Was versteht man unter Social Compliance?
Der Überbegriff Corporate Social Responsibility (CSR) bezeichnet die gesamte gesellschaftliche Verantwortung von Unternehmen für die positiven und negativen Auswirkungen ihres Geschäftsmodells auf die Gesellschaft. Social Compliance, steht als Teil der CSR für die Beurteilung und die laufende Überwachung der Arbeitsbedingungen in den Produktionsstätten der Unternehmen.
Social Compliance existiert in verschiedenen Bereichen der Arbeitswelt. Betroffen sind nicht nur die Unternehmen selbst, sondern auch ihre internationalen Zulieferer.
Denn durch die Auslagerung der Produktion auf verschiedene Ländern und Zuarbeiter steigen auch die Risiken innerhalb der Produktionskette soziale Verantwortlichkeiten zu missachten: Die wichtigsten Bereiche von Social Compliance umfassen:
- Kinderarbeit
- Versammlungsfreiheit
- Gleichbehandlung
- Arbeitszeit, Arbeitsentgelt und Sozialleistungen
- Zwangsarbeit und disziplinarische Maßnahmen
- Misshandlung und Belästigung
- Gesundheit und Sicherheit
- Umwelt und Verfahren bei der Vergabe von Aufträgen
In welchen Bereichen spielt Social Compliance eine Rolle?
Kinderarbeit
Weltweit gibt es jedoch 160 Millionen Kinderarbeiter zwischen 5 und 17 Jahren, so die Schätzung der UNICEF, der International Labour Organization (ILO) und der Weltbank Kinderarbeiter.
79 Millionen davon arbeiten unter gefährlichen oder ausbeuterischen Bedingungen, so etwa in den Goldminen von Burkina Faso, auf Kakaoplantagen in der Elfenbeinküste, auf Baumwollfeldern in Indien oder auf Farmen in Lateinamerika.
Deutsche Unternehmen aus allen Branchen, bspw. Dallmayr Kaffee oder der Süßigkeitenriese Katjes sowie der französische Bekleidungshersteller Pimkie wurden in der Vergangenheit bereits mit Kinderarbeit in Verbindung gebracht.
Die betroffenen Unternehmen kamen der Social Compliance nicht nach und schädigten so ihren Ruf und nicht zuletzt die arbeitenden Kinder selbst.
Versammlungsfreiheit
In Deutschland ist die Versammlungsfreiheit ein Grundrecht (Art 8). Das Recht auf öffentliche Versammlung ermöglicht aber erst das gemeinsame Vorgehen gegen Missstände im Arbeitsumfeld.
In diesem Zusammenhang steht auch das Recht auf Kollektivverhandlungen (collective bargaining), bei denen Beschäftigte gemeinsam für eine Verbesserung ihrer Arbeitsverträge eintreten.
Die Versammlungsfreiheit als Teil der Social Compliance von Unternehmen ermöglicht es Beschäftigten damit selbstbestimmt die eigene Situation zu verbessern, und Führungskräfte auf Mängel aufmerksam zu machen.
Gleichbehandlung
Das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG), auch Antidiskriminierungsgesetz genannt, soll in Deutschland „Benachteiligungen aus Gründen der Rasse oder wegen der ethnischen Herkunft, des Geschlechts, der Religion oder Weltanschauung, einer Behinderung, des Alters oder der sexuellen Identität […] verhindern oder […] beseitigen“ (§1 AGG).
Dennoch halten gemäß einer Umfrage im Jahr 2015 60% der Befragten in Deutschland Diskriminierungen wegen der ethnischen Herkunft für verbreitet, 51% solche wegen der Geschlechtsidentität und 48% solche wegen der Religion. 71% der Befragten einer weiteren Umfrage sehen Frauen in Deutschland noch immer als in Beruf und Gesellschaft benachteiligt an.
Nur mit klaren Social Compliance Richtlinien im Unternehmen, die Rechte und Identitäten schützen und diskriminierendes Verhalten unterbinden, können sich demnach alle Mitarbeiter ungehindert und effektiv ins Unternehmen einbringen.
Arbeitszeit
Im deutschen Arbeitszeitgesetz (ArbZG) sind die Arbeits- und Ruhezeiten der Arbeitnehmer in Deutschland geregelt. Die erlaubte tägliche Arbeitszeit beträgt bspw. acht Stunden (in Ausnahmefällen mehr) und bei einer Arbeitszeit von mehr als sechs Stunden muss eine Ruhepause von mindestens 30 Minuten, bei bis zu neun Stunden eine Ruhepause von 45 Minuten eingehalten werden.
In anderen Ländern sind die Arbeitszeiten jedoch nicht so streng geregelt bzw. werden nicht entsprechend überwacht. In Kambodscha wurden zum Beispiel 2015 1806 Ohnmachtsfälle gemeldet.
