Bei der Rekrutierung neuer Mitarbeiter liegt der Fokus häufig nur auf der Sichtung der Bewerber, der Überprüfung fachlicher Kriterien und schließlich bei der Entscheidung für den idealen Kandidaten.
Doch beim immer härteren Wettbewerb um die besten Kräfte ist die Eingliederung neuer Mitarbeiter eine der größten Herausforderungen für Personaler. Denn schlecht integrierte Mitarbeiter sind im schlimmsten Fall auch weniger informiert und motiviert – was sich in der Arbeitsleistung niederschlagen kann. Dem sogenannten Onboarding kommt damit eine nicht zu unterschätzende Bedeutung zu. Der Aufwand, der für die Integration neuer Mitarbeiter in das Unternehmen betrieben werden sollte, ist zwar hoch, aber lohnt sich: Eine Befragung von Personalverantwortlichen kam zu dem Ergebnis, dass 84 % ihr Onboarding schon in der Preboarding-Phase starten und das Potenzial eines frühen Onboardings nutzen.
Wozu gibt es Onboarding?
Wenn von Anfang an in die umfassende Integration neuer Kollegen investiert wird, macht sich das schnell bezahlt. So lässt sich zum einen die Zeit verkürzen, bis ein Mitarbeiter seine volle Leistung einbringen kann. Zum anderen wird der Mitarbeiter stärker an das Unternehmen gebunden.
Von großer Bedeutung ist darüber hinaus vor allem der soziale Faktor. Die Vernetzung innerhalb des Unternehmens ist dabei ebenso wichtig wie die Identifikation mit dem Unternehmen und dessen Kultur, Werten und Ethik.
Wird sich lediglich auf den fachlichen Aspekt konzentriert und das Unternehmen nur von dieser Seite kennengelernt, folgt schnell ein emotionaler Durchhänger – meist zwischen dem siebten und elften Monat. Dies kann der erste Schritt zur so genannten inneren Kündigung sein. Betroffene Mitarbeiter nutzen dabei nur einen geringen Teil ihres Potentials, weil ihnen die emotionale Bindung an das Unternehmen fehlt und sie deshalb ihrer Tätigkeit nicht aus innerem Antrieb nachgehen. Vor allem in kleinen und mittelständischen Unternehmen wird der Aspekt der Mitarbeiterbindung häufig vernachlässigt.
Doch bereits vom ersten Kontakt an lässt sich das Verhältnis zwischen Unternehmen und Arbeitnehmer dahingehend beeinflussen, dass einerseits schnell mit hoher Produktivität und andererseits langfristig geringerer Fluktuation gerechnet werden kann. Dabei spielt die emotionale Bindung des Mitarbeiters eine zentrale Rolle, sprich: Was verbinde ich mit “meinem” Unternehmen? Eine Identifikation des Mitarbeiters mit seinem Arbeitgeber fällt umso schwerer, je später entsprechende Maßnahmen durchgeführt werden.
So ist vor allem die erste Zeit im Unternehmen entscheidend. Denn wer einen neuen Job antritt, ist ständig auf der Suche nach Belegen dafür oder dagegen, dass er die richtige Wahl getroffen hat. Und ob er es als Sprung in das unangenehm kalte oder angenehm temperierte Wasser empfindet, lässt sich auch übersetzen als: Bin ich willkommen oder nicht?
Die jedem Unternehmen eigenen, ungeschriebenen Gesetze und impliziten Erwartungen an die Mitarbeiter erweisen sich dabei als größte zu nehmende Hürde.
Viele Mitarbeiter müssen wir erst darauf vorbereiten, wie sie sich am Arbeitsplatz zurecht finden und wie sie gute Mitarbeiter werden können. Dies muss noch vor dem eigentlichen Kompetenz- oder Technologietraining erfolgen.
Karen M. Muros, Human Resources Expertin
Erfolgreiches Onboarding beginnt damit schon vor dem Tag, an dem der neue Mitarbeiter seinen Arbeitsvertrag unterschreibt. Und endet nicht mit der Einarbeitung in die neue Tätigkeit. Vielmehr ist es ein Prozess, der bereits mit der genauen Beschreibung der zu besetzenden Stelle beginnt und erst endet, wenn der neue Mitarbeiter im Unternehmen “angekommen ist” – fachlich wie menschlich.
