Grund 1: Subjektive Fehleinschätzung
Manchmal ist es die subjektive Fehleinschätzung, die dazu führt, dass Sie keine Stelle finden können, die Ihnen in Relation zu Ihren Qualifikationen angemessen scheint. Überprüfen Sie sich ganz nüchtern: Was können Sie tatsächlich, und passt das zu den Stellen, auf die Sie sich bisher beworben haben? Haben Sie genau gelesen, was in der Stellenbeschreibung steht?
Grund 2: Die Chemie stimmt nicht
Siegfried Baumeister, Personalleiter bei Voss Automotive, nennt einen zweiten Grund, der seiner Erfahrung nach dazu führt, dass Sie mit einem „Leider sind Sie für die Stelle überqualifiziert“ abgespeist werden: „Das ist oft nur ein vorgeschobenes Argument“. Kann ein Arbeitgeber keine wirklich guten Gründe für seine Absage an Sie nennen – die er Ihnen erteilt, weil die Chemie nicht stimmt oder ihm irgendetwas an Ihnen persönlich nicht gefällt – greift er zu dieser Formulierung.
Dagegen können Sie nichts tun, außer es nicht allzu sehr an sich heranzulassen. Geschieht das häufiger, hilft Ihnen aber vielleicht ein Coaching dabei, der Ursache auf die Schliche zu kommen und diesen gegebenenfalls mit einer passenden Strategie entgegenzuwirken.
Grund 3: Vielseitigkeit oder fehlende Profilschärfe
Schon in der Schule hat man es Ihnen gepredigt: Es ist gut, vielseitig interessiert zu sein! Machen Sie viele verschiedene Dinge, keiner kann einen Fachidioten gebrauchen. Sie haben es nicht nur geglaubt, sondern auch beherzigt.
Breit aufgestellte Manager werden immer gefordert, jedoch stellt sie keiner ein
sagt Karriereberaterin Svenja Hofert.
Es ist akzeptiert, wenn ein Mitarbeitender sich innerhalb des Unternehmens vielseitig positioniert; er sollte aber nicht erwarten, mit diesem Profil anderorts zu punkten. Breit aufgestellte Fachkräfte sind eine tolle Sache im laufenden Betrieb, nicht aber bei der Einstellung. Da heißt es dann nämlich gern: „Ihrem Lebenslauf fehlt der rote Faden“ oder „Wir vermissen ein eindeutiges Profil“.
Theoretisch ist es also durchaus gefragt, verschiedene Rollen inne gehabt und unterschiedliche Themen verfolgt zu haben. Praktisch jedoch „haben Recruiter und Headhunter Angst vor allem, was nicht in eine exakt abgemessene Schublade passt“, so Svenja Hofert. Was bleibt Ihnen also anderes übrig, als das geschickte Weglassen der einen und die Betonung anderer Fakten? Auf diese Weise stellen Sie die Geradlinigkeit Ihres Werdegangs künstlich her, und das ist ratsam, meint die Karriereberaterin.
Grund 4: Misstrauen hinsichtlich Ihres Jobwechsels
Warum sollte man ein renommiertes Unternehmen verlassen, bei dem man eine gute Position inne hat? „Hierzulande liebt und lebt man die Treue. Wer einen großen, bekannten Arbeitgeber verlässt, wird beäugt wie ein Marienkäfer auf dem Frühstücksbrötchen. Interessant, selten – aber dauerhaft in der Küche haben will man ihn nicht…“, erklärt Svenja Hofert. Wer in Deutschland die gute Stelle beim großen Konzern aufgibt, setzt sich per se dem kollektiven Misstrauen aus.
Ein Downshifter – also jemand, der eine gehobene Position aufgibt, um weiter unten auf der Karriereleiter in einem anderen Unternehmen einzusteigen – wirkt der Natur der Sache nach immer überqualifiziert. Da liegen verschiedene Befürchtungen nahe: Der Betreffende könnte die neue Position schnell als langweilig empfinden, sich nicht an die Rolle anpassen können, oder die Stelle nur als Übergangslösung betrachten.
Um diesen Vorurteilen möglichst frühzeitig zu begegnen, sollten Sie bereits in der schriftlichen Bewerbung unterstreichen, warum Sie diese Entscheidung für sich getroffen haben, und welche Ziele Sie mit Ihrem Handeln verfolgen. Mehr Zeit für Ihre Familie haben zu wollen, eine Stelle zu bekleiden, deren Ausrichtung für sie persönlich sinnstiftend ist, bei der Sie einer Leidenschaft folgen oder persönliche Wertvorstellungen verwirklichen können, sind plausible Gründe.
