Die Definition von sexueller Belästigung
Sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz kann in verschiedenen Formen auftreten und ist nicht immer leicht einzuordnen. Das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG) gibt uns eine rechtliche Grundlage, um sexuelle Belästigung zu verstehen. Darunter fällt laut § 3 Absatz 4 AGG unerwünschtes, sexuell bestimmtes Verhalten, das die Würde der betroffenen Person verletzt oder beabsichtigt, dies zu tun. Diese Verhaltensweisen können von verbalen Äußerungen bis hin zu körperlichen Berührungen und dem sichtbaren Anbringen von pornografischen Darstellungen reichen.
In vielen Fällen geht sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz mit Einschüchterung, Anfeindung, Erniedrigung oder Beleidigung einher. Dabei steht nicht primär das sexuelle Interesse an der betroffenen Person im Vordergrund, sondern vielmehr der Versuch, Macht auszuüben. Aus diesem Grund hat sich vermehrt der Begriff “sexualisierte Belästigung” etabliert, der nicht nur auf die sexuellen Absichten, sondern auch auf das zugrundeliegende Machtgefälle zwischen den Beteiligten hinweist, welches diese Form der Belästigung begünstigt.
Wo fängt sexuelle Belästigung an?
Die Bestimmung, ab wann harmloses Flirten in sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz übergeht, ist von entscheidender Bedeutung, um das Problem wirksam anzugehen. Oftmals ist diese Grenze nicht eindeutig, und sie kann von Person zu Person unterschiedlich sein. Laut einer Studie der Antidiskriminierungsstelle aus dem Jahr 2019 war jede elfte befragte Person in den vergangenen drei Jahren von sexueller Belästigung am Arbeitsplatz betroffen. Dabei gaben 62 % der Befragten an, mit unangemessenen sexualisierten Kommentaren und Witzen belästigt worden zu sein, gefolgt von 44 %, die unerwünschte belästigende Blicke, Gesten und Nachpfeifen erlebten. Sexuelle Belästigung kann in verschiedenen Formen auftreten, ob verbal, non-verbal oder physisch. Es gibt einige Aspekte, die zusätzlich helfen können, um sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz zu identifzieren:
- Einvernehmlichkeit: Der entscheidende Faktor bei jeglicher sexueller Annäherung ist die Einvernehmlichkeit aller beteiligten Parteien. Solange beide Personen ausdrücklich zustimmen und sich wohl fühlen, kann es sich um harmloses Flirten handeln.
- Machtungleichgewicht: Sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz tritt häufig in Situationen auf, in denen ein Machtungleichgewicht zwischen den Beteiligten besteht. Dies kann in Form von Hierarchien am Arbeitsplatz auftreten, wenn beispielsweise eine Person mit höherem Rang versucht, sich einer Person mit niedrigerem Rang anzunähern. Ein solches Ungleichgewicht kann die Zustimmung der unterlegenen Partei in Frage stellen.
- Wiederholung: Ein einzelner unangemessener Kommentar oder eine unangebrachte Handlung kann als Belästigung angesehen werden, insbesondere wenn sie wiederholt wird. Wiederholte Vorfälle deuten darauf hin, dass es sich nicht um einen einmaligen Fehler handelt, sondern um ein systematisches Problem.
- Inakzeptable Inhalte: Jeder Inhalt, sei es verbal, schriftlich oder visuell, der pornografisch, obszön oder beleidigend ist, kann als sexuelle Belästigung betrachtet werden. Solche Inhalte sind am Arbeitsplatz niemals akzeptabel.
Die Feststellung, ob sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz vorliegt, erfordert oft eine genaue Prüfung der Umstände und eine Sensibilisierung für die Gefühle und Reaktionen der Betroffenen.