Die Maßnahmen erfolgreichen Onboardings lassen sich zwei verschiedenen Phasen zuordnen: Die erste Phase beginnt mit der Erstellung des Stellengesuchs und endet mit der Unterzeichnung des Arbeitsvertrags. Hier beginnt die zweite Phase, die idealerweise erst mit der vollständigen Integration des neuen Mitarbeiters endet. Im Folgenden stellen wir Ihnen die wichtigsten Maßnahmen in chronologischer Reihenfolge vor. Wichtig ist, dass der angewendete Maßnahmenkatalog standardisiert wird und somit alle neuen Mitarbeiter auf die gleiche Art und Weise behandelt werden.
So gelingt erfolgreiches Onboarding
1. Onboarding beginnt mit der Stellenanzeige!
Ein genaues Anforderungsprofil für die Stelle muss erstellt werden. Je präziser die spätere Tätigkeit beschrieben wird, umso besser geeignete Bewerber lassen sich finden. Damit lässt sich bereits im Vorfeld verhindern, dass der neue Mitarbeiter später Probleme bei der Bewältigung seiner Aufgaben hat.
2. Das Vorstellungsgespräch als Teil des Onboardings!
Auch hier gilt es, dem Bewerber möglichst genau seine Aufgaben im Unternehmen zu schildern. Darüber hinaus sollte er mit den Arbeitsbedingungen und den Erwartungen, mit denen er konfrontiert sein wird, vertraut gemacht werden. Denn dadurch kann auch er besser einschätzen, ob der Job das Richtige für ihn ist.
Sollten fachliche Defizite vorliegen, die sich mittels entsprechender Weiterbildungsmaßnahmen beseitigen lassen, so können diese bereits an diesem Punkt in Erwägung gezogen und besprochen werden.
Bei der endgültigen Entscheidung für einen Bewerber sollten laut Doris Brenner dessen zukünftige Mitarbeiter miteinbezogen werden, um zwischenmenschliche Spannungen schon im Vorfeld auszuschließen.
3. Schaffen Sie nach Vertragsunterzeichnung ein Wir-Gefühl!
Noch vor seinem ersten Arbeitstag sollte der neue Kollege möglichst gut an das Unternehmen gebunden werden. Sich selbst als Teil davon zu empfinden, ist wichtig, um ein Wir-Gefühl zu entwickeln. Hilfreiche Mittel hierbei sind beispielsweise die Einladung zu Betriebsfeiern oder Teamveranstaltungen. Dort kann der neue Kollege erste Kontakte knüpfen und das Unternehmen von innen kennenlernen. Weiterhin hilfreich ist das Überreichen kleiner Gefälligkeiten, z.B. Werbeartikeln oder auch das Zustellen der Betriebszeitung.
4. Beachten Sie die 3 Ebenen der Integration bei neuen Mitarbeitern!
Ein gelungenes Onboarding umfasst die Integration des neuen Mitarbeiters auf drei Ebenen: der fachlichen, der sozialen und der werteorientierten. Die beiden letztgenannten umfassen die Eingliederung in das Kollegenumfeld und die Übernahme der Ziele und Werte des Unternehmens und werden häufig vernachlässigt. Dabei lassen sich diese beiden Integrationsdimensionen recht einfach mit einbeziehen.
Gruppenarbeiten und Workshops sind weitere Maßnahmen, ebenso wie informelle Treffen, beispielsweise bei gemeinsamen Freizeitveranstaltungen. Einem anfänglichen Gefühl von Überforderung, wie es bei einem neuen Job auftreten kann, wirkt das Wissen, mit anderen “im selben Boot zu sitzen” zuverlässig entgegen.
5. Geben Sie dem Mitabreiter Zeit, um sich zu orientieren!
Ebenfalls vor der eigentlichen Einarbeitung in den fachlichen Teil sollten neue Mitarbeiter “einen Orientierungsprozess durchlaufen, in dem sie die Rechte und Pflichten als Mitarbeiter in ihrem Unternehmen kennen lernen”.
