Vorteile von Persönlichkeitsmodellen
Um eine grobe Vorstellung einer Persönlichkeit zu erhalten, sind die Tests eine angemessene Methode. Die Modelle fassen ähnliche Merkmale zusammen und bringen sie am Ende direkt auf den Punkt. Für die Entscheidungstragenden wird es so einfacher, eine gemeinsame Sprache für komplexe Situationen zu finden.
Wird die Organisation eines Teams zum Beispiel als „emotionslastig“ eingestuft, könnte das der Grund für die Vernachlässigung von ratiolastigen Themen (Controlling/Risikomanagement) gewesen sein. Durch diese Erkenntnis könnte eine finanziell angespannte Situation erklärt werden.
Durch Persönlichkeitstests ergeben sich also bereichsübergreifende Schlussfolgerungen für das Management, die auch ohne psychologische Ausbildung leicht umsetzbar sind.
Das Bochumer Inventar zur berufsbezogenen Persönlichkeitsbeschreibung (BIP)
Das BIP testet den Befragten in vier Kategorien. Die Fragen beschäftigen sich mit beruflicher Orientierung, Arbeitsverhalten, psychischer Konstitution und sozialer Kompetenz. Danach wird deutlich, ob die Persönlichkeitsmerkmale mit den Anforderungen einer Arbeitsstelle übereinstimmen oder nicht.
Ungefähr 200 Aussagen sollten in 45-60 Minuten bei diesem Persönlichkeitstest anhand einer sechsstufigen Antwortskala getätigt werden. Der Befragte kann von „trifft voll zu“ bis „trifft gar nicht zu“ wählen.
Mitarbeiter*innen, deren Angaben sich häufig im Mittelfeld bewegen, erscheinen am Ende als durchschnittliche Persönlichkeit. BIP-Expert*innen sind jedoch in der Lage, die Fragebögen genauer zu untersuchen.
Es kann auch aufschlussreich sein, eine außenstehende Person mit in die Bewertung einzubinden (z.B. Kollegin). So lassen sich Übereinstimmungen und Abweichungen zwischen Fremd- und Selbstbild festlegen.
Diese Fragebögen sind u.a. beim Hogrefe-Verlag für ca. 400 Euro erhältlich. Das Auswertungsgespräch ist dabei noch nicht enthalten.
Die 5 Dimensionen des Big Five
Eine weitere Form ist der so genannte „Big Five“. Dieses Persönlichkeitsmodell unterscheidet zwischen 5 Dimensionen und benötigt eine Bearbeitungszeit von nur 10 Minuten. International ist dieser Test weit verbreitet und stößt auf große Akzeptanz. Wissenschaftliche Kritik ist zudem nicht bekannt.
Diagnostiziert wird dabei durch einen Fragebogen der Psychologen Paul T. Costa und Robert R. McCrae. Jede Frage wird durch eine fünfstufige Skala beantwortet.
Der Vorteil des Big Five ist, dass die aufgeführten Eigenschaften überschaubar und nicht von Tagesstimmungen abhängig sind. Die Tests können u.a. kostenlos im Internet absolviert werden.
Ausgewertet werden unter anderem Neurotizismus, Extraversion, Offenheit für Erfahrungen, Verträglichkeit und Rigidität (Gewissenhaftigkeit).
Der Neurotizismus beschäftigt sich mit dem Erleben und Verarbeiten negativer Gefühle. Erreicht eine Person hohe Werte, gilt sie hier als ängstlich, unsicher, angespannt und verlegen. Diese Empfindungen bleiben zudem länger bestehen als bei einer stabileren Person.
Bei der Extraversion wird die Begeisterungsfähigkeit einer Person behandelt. Extravertierte Persönlichkeiten gelten als herzlich, aktiv, optimistisch, heiter und gesellig. Dabei sind sie offen für Anregungen.
Des Weiteren wird untersucht, wie hoch das Interesse der Befragten ist, Neues auszuprobieren. Menschen, die in dieser Kategorie gute Ergebnisse erzielen, sind experimentierfreudig, wissbegierig, künstlerisch interessiert und phantasievoll. Sie mögen die Abwechslung und gelten als unkonventionell.
Auch die Verträglichkeit einer Person wird mit in das Testergebnis einbezogen. Das heißt, wie viel Vertrauen, Wohlwollen, Verständnis und Mitgefühl bringt jemand gegenüber anderen Menschen auf.
Der letzte Aspekt ist die Rigidität bzw. Gewissenhaftigkeit einer Person. Hohe Werte beschreiben hier eine überlegte und organisierte Person mit viel Verantwortungsbewusstsein.