Auswirkungen auf Betroffene
Sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz kann verheerende Auswirkungen auf die betroffenen Personen haben, die weit über den unmittelbaren Vorfall hinausgehen. Es ist wichtig, diese Auswirkungen zu verstehen, um die Dringlichkeit der Prävention und des Eingreifens zu erkennen. Hier sind einige der möglichen Konsequenzen für die Betroffenen:
- Psychische Belastung: Das permanente Gefühl der Unsicherheit und des Missbrauchs kann schwerwiegende Auswirkungen auf die psychische Gesundheit haben. Das kann sich bei Betroffenen in Stress, Angstzuständen, Depressionen oder Schlafstörungen entwickeln.
- Körperliche Gesundheit: Die psychische Belastung kann sich auf die physische Gesundheit auswirken und zu Kopf- und Bauchschmerzen, Verspannungen und anderen gesundheitlichen Problemen führen.
- Berufliche Auswirkungen: Sexuelle Belästigung beeinträchtigt die berufliche Leistung und das Selbstvertrauen der Betroffenen. Dies kann zu Abwesenheit, reduzierter Produktivität und sogar zur Kündigung führen.
- Soziale Auswirkungen: Betroffene ziehen sich oft sozial zurück und isolieren sich. Dies kann zu Problemen in ihren sozialen Beziehungen und zu einem allgemeinen Verlust an Lebensqualität führen.
- Rechtliche Auswirkungen: In einigen Fällen führt sexuelle Belästigung zu rechtlichen Schritten, die den Betroffenen zusätzlichen Stress und Druck verursachen können.
Die Auswirkungen von sexueller Belästigung erstrecken sich nicht nur auf die betroffene Person, sondern können auch das gesamte Arbeitsumfeld belasten. Arbeitgeber*innen haben daher nicht nur eine moralische, sondern auch eine geschäftliche Verantwortung, solche Vorfälle zu verhindern und angemessen darauf zu reagieren. Eine respektvolle Arbeitsumgebung fördert das Wohlbefinden der Mitarbeitenden und trägt zur langfristigen Stabilität und Produktivität des Unternehmens bei.
Unterstützung für Betroffene: Wie Sie helfen können
Wenn Sie bemerken, dass jemand am Arbeitsplatz sexuell belästigt wird oder vermuten, dass sich die belästigte Person unwohl fühlt, ist es wichtig, aktiv zu handeln und der betroffenen Person beizustehen. Oft wissen Betroffene möglicherweise nicht, wie sie reagieren sollen, und Ihr Eingreifen kann von Bedeutung sein. Ein einfaches “Alles okay bei Ihnen?” kann schon ausreichen, um der Person das Gefühl zu geben, dass sie nicht allein mit der Situation ist.
Wenn Sie sich sicher fühlen, können Sie die Person, die belästigendes Verhalten zeigt, auch direkt ansprechen. Verwenden Sie dabei die Drei-Schritt-Methode, um Ihre Sicht auf die Situation klar zu kommunizieren:
- Sprechen Sie aus, was Sie beobachtet haben.
- Teilen Sie mit, wie Sie die Situation einschätzen.
- Fordern Sie, was in Zukunft getan oder gelassen werden soll
Zum Beispiel, wenn Sie sehen, wie eine Kollegin einem anderen Kollegen auf den Oberschenkel fasst, könnten Sie sagen: “Ich habe gesehen, wie Sie ihm auf den Oberschenkel gefasst haben und ich habe den Eindruck, dass er sich dabei unwohl gefühlt hat. Ich empfinde das als sehr übergriffig. Unterlassen Sie das bitte!”
Vorkehrungen als Arbeitgeber*in: 5 Maßnahmen
Als verantwortungsbewusste Führungskraft ist es von höchster Bedeutung, proaktiv Schritte zu unternehmen, um sexueller Belästigung am Arbeitsplatz vorzubeugen. Im Folgenden werden fünf präventive Maßnahmen vorgestellt, die Sie als Arbeitgeber*in ergreifen können, um sicherzustellen, dass Ihr Unternehmen eine sichere und respektvolle Arbeitsumgebung bietet.