6. Stellen Sie Mentoren zur Verfügung!
Auch die entsprechende Abteilung, in welcher der neue Kollege zukünftig arbeiten wird, sollte miteinbezogen werden. Dies kann beispielsweise durch freiwillige Paten und Mentoren geschehen, die ihrem neuen Kollegen mit Informationen aus erster Hand das Ankommen erleichtern können. Das Einbeziehen der Kollegenschaft ist zudem ein effektives Mittel, um dem Entstehen von Neid und Missgunst gegenüber dem Neuling entgegen zu wirken.
7. Geben Sie stets Feedbackgespräche und fördern Sie Gruppenarbeiten!
Bei der fachlichen Einarbeitung gibt es weitere zu beachtende Kniffe, um das Ankommen zu erleichtern. Doris Brenner empfiehlt die Arbeit im Team, damit der Neuling die Möglichkeit bekommt, direkt vom Wissen der Betriebsälteren zu profitieren. Auch hier spielt die soziale Komponente eine wichtige Rolle und es wird die Möglichkeit des Netzwerkens geboten.
Des Weiteren sind regelmäßige Feedbackgespräche sehr hilfreich, um die genauen Erwartungen seitens des Unternehmens zu kommunizieren und den Mitarbeiter darüber zu informieren, wo er aktuell steht.
Über Zielvereinbarungen lässt sich die Entwicklung des “Neuen” in die richtige Richtung lenken. Das Betonen bereits erreichter Fortschritte bringt erste Erfolgserlebnisse. Dem Neuling wird damit außerdem gezeigt, dass er individuell geschätzt und nicht sich selbst überlassen wird.
8. Stellen Sie alle Abteilungnen des Unternehmens vor!
Indem man den neuen Mitarbeiter auch in andere, mit seinem Tätigkeitsfeld verbundene Abteilungen “hineinschnuppern” lässt, gibt man ihm die Möglichkeit, die eigene Arbeit im Kontext und ihre Wichtigkeit für das Unternehmen zu sehen. Das erzeugt einen weiteren Ansporn.
9. Setzen Sie Online-Ressourcen ein!
Vor allem in größeren Unternehmen mit mehreren Niederlassungen kann der Einsatz zentraler Online-Ressourcen mit allen notwendigen Informationen hilfreich sein. Ergänzend zu persönlichen Ansprechpartnern vor Ort, haben neue Mitarbeiter dabei die Möglichkeit, sich ihrem eigenen Tempo und Zeitplan entsprechend das für sie relevante Wissen anzueignen. Einem Informationsgefälle und damit einhergehend auch qualitativen Schwankungen des Onboardingprozesses zwischen den einzelnen Zweigstellen kann auf diese Weise gut entgegengewirkt werden.
10. Unterstützen Sie bei der Suche nach einer neuen Wohnung!
Ist der neue Job mit einem Wechsel des Wohnortes verbunden, rät Doris Brenner auch zur Nutzung so genannter Relocation Services. Diese bieten Unterstützung bei der Suche nach einer neuen Wohnung und der Bewältigung diverser bürokratischer Angelegenheiten, die mit einem Umzug einhergehen und ermöglichen es damit dem neuen Mitarbeiter, sich ganz auf die kommende Tätigkeit zu konzentrieren.
Schlussfolgerung
Die möglichen Maßnahmen sind mit dieser Aufzählung selbstverständlich nicht erschöpft. Während manche Punkte unabdingbar sind, sind andere auch vom jeweiligen Unternehmen und nicht zuletzt auch von dessen Größe abhängig. So lassen sich in Kleinbetrieben, in denen eher geringe Fluktuation herrscht, die Ressourcen für die Erstellung eines standardisierten Onboarding-Konzepts sicherlich eher einsparen, da auch die Nähe zwischen den Mitarbeitern und dem Unternehmen eine andere ist. Doch unabhängig davon ist es für eine hohe Mitarbeiterbindung und, damit einhergehend, positive Identifikation mit dem Unternehmen zentral, dass eine Eingliederung nicht nur von fachlicher Seite aus geschieht, sondern auch soziale und werteorientierte Aspekte miteinbezogen werden.
Quellen
- Haufe Onboarding Studie 2023
- Onboarding: Die Checkliste für den optimalen Prozess
- Onboarding: HR-Strategien für die Einarbeitung neuer Mitarbeiter
- Führungskräfte: Blutige Nasen in der Neuen Welt
- So bindet man mit richtigem Onboarding Talente an sich
- Doris Brenner: Onboarding. Springer Essentials, 2014