Diese gehen auf Überstunden in schlecht belüfteten Räumen und die chemischen Ausdünstungen von Textilien zurück. Die Auslagerung von Produktionsprozessen wie nach Kambodscha enthaftet internationale Firmen nicht, von ihrer sozialen Verantwortung solchen Vorkommnissen Rechnung zu tragen
Arbeitsentgelt und Sozialleistungen
Am 1. Oktober 2022 wurde in Deutschland der gesetzliche Mindestlohn von 12 Euro eingeführt. Im Sozialgesetzbuch (SGB) sind unter §11 außerdem Sozialleistungen geregelt, die Dienst-, Sach- und Geldleistungen (Sozialleistungen) umfassen und jedem in Deutschland ein menschenwürdiges Dasein ermöglichen sollen.
Dadurch ist man bei Krankheit, Arbeitsunfällen, Pflegebedürftigkeit, Arbeitslosigkeit und im Alter abgesichert. Auch die Kriegsopferfürsorge und das Arbeitslosengeld 2 (auch bekannt als Hartz IV) zählen zu den Sozialleistungen.
Weltweit gehen die Gehälter jedoch weit auseinander. Erntehelfer in Italien verdienen teilweise nur etwa 3 Euro die Stunde, in manchen Fällen gar nur 50 Cent. Italien bleibt eines von nur fünf EU-Ländern, in denen es weiterhin keinen gesetzlichen Mindestlohn gibt.
Sogenannte Existenzlöhne innerhalb der Social Compliance ermöglichen erst menschenwürdige Arbeitsbedingungen, bei denen die Beschäftigten sich und ihre Familien ernähren können.
Zwangsarbeit und disziplinarische Maßnahmen
Mangelnde Social Compliance in der Überwachung der Arbeitszeiten steht auch in Zusammenhang mit Zwangsarbeit – immer dann wenn die Arbeiter vor Ort zu unverhältnismäßigen Überstunden gezwungen werden, auch mit Gewalt. Weltweit sind branchenübergreifend ca. 28 Millionen Menschen von Zwangsarbeit betroffen. Daraus ergeben sich für Unternehmen rund 150 Milliarden US $ an illegalen Profiten pro Jahr.
Gemäß der International Labour Organization (ILO) werden in zahlreichen Ländern bis heute Hausangestellte wie Sklaven eingesetzt und teils gewaltsam daran gehindert das Haus zu verlassen. Insbesondere in Südasien werden Männer, Frauen und Kinder durch Armut und Schulden in die Schuldknechtschaft gezwungen.
Der Schutz vor (gewaltsamen) Übergriffen, Schutz im Krankheitsfall, sowie Arbeitssicherheit sind wichtige Social Compliance-Themen für das eigene Unternehmen, wie auch die Zulieferer (dies betrifft auch das Verfahren bei der Untervergabe von Aufträgen).
Konsequenzen treten, wenn Social Compliance missachtet wird?
Die im Ausland produzierenden Branchen Textilien, Touristik, Elektronik, Lebensmittel und Baugewerbe bergen das größte Social Compliance-Risiko. Es folgen Fahrzeugbau, Logistik, Möbelindustrie, Maschinenbau und chemische Industrie.
Die sogenannte Supply Chain, die Lieferkette vom Rohstoff bis zum fertigen Produkt, schließt dabei auch die Zulieferer des Lieferanten eines Unternehmens ein. Diese im Zuge der Social Compliance nicht ausreichend zu kontrollieren, birgt für Unternehmen insbesondere vier große Gefahren: Einen Reputationsverlust, die Gefährdung der Liefersicherheit, die Gefährdung der Qualität sowie mangelnde Regulierung.
Reputationsverlust
Gerät ein Unternehmen in den Verdacht Kinderarbeit oder menschenunwürdige Arbeitsverhältnisse für die Herstellung seiner Produkte zu tolerieren, entsteht ein enormer Reputationsverlust. Die Aufdeckung schlechter Arbeitsbedingungen bei KiK, Schlecker oder Lidl etwa hat in der Folge starke Kundenboykotte ausgelöst.
Auch potentielle neue Mitarbeiter werden durch negative Medienberichterstattung abgeschreckt, wie etwa der Fall des Online-Versandhändlers Amazon zeigt, der wegen der Schikane seiner Mitarbeiter und der Ausbeutung von Leiharbeitern Schlagzeilen machte. Dies führte darüber hinaus erneut zu Kundenboykotten.
Gefährdung der Liefersicherheit
Kann das Produkt wegen schlechter Arbeitsbedingungen nicht mehr fertiggestellt werden – etwa wegen eines Brandes in der Fertigungsstätte oder Arbeitsniederlegung der Beschäftigten – ist die Liefersicherheit gefährdet.
