissensbilanz dient dazu, Unsicherheiten über die wirtschaftliche Entwicklung zu reduzieren. Dabei kann zwar kein direkter Zusammenhang zwischen einer Erhöhung des Sozialkapitals auf der einen und der Erhöhung des Ertrags auf der anderen Seite hergestellt werden, trotzdem gibt es Indikatoren für eine bessere Planbarkeit der wirtschaftlichen Entwicklung. So erhöhen sich beispielsweise die Chancen auf günstigere Zinsen oder Kreditzusagen durch den Firmenkundenberater Ihrer Bank.
Die Methode der Wissensbilanz für das Networken nutzen
Damit Sie die Methode der Wissensbilanz auch erfolgreich in Ihrem Unternehmen nutzen können, geben wir Ihnen nun eine Anleitung an die Hand.
Schritt 1: Das Geschäftsmodell beschreiben
Um eine Ausgangsbasis zur Erstellung einer Wissensbilanz zu schaffen, werden sowohl Chancen und Risiken des Geschäftsmodells als auch die strategische Perspektive dokumentiert. Es wird ein Dokument erarbeitet, das folgende Punkte beinhaltet:
- Bilanzierungsbereich
- Geschäftsumfeld
- Vision
- Strategie (Geschäftsstrategie, Wissensstrategie)
- Geschäftsprozess
- Geschäftserfolg
Im Bilanzierungsbereich wird festgehalten, für welchen Bereich der Organisation eine Wissensbilanz erstellt werden soll. Das kann zum Beispiel das Gesamtunternehmen, eine Filiale, ein Prozess oder ein Geschäftsfeld sein. Im Geschäftsumfeld sind die Chancen und Risiken und damit die aktuelle Ausgangslage dokumentiert.
Vision und Strategie behandeln den strategischen Teil des Geschäftsmodells. Mit welchen Maßnahmen soll das Ziel oder die Vision gelingen? In Form einer Wissensstrategie wird auch das benötigte intellektuelle Kapital beschrieben, dass für die Geschäftsstrategie gebraucht wird.
Beispiel: Sie wollen den Austausch von Wissen mit Kooperationspartnern verstärken, um den Marktanteil des Produktsortiments zu vergrößern.
Beim Geschäftsprozess sind nur die wertschöpfenden Prozesse relevant. Sofern nur ein konkreter Prozess (z.B. der Serviceprozess) betrachtet werden soll, beschränkt sich die Dokumentation entsprechend. Der gewünschte Geschäftserfolg wird in Form angestrebter Geschäftsergebnisse notiert.
Schritt 2: Das Soziale Kapital bestimmen
Im zweiten Schritt wird ein Soll-Zustand des Wissens erarbeitet, der zum Geschäftsmodell passen muss. Es wird die Frage beantwortet, welches soziale Kapital (Humankapital, Beziehungskapital, Strukturkapital) benötigt wird. Einmal systematisch erfasst, werden diese Einflussfaktoren in allen weiteren Schritten genutzt.
Humankapital bezeichnet die Fach- und Führungskompetenz, die Motivation und soziale Kompetenz.
Beziehungskapital sind Beziehungen zu Lieferanten, Öffentlichkeit, Kapitalgebern, Kunden bzw. zu den Stakeholdern. An dieser Stelle wird das Netzwerk definiert, dass aufgebaut werden soll.
Strukturkapital ist die vorhandene personalunabhängige Struktur, die das Unternehmen produktiv und innovativ macht. Dazu gehören Führungsinstrumente und Unternehmenskultur ebenso wie Informationstechnik und das dokumentierte Wissen.
Schritt 3: Qualitative und quantitative Bewertung des vorhandenen intellektuellen Kapitals
Nachdem im Schritt 2 ein Soll-Zustand definiert worden ist, muss folglich der Ist-Zustand bewertet werden. Die Leitfrage lautet: Besitzt das Unternehmen ausreichend Human-, Beziehungs- und Strukturkapital, um die Strategie zu bewerkstelligen? Dabei werden die Einflussfaktoren quantitativ, qualitativ und systematisch bewertet.
Hinterfragen Sie dabei den Stellenwert des Einflussfaktors im operativen Geschäft. Ein hoher systematischer Stellenwert des Faktors liegt immer dann vor, wenn regelmäßig definierte Maßnahmen durchgeführt werden, die die Qualität des Faktors sicherstellen oder verbessern.
