Warum wird so viel geblufft?
Eigenwerbung, Selbstvermarktung – wie man es auch nennen möchte, der überzeugende Auftritt bei Bewerbungsgesprächen und im Job ist in aller Munde und füllt zahlreiche Ratgeberbücher. Gerade dann, wenn die Konkurrenz sehr stark ist oder die Suche schon länger andauert, greifen so manche Bewerbende auf verschiedene Mittel zurück.
Denn kaum jemand bringt das absolut perfekte Profil für die ausgeschriebene Stelle mit. Herausfordernde Noten, häufige Arbeitgeberwechsel, fehlende oder falsch eingeschätzte Qualifikationen und überlange Ausbildungszeiten sind nur einige Beispiele für “Herausforderungen”, die ungern offengelegt werden. Es kommt nicht selten vor, dass Personen zunächst sogar bestimmte Informationen verschweigen, um überhaupt eine Chance auf eine Einladung zu haben.
Dann besteht die Gefahr, den schmalen Grat zwischen Selbstpräsentation und übertriebener Darstellung zu überschreiten. Während das Aufhübschen von Sprach- und Softwarekenntnissen noch als weniger schwerwiegender Fehler angesehen werden kann, hört der Spaß bei unehrlichen Angaben zu Abschlüssen, Titeln, (Arbeits-) Zeugnissen, früheren Arbeitgebern und Positionen schnell auf. Übertreiben ist das eine – klare Falschaussagen sind etwas ganz anderes!
So bereiten Sie sich richtig vor
Noch bevor Einladungen zu Vorstellungsgesprächen verschickt werden, können Sie einige Schritte unternehmen, um mögliche Täuschungen zu erkennen. Recherchieren Sie die bereitgestellten Informationen mithilfe öffentlich zugänglicher Daten im Internet. Nutzen Sie dazu nicht nur Suchmaschinen, sondern auch soziale Netzwerke. Zeigt das XING-Profil möglicherweise ein anderes Bild von der Person?
Kontaktieren Sie auch telefonisch die angegebenen Referenzen und früheren Arbeitgeber*innen, um mehr über die Bewerbende bzw. den Bewerber zu erfahren. Je enger die berufliche Zusammenarbeit mit der Person war, desto präzisere Informationen werden Sie über deren soziales Verhalten, Arbeitsweise und Erfolge erhalten.
Machen Sie sich Notizen über auffällige Punkte und Dinge, die Erklärungen erfordern, wie beispielsweise zeitliche Lücken im Lebenslauf, Phasen der Arbeitslosigkeit, ungewöhnliche Interessen und häufige Arbeitgeberwechsel. Dadurch sind Sie optimal auf das Gespräch vorbereitet. Ein schriftlicher Gesprächsleitfaden kann Ihnen dabei helfen, eine objektive Grundlage für das Gespräch zu schaffen und den roten Faden nicht zu verlieren.
Lebenslaufcheck – mehr Schein als Sein?
Stellen Sie grundsätzlich offene Fragen, die die Bewerbende oder den Bewerber dazu einladen, mehr über sich zu erzählen. Wie ist die Person zum Beispiel mit Phasen der Arbeitslosigkeit umgegangen?
Insbesondere bei der Angabe von freiberuflicher Tätigkeit ist es wichtig, nachzufragen, da es sich oft um übertriebene Darstellungen handelt. Fragen Sie also konkret, welche Projekte die Person durchgeführt hat und wie sich diese Erfahrungen für die aktuelle Stelle nutzen lassen.
Sprachkenntnisse – allzeit bereit oder aus grauer Vorzeit?
Eine häufige Quelle für Übertreibungen sind Fremdsprachenkenntnisse, da die Bewertung solcher Fähigkeiten oft ungenau ist oder im Laufe der Zeit nachlässt. Nutzen Sie das Gespräch, um die angegebenen Sprachkenntnisse im Lebenslauf zu überprüfen.
Verhandlungssichere, perfekte Kenntnisse erfordern in der Regel einen längeren Auslandsaufenthalt, da sie über einfache Kommunikation hinausgehen. Eventuell kann Ihnen hierbei ein Kollege, dessen Muttersprache die betreffende Fremdsprache ist, beim Überprüfen der Sprachkenntnisse behilflich sein.
Für alle anderen gilt: selbst wenn die Person einige Fehler macht, zeigt sie Ihnen durch ihre Reaktion und ihren „Sprechwillen“ schon einiges über ihren Charakter.
Führungs- und Sozialkompetenz – wer sitzt da eigentlich vor Ihnen?
Wenn Sie mehr über die Kompetenzen der Bewerbenden erfahren möchten, sollten Sie verschiedene Fragen stellen, die über das einfache Auflisten von Lebenslaufstationen und Qualifikationen hinausgehen.
Eine Möglichkeit sind Fragen wie “Wie würden Sie vorgehen, wenn…”? Darüber hinaus könnten Sie auch kleine praktische Übungen durchführen, beispielsweise im Bereich Verkauf oder Mitarbeiterinteraktion. Auf diese Weise erhalten Sie Einblicke in das Sozialverhalten und die methodischen Herangehensweisen der Person, auch wenn sie nicht sofort die perfekte Lösung parat hat.
Bewerbende für Führungspositionen sollten in diesem Zusammenhang genauer beleuchtet werden. Sie könnten die Person bitten, einen typischen Arbeitstag, bestimmte Problemstellungen und relevante Szenarien aus ihrer Sicht zu beschreiben.
Stärken und Schwächen – das anspruchsvolle Thema
Eine herausfordernde Frage, sowohl für Arbeitgebende als auch Bewerbende, betrifft die oft gestellte Frage nach den Stärken und Schwächen der Person. Diese Frage dient dazu, die Eignung für die Position und die Unternehmenskultur zu prüfen und bringt Bewerbende oft ins Schwitzen.
Viele Bewerbungsratgeber raten dazu, Schwächen als Stärken zu verkaufen, was von vielen Bewerbern auch umgesetzt wird (zum Beispiel: “Ich bin zu perfektionistisch” oder “Ich bin sehr ehrgeizig”).
Lassen Sie sich nicht täuschen und fragen Sie genauer nach: Welche Schwächen könnten sich negativ auf die Stelle auswirken, und welche Gründe sprechen gegen eine Einstellung?
Achten Sie bei solchen anspruchsvollen Fragen auf die Körpersprache Ihres Gesprächspartners. Körpersprache kann ein wichtiger Hinweis auf Unaufrichtigkeit und Überheblichkeit sein. Beobachten Sie ausweichende Blicke, nervöse Gesten, Veränderungen in der Stimmlage oder unangemessenes Lachen – all das könnte Anlass zur Skepsis geben. Vertrauen Sie Ihrem Bauchgefühl, um festzustellen, ob es sich um normale Nervosität oder Täuschung handelt.
Quellen
Sabine Hockling: So sortieren Sie Bluffer aus, via Zeit Online
Anna-Lena Roth im Interview mit Manfred Lütz: Wer blufft, schadet sich selbst, via Spiegel Online