1. Managementbeteiligung
Die Führungsebene und der Vorstand müssen betonen, dass das Unternehmen eine klare Null-Toleranz-Politik gegenüber sexueller Belästigung am Arbeitsplatz verfolgt. Diese Richtlinien gelten für alle im Unternehmen, ungeachtet ihrer Position. Das Management sollte regelmäßig Belästigungsstatistiken überprüfen, wie die Anzahl der eingegangenen Meldungen oder die durchschnittliche Bearbeitungsdauer der Fälle. Zusätzlich ist es wichtig, dass die Führungskräfte die Richtlinien gegen Belästigung am Arbeitsplatz unterzeichnen und an Schulungsmaßnahmen teilnehmen.
2. Vertrauliche Meldewege sicherstellen
Stellen Sie sicher, dass Ihre Mitarbeitenden eine Vertrauensperson oder eine klar definierte Beschwerdestelle im Unternehmen haben, an die sie sich wenden können. Diese sollte die Möglichkeit bieten, Belästigungsfälle vertraulich zu melden. Gewährleisten Sie, dass Mitarbeitende, die Belästigung melden, ohne Furcht vor negativen Konsequenzen handeln können. Dies schafft Vertrauen und ermutigt Betroffene, sich bei Bedarf Gehör zu verschaffen und ihre Anliegen in einer sicheren Umgebung anzusprechen.
3. Etablieren einer Richtlinie
Implementieren Sie eine Unternehmensrichtlinie gegen sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz, die von allen Angestellten anerkannt werden muss. Diese Richtlinie sollte eine präzise Definition von sexueller Belästigung beinhalten, Informationen über die internen Meldewege im Unternehmen bereitstellen und den Prozess zur Untersuchung von Vorwürfen sowie mögliche Disziplinarmaßnahmen, inklusive Kündigungen, umfassen.
4. Durchführung von Schulungen
Es ist von entscheidender Bedeutung, Schulungen für alle Mitarbeitenden anzubieten, um das Bewusstsein für unangemessenes Verhalten und unerwünschte Annäherungsversuche am Arbeitsplatz zu schärfen. Diese Schulungen dienen nicht nur der Sensibilisierung, sondern fördern auch das Gemeinschaftsgefühl und stärken das Sicherheitsbewusstsein.
5. Proaktive Maßnahmen ergreifen
Statt auf Hinweise Ihrer Mitarbeitenden zu warten, sollten Sie proaktiv sein, beispielsweise durch die Integration von Fragen zu Erfahrungen mit Belästigung und der Nutzung der Meldewege in Ihre jährlichen Mitarbeiterumfragen. Dies ermöglicht wertvolle Erkenntnisse zur Effektivität Ihrer internen Meldesysteme.
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Quellen
- Studie:
https://www.antidiskriminierungsstelle.de/SharedDocs/downloads/DE/publikationen/Expertisen/umgang_mit_sexueller_belaestigung_am_arbeitsplatz_kurzfassung.html?nn=305352 - Antidiskriminierungsstelle:
https://www.antidiskriminierungsstelle.de/DE/ueber-diskriminierung/lebensbereiche/arbeitsleben/sexuelle-belaestigung-am-arbeitsplatz/sexuelle-belaestigung-am-arbeitsplatz-node.html - AGG:
https://www.antidiskriminierungsstelle.de/SharedDocs/downloads/DE/publikationen/AGG/agg_gleichbehandlungsgesetz.pdf?__blob=publicationFile
https://www.arbeitsrechte.de/sexuelle-belaestigung-am-arbeitsplatz/#Wo_beginnt_sexuelle_Belaestigung_am_Arbeitsplatz_Eine_Definition - Hilfetelefon:
https://www.hilfetelefon.de/gewalt-gegen-frauen/sexuelle-belaestigung-am-arbeitsplatz.html - “Sexualisierte Belästigung”:
https://macht-immer-sinn.de/stark-gegen-sexuelle-belaestigung/ - Maßnahmen für Führungskräfte
https://www.eqs.com/de/compliance-wissen/blog/sexuelle-belaestigung-am-arbeitsplatz/