Konflikte fangen immer an den Grenzen an
„Die Hölle, das sind die anderen!”, schrieb Sartre in „Geschlossene Gesellschaft“. Mit dieser Aussage bringt er bildhaft auf den Punkt, dass Konflikte ohne das jeweilige Gegenüber scheinbar keine Grundlage haben. Idealerweise lassen sich die Bedürfnisse zweier oder mehrerer Menschen vereinbaren, ohne den jeweils anderen einzuschränken. Erfahrungsgemäß ist das eine Utopie. Ihr Chef sehe es gerne, wenn Sie heute noch Überstunden einlegen würden, Ihre Freundin möchte zur gleichen Zeit mit Ihnen ins Kino und die Karten sind bereits gekauft. Was tun?
Natürlich könnten Sie sich mit dem Laptop ins Kino setzen. Keine gute Idee, denn der folgende Ärger wäre bereits vorprogrammiert. Bestimmt fallen Ihnen noch viele (geschicktere) Lösungsmöglichkeiten ein. Das Problem bleibt jedoch in der Situation bestehen: geforderte Arbeitsleistung – Wunsch nach Freizeit – Wunsch nach gemeinsam verbrachter Zeit – bereits geleistete Zahlung. Wie kommen Sie da wieder heraus?
Wie Konflikte entstehen und sich entwickeln
Konflikte fallen nicht vom Himmel, sondern entwickeln sich. Der Psychologe Fritz Glasl hat neun Stufen der Konflikteskalation ausgemacht. Zunächst beginnt der Dissens mit Verstimmung, Verärgerung und dann Verhärtung. Daraus folgt eine Debatte bis hin zum Streit – es fallen polemische Äußerungen.
Schnell wird aus dem früheren Miteinander ein Gegeneinander. Jede Partei sucht sich dann Mitstreitende und Koalitionen, um der eigenen Position mehr Gewicht zu verleihen. Das führt bei dem Konfliktpartner wiederum zu Gesichtsverlusten, Unterlegenheitsgefühlen und Ängsten wegen einer drohenden Demontage. Das Aussteigen aus dem Konflikt wird für die Beteiligten immer schwieriger.
Mit offenen Drohungen und ersten begrenzten Vernichtungsschlägen soll dann das Gewollte erreicht werden. Oft ist hier schon gar nicht mehr erkennbar, worum es im Ursprung überhaupt ging. Ist die Konfliktlösung nun nicht mehr möglich, droht die Zersplitterung. Am Ende steht der Vernichtungswille. Es geht nur noch um den Sieg und die Durchsetzung in dieser Sache. Koste es, was es wolle – auch zum eigenen Nachteil.
Nicht gleich in die Luft gehen?!
Beginnen wir – für einige – mit dem Schwierigsten bei der Konfliktvermeidung: Ruhig bleiben! Auf keinen Fall macht es Sinn, jetzt mit der Chefin oder mit dem Partner eine Grundsatzdiskussion zu beginnen. Sie sitzen sowieso zwischen den Stühlen. Verständlicherweise können die Forderungen von zwei Seiten Sie ärgern, denn Sie können ja nicht zwei „Herren” gleichzeitig dienen. Erklären Sie aber beiden Ihre Situation.
Bitten Sie zudem die anderen Beteiligten um konstruktive Lösungsvorschläge. Wüten und Toben bringt nichts. Behalten Sie einen kühlen Kopf und versuchen Sie eine Lösung zu finden, von der alle Seiten profitieren können – auch Sie selbst!
Von Giraffen und Wölfen
Ein Brandbeschleuniger in jedem Konflikt ist die unbedachte Sprache. Es ist hilfreich, auf Zuschreibungen und Vorwürfe zu verzichten. „Sie müssen/sollten/sind immer so…”- streichen Sie in Diskussionen solche Formulierungen am besten ganz aus Ihrem Vokabular. Verwendet Ihr Gegenüber solche Zuschreibungen, schalten Sie gedanklich und emotional einen Gang zurück.
Hier geht es unterschwellig noch um etwas anderes als die Frage nach Geschäftsabläufen. Es liegen kleine Machtspielchen vor, bei denen es darum geht, der anderen Person vorzuschreiben, was diese zu tun und zu lassen hat. Eine Formulierung im Imperativ und mit drei Ausrufungszeichen versehen ist höchstens verschiedenen Ordnungsberufen in entsprechenden Notsituationen vorbehalten.
Ganz allgemein heißt das Lösungskonzept: Gewaltfreie Kommunikation (GFK). Erfinder der GFK ist Marshall B. Rosenberg. Symbolisch vergleicht dieser die Sprachformen mit Wölfen (aggressiv) und Giraffen (gewaltfrei). Mit der Methode der GFK lernen Sie, Ihre Position zu verteidigen, sich klar auszudrücken und auf Ihr Gegenüber einzugehen. Wenn Ihr Gesprächspartner sich verstanden fühlt, wird es Ihnen leichter fallen, den Konflikt zu lösen.
Das bedeutet nicht, dass Sie auf Ihre eigene Position und Bedürfnisse verzichten sollen. GFK wird Ihnen helfen, freundlich, aber bestimmt im Gespräch eine tragfähige Lösung zu erarbeiten.
Ist Rache wirklich süß?
Nein, sicherlich nicht. Wenn Sie das Bedürfnis nach Rache, Vergeltung oder Genugtuung verspüren, liegt der Konflikt auf einer tieferen Ebene und ist nicht gelöst. Bei den Eskalationsstufen nach Glasl ist der Streit dann sogar schon sehr weit vorangeschritten. Eine Lösung erfordert hier besondere Aufmerksamkeit, Geduld und oft ebenso Zeit.
Wenn Sie sich in einer solchen Situation befinden, holen Sie sich professionelle und unparteiische Hilfe. Viele Arbeitgeber bieten Mediationen an. Hier geht es darum, wieder auf eine gemeinsame Kommunikationsebene zu finden und Zugeständnisse nicht als Gesichtsverlust zu verstehen.
Nicht immer mit allen Ohren hören
Der Kommunikationswissenschaftler Friedeman Schulz von Thun hat das Konzept des Kommunikationsquadrats erarbeitet. Demnach verfügen Aussagen immer über vier verschiedene Ebenen: Sachebene, Beziehungsebene, Appellebene und Selbstäußerungsebene. Mit diesem Modell können Sie sehr schnell erlernen, Aussagen auf ihre unterschiedlichen Inhalte hin zu untersuchen.
Weiterhin trifft jede Aussage beim Zuhörer auf ein besonders gestimmtes „Ohr“. Hören Sie mehr auf der Beziehungsebene oder auf der Sachebene? Es ist ein Wechselspiel zwischen dem Gesagten und dem Gehörten – zwischen dem Sprecher und dem Zuhörer. Schnell geraten wir in der Kommunikation in Teufelskreise, weil jede Beziehung ihre eigene Dynamik hat. Hilfreich ist es dann, auch mal das ein oder andere kritische Ohr im Gespräch „nach hinten zu klappen“.
Time-out, please!
Sie müssen nicht auf alles und jeden sofort reagieren. Bitten Sie um Verständnis, dass Sie jetzt noch keine verbindliche Aussage treffen können oder möchten. Äußern Sie den Wunsch nach ein wenig Bedenkzeit.