Definieren Sie geeignete Indikatoren, um die Aussagen qualitativ messen zu können. Die Berechnungsmethode sollte möglichst einfach, nachvollziehbar und stets transparent sein und darf nicht beliebig geändert werden. Berechnungsmethode, Datenquelle, Maßeinheit und ein Ist-Wert sind zu dokumentieren. Ergänzend können interpretative Angaben notiert werden. Je nach Strategie ergibt sich für jeden Einflussfaktor mindestens ein Indikator.
Schritt 4: Wirkungszusammenhänge untersuchen und Maßnahmen ableiten
In den Schritten 1-3 wurde die Strategie zur Zielerreichung in kleinen Schritten niedergeschrieben. Erarbeitet wurde ein Soll-Ist-Vergleich der wesentlichen immateriellen Einflussfaktoren in qualitativer und quantitativer Hinsicht.
Im 4. Schritt werden die Wirkungszusammenhänge zwischen den einzelnen Faktoren untersucht, indem gefragt wird, welche Wirkung die Verbesserung oder Verschlechterung eines Einflussfaktors auf andere Einflussfaktoren hat. Dabei sind zwei Sichtweisen grundsätzlich möglich: Chancen und Risiken.
Bei Chancen handelt es sich in der Regel um Investitionen in bestimmte Einflussfaktoren. Diese können sowohl positive als auch negative Effekte auf andere Faktoren haben. Beispielhaft kann angenommen werden, dass eine Erhöhung der betrieblichen Weiterbildungstage positive Effekte auf Fachkompetenz hat, jedoch negative Effekte auf das dokumentierte Wissen.
Die Wirkungszusammenhänge werden paarweise untersucht, sodass im Gesamtergebnis eine Wirkungsmatrix entsteht, die auf einem Blick erkennen lässt, welche Einflussfaktoren beispielsweise die Beziehungen zur Öffentlichkeit stark positiv beeinflussen.
Auf diese Weise können Unternehmen im Rahmen der Geschäftsstrategie Networking-Aktivitäten gezielt einsetzen und sind in der Lage, Wirkungsketten zu erstellen. Das Networken unterliegt nicht länger dem Vorwurf des Selbstzwecks, sondern wird als wichtige Ressource zur Umsetzung der Unternehmensstrategie betrachtet.
Die Ausgestaltung des Netzwerks kann schließlich nach den in der Wissensbilanz dokumentierten Zielparametern vorgenommen werden. Ein Kontakt wird stets dann intensiviert, wenn er im Rahmen der Unternehmensstrategie nutzbringend für die Organisation ist. Diesen Sachverhalt, auch Bedarfskompatibilität genannt, muss der jeweilige Mitarbeiter für jeden Kontakt klären. Darüber hinaus spielen vier Aspekte eine wichtige Rolle bei der Partnerwahl:
- Hat der Partner/das Netzwerk gleiche oder ähnliche Ziele?
- Passt der Partner/das Netzwerk aus kultureller Sicht zum Unternehmen oder gibt es Anhaltspunkte, die auf Werte und Normen hinweisen, die der eigenen Unternehmenskultur widersprechen?
- Passt das Netzwerk aus organisatorischer Sicht zum Unternehmen? Welche Aufbauorganisation liegt vor?
- Sind die benutzten Informations- und Kommunikationssysteme mit den eigenen kompatibel?
Wenn dem nichts entgegen steht, wird das Unternehmen einen losen Kontakt in eine Partnerschaft verwandeln. Es sei dahingestellt, ob die Beziehung kurz- oder langfristig angelegt wird. Es gilt lediglich zu beachten, dass die Beziehung regelmäßig auf den Nutzen im Sinne der Unternehmensstrategie überprüft wird, solange bis der gewünschte Soll-Zustand erreicht ist.
Fazit
Networken ist nicht die Kunst, Wissen zu generieren. Networken ist vielmehr die Kunst, den Zugang zum gewünschten Wissen zu erschließen. Die Unternehmen, die diese Kompetenz erlernen, werden den Wettbewerb um die besten Köpfe, Ideen und Produkte gewinnen. Die Wissensbilanz ist die Schlüsselmethode mit der Unternehmen systematisch die entscheidenden Kontakte nutzen. Mit ihr erfassen Sie systematisch das soziale Kapital des Unternehmens und versetzen sich in die Lage, es effektiv im Rahmen der Unternehmensstrategie zu nutzen.