Oft kann die Arbeit nicht schnell genug, oder nur verbunden mit hohen Kosten, auf eine andere Fertigungsstätte umgelegt werden. So ist die fristgerechte Abwicklung von Aufträgen gefährdet. Das Vorprodukt in der Lieferkette fehlt und das Endprodukt kann so nicht fertiggestellt und verkauft werden.
Gefährdung der Qualität
Bei schlechten Arbeitsbedingungen leidet verständlicherweise auch die Qualität. Die Mitarbeiter müssen teils unter großem Zeitdruck oder immensen Überstunden arbeiten, um den Anforderungen zu entsprechen und können so nicht immer die beste Qualität gewährleisten.
Unzufriedene Mitarbeiter werden außerdem, wenn möglich, ihren Arbeitgeber verlassen und zu einem anderen wechseln, was zu erneuten Verzögerungen führt, da neues Personal gewonnen und angelernt werden muss. Hiermit ist zeitgleich auch die Liefersicherheit gefährdet.
Mangelnde Regulierung
Politische Instanzen erwarten zunehmend, dass einkaufende Unternehmen bestimmte Standards für Arbeitsbedingungen einhalten bzw. kontrollieren. Seit dem 1. Januar 2012 müssen bspw. Unternehmen in Kalifornien vorweisen, dass und wie sie sicherstellen, dass innerhalb ihrer Lieferkette Sklaverei und Menschenhandel ausgeschlossen werden.
Außerdem können Unternehmen unter Umständen für schlechte Arbeitsbedingungen innerhalb ihrer Lieferkette haftbar gemacht werden. In den „Saipan Lawsuits“ wurden 26 US-amerikanische Einzelhändler und 23 Textilfabriken wegen horrender Arbeitsbedingungen in ihren Produktionsstätten verklagt. Es wurde ein Vergleich in Höhe von insgesamt 20 Millionen US § errungen.
Wo liegen die Vorteile von Social Compliance?
Die Vorteile von Social Compliance liegenn im Grunde schon auf der Hand: geht es den Mitarbeitern innerhalb der gesamten Lieferkette gut, geht es dem Unternehmen gut!
Ein detailliertes Programm für Social Compliance beinhaltet folgende Vorteile:
- Die Stärkung und den Schutz des Markenimages und der Reputation des Unternehmens
- Die Minimierung bzw. Bewältigung der Haftung in der internationalen Lieferkette
- Die Sicherstellung langfristiger Geschäftsbeziehungen mit Lieferanten und Weiterentwicklung der Social Compliance in allen Produktionseinheiten
- Die Zufriedenstellung der verschiedenen Interessengruppen wie Kunden, Mitarbeitern, Gewerkschaften, Investoren, Interessengruppen und Medien
Für Arbeiter bedeuten schlechte Bezahlung, unzumutbare Überstunden – häufig in Verbindung mit gefährlichen oder gesundheitsschädlichen Arbeitsbedingungen – ein Risiko für Leib und Leben. Für Unternehmen bedeuten solche Arbeitsbedingungen eine erhöhte Gefahr für gravierende Arbeitsunfälle wegen Übermüdung und zunehmender Unachtsamkeit der Beschäftigten.
Neben den Arbeitern selbst ist damit bei mangelnder Social Compliance auch der gesamte Produktionsverlauf gefährdet – und damit auch die Einhaltung von Fristen und Aufträgen, was zu erhöhten Kosten bei parallelen finanziellen Verlusten für das Unternehmen führt.
Wie können Sie Ihr Unternehmen Social Compliance tauglich machen?
Wenn ein deutsches Unternehmen im Ausland produzieren lässt, sollten die Arbeitsbedingungen in den Lieferländern mit einbezogen werden. Kurze Lieferzeiten und häufige Änderungen setzen die Produktionsstätte unter Druck und können zu oben genannten Qualitätsverlusten und Lieferengpässen führen. Eine angemessene Produktionsplanung mit ggf. verlängerten Auftragszeiten kann hier Abhilfe schaffen.
Auch die Zulieferer eines Unternehmens sollten über die Auswirkungen der Missachtung von Social Compliance informiert werden. Das Unternehmen sollte sich in einem Verhaltenskodex (Code of Conduct) klar bezüglich Social Compliance-Themen positionieren und Verstöße innerhalb der Lieferkette sanktionieren bzw. die Zusammenarbeit mit Lieferanten einstellen, die zu einer Kooperation nicht bereit sind.
Lieferanten, die Social Compliance-Richtlinien einhalten, können dagegen durch ein erhöhtes Auftragsvolumen, Boni oder eine größere Planungssicherheit belohnt werden, um Anreize dafür zu schaffen.