Grund 5: „Sie sind aber noch sehr jung!“ versus „Eine Veränderung in Ihrem Alter?“
Sind Sie so jung wie überqualifiziert, bleibt immer noch die Option, zunächst einmal praktische Erfahrungen zu sammeln – in den viel diskutierten Praktika zum Beispiel. Das ist in jedem Falle besser, als eine längere Phase der Arbeitslosigkeit. Leistungsvermögen und Lernbereitschaft sind die Pfründe, mit denen Sie wuchern sollten.
Haftet Ihnen aufgrund Ihrer exzellenten Zensuren der Verdacht an, Sie hätten wohl nur gelernt und Ihre sozialen Kompetenzen dabei nicht entwickeln können, ist ein Freiwilliges Soziales Jahr, ehrenamtliches Engagement oder ein „Work and Travel“-Programm eine Möglichkeit, das Gegenteil unter Beweis zu stellen.
Als älterer Bewerber sollten Sie betonen, dass ihre große fachliche und menschliche Erfahrung Sie zu einem wertvollen Mitarbeiter macht. Chris Wollenberg, Personal- und Karriereberaterin, rät außerdem „vordergründig auf Teamfähigkeit und Konzentrationsvermögen sowie die Fähigkeit, Prioritäten zu setzen und ergebnisorientiert an Ihren Zielen arbeiten zu können“, zu verweisen. Keinesfalls sollte der Eindruck entstehen, dass Sie Ihren bisherigen Aufgaben nicht mehr gewachsen waren.
Grund 6: Sie sind besserwisserisch oder verzweifelt
Es ist leicht, mit viel Erfahrung oder hervorragenden Kompetenzen der Versuchung zu erliegen, Verbesserungsvorschläge zu unterbreiten. Insbesondere dann, wenn man im Vorstellungsgespräch gefragt wird, was man im Unternehmen verändern würde. Tun Sie es nicht!
„Weisen Sie darauf hin, dass Ihr Bild von außen sicherlich nur lückenhaft ist und dass Sie glauben, die Führungskräfte im Unternehmen hätten alle Möglichkeiten bedacht, um die beste Lösung zu finden. Wenn sich allerdings Probleme ergäben, seien Sie als Mitarbeiter absolut bereit, an ihrer Lösung mitzuarbeiten und Ihre Erfahrungen zur Verfügung zu stellen“, rät Chris Wollenberg.
Personaler Siegfried Baumeister hat noch eine andere Gruppe von überqualifizierten Bewerbern im Blick: Ältere Führungskräfte, die bei ihrem bisherigen Arbeitgeber entlassen wurden und nun eine neue Aufgabe suchen. Diese Kandidaten hätten, so der Insider, bei einem realistischen Auftreten durchaus gute Chancen auf einen Job – wenn sie bewusst akzeptierten, dass sie kleinere Brötchen backen müssten. „Viele machen den Fehler, ihr Schicksal vor sich her zu tragen“, erklärt er.
Weder Besserwisser noch verzweifelte Kandidaten präsentieren sich im Vorstellungsgespräch also optimal. Machen Sie den Personalverantwortlichen statt Umstrukturierungsvorschlägen und Schicksalsbeichten lieber klar, dass er von Ihnen deutlich mehr für sein Geld bekommt, als bei einem Durchschnittskandidaten. Sie wollen den Job wegen des Jobs, nicht um sich zu profilieren oder bis zum Renteneintrittsalter ans sichere Ufer zu retten.
Grund 7: Sie sind besser als der Chef
„Es gibt einen Recruiter-Spruch unbekannten Ursprungs: First class hires first class. Second class hires third class“, umreißt Karriereberaterin Svenja Hofert das Phänomen. Der potenzielle Neue darf keinesfalls besser sein als man selbst. Neben oder direkt unter sich jemanden ertragen zu können, der einem das Wasser reichen kann – intellektuell oder bezüglich der Qualifikation – ist eine seltene Gabe.
