Die Anfänge
Der Schöpfer der Mnemotechnik soll der griechische Dichter Simonides von Keos gewesen sein. Der Überlieferung nach war er als Redner bei einem festlichen Anlass geladen, verließ den Festsaal jedoch, um mit zwei Männern vor der Tür zu sprechen, die nach Simonides verlangt hatten.
Zwar fand er niemanden vor, entging aber dadurch dem sicheren Tod: Während er noch draußen wartete, stürzte das Dach über der Festgesellschaft zusammen, und begrub die Menschen unter sich. Ihre Leichen waren in einem so verheerenden Zustand, dass sie nicht mehr identifiziert werden konnten.
Simonides erinnerte sich jedoch daran, wer wo an der Tafel gesessen hatte, und konnte so behilflich sein, die Angehörigen der Verstorbenen zu ihren toten Familienmitgliedern zu führen.
Dieses eindrückliche Erlebnis brachte dem Dichter die Erkenntnis, dass die Ordnung als Grundsatz eines guten Gedächtnisses gelten müsse. Dies war die Geburtsstunde der Loci-Technik – der wohl bekanntesten Mnemotechnik.
Vier Mnemotechniken für Ihren Alltag
1. Die Loci-Technik
Der Lernende wählt einen ihm sehr vertrauten Weg oder ein wohlbekanntes Zimmer. Mit dem Ort, den er mit allen markanten Punkten leicht visualisieren kann, verknüpft er nun die zu lernenden Inhalte. Man kann nach demselben Prinzip auch am eigenen Körper Pfade anlegen.
Beispiel:
Sie legen die einzelnen Positionen Ihrer Einkaufsliste mit der Loci-Methode gedanklich auf Ihrem Körper ab: Stellen Sie sich vor, dass Sie auf dem Kopf einen Karton mit Eiern balancieren. An den Ohrläppchen hängen Sie in Ihrer Vorstellung Weintrauben auf. Um den Hals visualisieren Sie die Spaghetti, auf den Schultern Milchtüten. Um die Hüften legen Sie einen Gürtel aus Wiener Würstchen, die Knie werden mit Tomaten versehen, und an den Knöcheln erinnert Sie ein Schaumberg an das einzukaufende Duschgel.
2. Eselsbrücken und Merksätze
Sicher haben Sie schon einmal mit Hilfe von Sätzen Dinge gelernt:
- Nie ohne Seife waschen – das ist die Abfolge der Himmelsrichtungen Norden, Osten, Süden, Westen.
- Ein Anfänger der Gitarre habe Eifer – hier soll die Reihenfolge der Gitarrensaiten (E, A, D, G, H, E) im Gedächtnis bleiben.
- Mein Vater erklärt mir jeden Sonntag unseren Nachthimmel – damit prägt man sich die Abfolge der Planeten im Sonnensystem ein, vom sonnennächsten Planeten Merkur, über die Venus zur Erde, und weiter mit Mars, Jupiter, Saturn, Uranus und Neptun.
Die drei Beispielsätze folgen alle dem Prinzip, einprägsame Sätze mit Worten mit denselben Anfangsbuchstaben wie den zu memorierenden Begriffen zu bilden. Alternativ kann man aber auch Reime entwerfen, wie beispielsweise:
- Der Bauch vom Rex, der ist konvex (konvex ist die Wölbung nach außen, konkav nach innen).
- Wer „nämlich“ mit h schreibt, ist dämlich (Rechtschreibung).
- Zuerst das Wasser, dann die Säure, sonst geschieht das Ungeheure (Regel zum Mischen von Wasser und Säure).
3. Die Geschichten-Technik
Wenden Sie diese Technik an, indem Sie die Lerninhalte in eine selbst erfundene Geschichte einbauen. Der Vorteil dieser Herangehensweise besteht darin, dass auf diese Weise bildlich und assoziativ gelernt wird, was das Abrufen des Gelernten später erleichtert. Je ungewöhnlicher, schräger und kreativer die Bilder sind, die Sie entwickeln, desto wirksamer.
Beispiel:
Sie möchten sich die ersten sechs Elemente des Periodensystems der Elemente einprägen. Folgende Geschichte könnten Sie dazu entwerfen:
Auf einem großen Gewässer (Wasserstoff) schwimmt ein Schiffchen, an dem ein Luftballon festgemacht ist, der selbstverständlich mit Helium (Helium) gefüllt ist. Im Schiffchen sitzt eine weinende Sirene, die Gas aus dem Ballon inhaliert, und dadurch ihre Singstimme verloren hat. Sie nimmt ein Antidepressivum (Lithium). Jetzt fühlt sie sich besser und versucht zu singen, brummt aber nun wie ein Bär (Beryllium)! Bevor sie sich darüber grämen kann, kommt ein großer Fisch mit einem Bohrer (Bor) angeschwommen, der – von ihrem Gesang dazu getrieben – ihr Schiffchen anbohrt, so dass sie ins Wasser sinkt und zu schwarzer Steinkohle (Kohlenstoff) erstarrt.
4. Zahlen über Bilder erinnern
Diese Technik setzt voraus, dass Sie sie regelmäßig anwenden, denn Ihre individuellen Symbole für die einzelnen Ziffern müssen Ihnen in Fleisch und Blut übergehen. Ein Beispiel für eine Bildertafel sehen Sie hier:
Beispiel:
Sie möchten sich einen Pincode einprägen. Dieser lautet 238541. Sie können sich nun also merken: Ein Schwan schwimmt in einen Dreizack. Vor seinem inneren Auge läuft bereits die Zeit in seiner Sanduhr ab, als eine rettende Hand ihn aus seiner misslichen Lage befreit. Das war Glück – er klebt mit einem großen Kleeblatt seine Wunde zu, und zündet eine Kerze an, zum Dank für seine Rettung.
Es gibt noch einige andere Mnemotechniken. Sie alle können grundsätzlich immer dann zur Anwendung kommen, wenn etwas exakt auswendig gelernt werden muss, beispielsweise Definitionen, Regeln, Stichpunkte Ihres Vortrags, Artikel-Bezeichnungen und so weiter. Sie werden sich die Inhalte lange und auch in der richtigen Reihenfolge merken können – das menschliche Gedächtnis speichert leichter sinnliche und vor allem bildhafte Eindrücke, als abstrakte Begriffe und Ziffern.
Ach ja…Was wollten Sie noch einkaufen?