Um eine verbesserte Social Compliance in der gesamten Lieferkette zu ermöglichen, muss das Unternehmen diese von den ersten Rohstoffen bis zum Endprodukt kennen. Transparenz in der Lieferkette ist damit der Ausgangspunkt für alle Social Compliance-Belange.
Daraufhin erstellte Korrekturpläne müssen in der Praxis getestet und nachjustiert werden. Die BSCI bietet zudem Workshops in den Lieferländern an, um Lieferanten zu schulen. Audits helfen dabei bestehende Mängel, auch bei den Zulieferern, zu erkennen und beheben.
2003 wurde in Deutschland das AVE-Sektorenmodell Sozialverantwortung der Außenhandelsvereinigung des Deutschen Einzelhandels (AVE) eingeführt, das sich dem Monitoring von weltweiten Produktionsstätten verschrieben hat.
Im Rahmen des AVE-Programms finden bspw. runde Tische bestehend aus Arbeitgebern, Arbeitnehmervertretern und Organen der jeweiligen Landesregierung statt, um Mängel und Fortschritte bezüglich der Social Compliance zu diskutieren und Verbesserungen umzusetzen.
Für ein erfolgreiches Unternehmen mit starkem Markenwert und qualitativen Produkten ist Social Compliance demnach unumgänglich. Einzelne Mitarbeiter sollten hierfür ihre Rechte und Pflichten kennen und die Möglichkeit erhalten, Vorgesetzte auf Mängel aufmerksam zu machen.
Führungskräfte sollten im Gegenzug darauf achten, dass ihre Mitarbeiter in einem sicheren, gesundheitsverträglichen Arbeitsumfeld tätig sein können, in dem ihnen nicht Hungerlöhne oder unzumutbare Arbeitsbelastungen drohen.
Die Zulieferer sollten sich nicht nur durch kostengünstige Angebote an das Unternehmen, sondern auch Social Compliance-verträgliche Arbeitsbedingungen in den Lieferländern auszeichnen. Mitarbeiter, die im Unternehmen für Einkäufe und Kooperationen verantwortlich sind, sollten deshalb wissen, worauf sie achten müssen.
Branchenstandards als Orientierungshilfe
Über spezielle Audits können Unternehmen überprüfen und sicherstellen, ob das Unternehmen Social Compliance-Anforderungen genügt. Diese orientieren sich an einem unternehmenseigenen Verhaltenskodex sowie Branchenstandards verschiedener Organisationen, wie:
E-Learning und Compliance
Social Compliance ist ein umfassendes Thema, das sich in viele Bereiche der Arbeitswelt erstreckt. Um alle Mitarbeiter ihres Unternehmens mit diesem vielschichtigen Thema zu erreichen, könnte sich E-Learning anbieten. Hier erhalten Mitarbeiter visuell nachvollziehbar sowie kurz und bündig auf den Punkt gebracht, einen Überblick über alle relevanten Bereiche sowie Risiken für die Social Compliance in Unternehmen.
Anders als bei zeit- und kostenaufwendigen Live-Schulungen, bei denen alle Mitarbeiter an einem Ort zusammenkommen müssen – so dass ggf. Anreise- und Hotelkosten entstehen – kann E-Learning individuell und zu jedem Zeitpunkt genutzt werden.
Die Möglichkeit Lerneinheiten zu wiederholen und in einem abschließenden Quiz das Erlernte zu überprüfen, macht E-Learnig zudem zu einer nachhaltigen Methode, um sich Wissen anzueignen.
Lecturio bietet auch weitere Compliance Schulungen mit hochqualitativen und praxisnahen Online-Video-Trainings. Sie erhalten Ihre eigene Online-Akademie und können Ihre Mitarbeiter und Führungskräfte schnell und kosteneffizient in alle relevanten Compliance- und Sicherheitsregeln einweisen
Quellen
- Worldwirde Responsible Accredited Production via WRAP
- Amnesty International. Amnesty Report 2015 Armenien via Amnesty International
- Amnesty International. Amnesty Report 2015. Iran via Amnesty International
- Anteil der Befragten, der 2015 folgende Arten der Diskriminierung in Deutschland bzw. der EU für verbreitet hält via Statista.
- Einschätzung zur Gleichberechtigung von Frauen im Beruf und der Gesellschaft via Statista
- Brandon Gaille.com. 37 Shocking LGBT Discrimination Statistics via Brandon Gaille.com
- Global wage calculator: Compare your salary via CNN Money
- Tomaten ernten für einen Hungerlohn via NZZ.ch.
- Arbeitslosengeld im internationalen Vergleich via Bbx.de.
- Forced labour, human trafficking and slavery via International Labour Organization
- International Labour Standards on Forced labour via International Labour Organization