Häufig befürchten Chefs, dass eine sehr qualifizierte, fähige Kraft ihnen in ihrer Position gefährlich werden könnte (und damit haben sie ja auch vollkommen Recht). Stellen Sie also so früh wie möglich klar, dass Sie die Perspektiven ebenso wie die Grenzen der Position kennen, auf die Sie sich bewerben, und dass Sie sich nicht darüber hinaus bewegen werden. Außer es wird ausdrücklich von Ihnen verlangt, natürlich. Ansonsten möchten Sie ja gerade die bescheidenere Rolle ausfüllen, und zwar aus ganz bestimmten Gründen, siehe Grund 3.
Karriereberaterin Svenja Hofert rät:
Bleiben Sie authentisch bis zum Berufseinstieg und zwei, drei Jahre danach. Aber seien Sie bloß nicht authentisch, wenn Sie darüber hinaus sind, als Senior oder Mittelmanager. […] Spielen Sie dann den, den man haben will. Beschneiden Sie sichtbare Ambitionen im Lebenslauf – weniger dynamisch auftreten, nicht so viel fordern.
Grund 8: Sie sind kein Mittelmaß
Eine schlecht qualifizierte Kraft kann ein Arbeitgeber nicht gebrauchen. Eine sehr gut qualifizierte ist aus unterschiedlichen Gründen unbequem oder gar gefährlich. Deshalb steht die deutsche Wirtschaft in Personalfragen auf vertraute Mittelmäßigkeit.
Das Mittelmaß hat aber noch weitere Vorteile: Wenn Sie nicht besser sind als andere, sehen diese nicht schlechter neben Ihnen aus. Wenn Sie, der Neuling, die Aufgaben schneller und besser erledigen als altgedientes Personal, dann haben sie sich mit großer Wahrscheinlichkeit mehr als nur ein Problem geschaffen.
Darüber hinaus: Die Mittelmäßigen kennt man schon, und auch ihre Sperenzchen. Überdurchschnittliche Kandidaten allerdings könnten Ärger verursachen. Sie haben vielleicht andere Ideen oder Vorstellungen, stellen die bisherigen Strukturen in Frage, oder ähnliches. Das gilt es zu vermeiden.
Das Verhalten mittelmäßiger Angestellter ist gut einzuschätzen, sie tun ihre Arbeit ausreichend gut und mehr verlangt Chef auch nicht. Mehr will er auch gar nicht! „Das hat er früher gemacht, das kann er auch morgen noch“ – bestätigen Sie dieses Vorurteil, wenn Sie die Stelle haben wollen.
„Wenn auf einer Skala links ‚wenig Ehrgeiz‘ und rechts ‚viel Ehrgeiz‘ steht: Schieben Sie Ihren Ehrgeiz in die Mitte“, empfiehlt Hofert. „Fahren Sie Ihre Ambitionen herunter wie den PC am Abend. Machen Sie Ihren Lebenslauf etwas kleiner, als er ist. Bewegen Sie sich zur Mitte, tun Sie durchschnittlich, seien Sie eben nicht authentisch. Passen Sie sich der jeweiligen Umgebung an – aber treten Sie nicht unterwürfig auf.“ Das gilt nicht nur für den Ehrgeiz, sondern grundsätzlich. Zeigen Sie dem Markt Ihre mausgraue Seite.
Alternativen
Vielleicht genügt es Ihnen nicht, kleine Brötchen und Ambitionen zu haben. Vielleicht finden Sie sich lieber mit 100 Absagen auf 103 Bewerbungen ab, als Abstriche zu machen. Das ist legitim. Sie werden Ihren Platz auch so finden, aber Sie gehen damit einen langen, einen schwierigen Weg. Versuchen Sie, Brücken zu der von Ihnen angestrebten Branche zu schlagen:
Besuchen Sie Messen und Kongresse, lernen Sie Leute kennen – natürlich idealerweise die, die etwas zu sagen haben. Knüpfen Sie Kontakte, bauen Sie Ihr Netzwerk in alle denkbaren Richtungen aus. Oder machen Sie Ihr eigenes Ding: Haben Sie darüber nachgedacht, sich in die Selbständigkeit zu wagen?
Quellen
- Ich bin wer, ich kann was, wieso krieg ich keinen Job? via karriere spiegel
- Überqualifiziert? 5 goldene Tipps zu Jobsuche und Einstellungsgespräch via arbeits-abc.de
- 5 Ratschläge für Überqualifizierte via CIO
- Wenn der Lebenslauf zum Fluch wird via Die Welt