Umstritten: Der Myers Briggs Typenindikator (MBTI)
Diese Form ist umstritten, da für ihn keine wissenschaftliche Begründung vorliegt. Trotzdem wird er verstärkt im Personalwesen eingesetzt, um das eigene Handeln zu reflektieren und dadurch eine persönliche Entwicklung herbei zu führen. Vor allem in den USA ist dieser Test sehr populär.
Die Basis des MBTI bilden die Persönlichkeitstypen C.G. Jungs. Diese wurden durch Katharina Briggs und ihre Tochter Isabel Myers ergänzt.
Außerorientierte (extrovertierte) Menschen sind kontaktfreudiger und breiter interessiert, während innerorientierte (introvertierte) Menschen als intensiv und konzentrierter gelten.
Die Kategorie Intuition/Sensing analysiert die Wahrnehmung der Wirklichkeit. Der „sensorische Geist“ orientiert sich eher an Details und verarbeitet exakte Informationen konkreter. Der „intuitive Geist“ verlässt sich auf seine Intuition und achtet mehr auf die Gesamtheit. Dadurch gilt er eher als zukunftsorientierter.
Die Kategorie Feeling/Thinking beleuchtet wie eine Person Entscheidungen trifft. Ein*e Denker*in betrachtet Situationen aus rationaler Perspektive und entscheidet anhand objektiver Daten. Eine fühlende Persönlichkeit lässt stärker ihr persönliches Wertesystem mit einfließen und bemüht sich alle Parteien bei der Lösungsfindung einzubeziehen.
Myers und Briggs fügten außerdem Judging/Perceiving hinzu. Dabei wird auch betrachtet, welcher Lebensstil von den Befragten gepflegt wird. Während Perceiving eine lange Offenheit für neue Eindrücke umschreibt, entscheidet die Judging-Persönlichkeit schon bevor sie alle Informationen erhalten hat. Während die erste Persönlichkeitsform spontaner und flexibler ist, verfügt die zweite über mehr Disziplin und Konsistenz.
Die Original-Fragebögen für den MBTI sind gegen Gebühr über lizenzierte Trainer erhältlich.
Tücken von Persönlichkeitstests
Big Five, MBTI und Co. sollen beim Erkennen von Potenzial und Kompetenzen helfen. Einige Methoden sind jedoch umstritten. Das liegt zum einen daran, dass einige dieser Tests nach wissenschaftlichen Kriterien durchfallen.
Grund dafür ist, dass jedes selbsteinschätzendes Verfahren dem Barnum-Effekt unterliegt. Befragte erkennen sich in vielen der Beschreibungen wieder. Diese sind aber eher allgemeingültig. Am Ende gelingt es auch nach diesen Test keine authentische und differenzierte Vorstellung eines Mitarbeiters zu erhalten.
Außerdem kommt hinzu, dass nur beobachtbares Verhalten mit in die Testergebnisse mit einbezogen werden kann. Eine bessere Vorgehensweise wäre jedoch, nach den Gründen für Schwächen und Stärken zu fragen.
Warum verfügt ein Mitarbeiter zum Beispiel über mehr Handlungsenergie als ein anderer?
Grund dafür könnte sein Anspruch sein, Themen mit Perfektion zu beenden. Er könnte jedoch auch nur daran interessiert sein, immer als Sieger aus einem Kampf hervorzugehen oder er möchte andere gern von den eigenen Visionen überzeugen.
An diesem Beispiel wird deutlich, dass eine nach außen gleich erscheinende Persönlichkeit drei unterschiedliche Beweggründe verbirgt. Das heißt, Motive und Bedürfnisse können zu einer differenzierteren Einschätzung führen.
Eine weitere Tücke der Persönlichkeitstests ist, dass unehrlich geantwortet werden kann. Die Mitarbeiter*innen haben natürlich eine Vorstellung davon, welche Ergebnisse von den Vorgesetzten bevorzugt werden.
Für Mitarbeitenden-Potenzialentwicklungen sind diese Tests deshalb keine Ausgangsposition, es sei denn die Mitarbeiter*innen lassen sich aus eigenem Antrieb darauf ein.
Bedenken Sie außerdem, dass Personalentwicklung nicht von heute auf morgen funktioniert und sich Persönlichkeiten weiterentwickeln!
Merktipp
Personaltests können eine erste Orientierung geben, um sich einen Überblick über einzelne Mitarbeiterpersönlichkeiten zu verschaffen. Allein auf diese Maßnahme sollten sich Personaler jedoch nicht fixieren, da einige Tests kritisch zu betrachten und die Testergebnisse manipulierbar sind.
Quellen
- Psychologische Online-Tests via Psychomeda
- Sind Persönlichkeitsmodelle für Mitarbeiterentwicklung geeignet? (Teil 1) via gbcc