Was sich momentan verändert
Im immer stärker werdenden Wettbewerb um die qualifizierten Fachkräfte spielt die kompetente Führung der Mitarbeitenden die ausschlaggebende Rolle. Es wird daher notwendig, Führungskonzepte neu zu denken, damit sie den komplexen Anforderungen der modernen Arbeitswelt gerecht werden. So werden die Unternehmen zukunftsfähig.
Die Arbeitswelt wird zunehmend dynamischer, vernetzend, verlangt eine hohe Selbststeuerungsfähigkeit und Kooperationsbereitschaft sowohl von Führungskräften als auch von Mitarbeitenden. Die Führungskräfte, die im Rahmen der Studie befragt wurden, erkennen Veränderungsnotwendigkeiten wie Umsetzungsdefizite in Sachen Führungsstil:
Die Praxis in Deutschland steht in einer großen Distanz zu den realen Anforderungen an Führung, die sich durch Veränderungsprozesse ergeben. Die Prüfsteine, die Managerinnen und Managern in dieser Hinsicht wichtig sind, sehen die meisten Befragten noch nicht einmal zur Hälfte verwirklicht. Die Gefahr, den Anschluss zu verlieren, nimmt ihrer Einschätzung nach kontinuierlich zu.
Was gute Führung ausmacht
Die Förderung von Unterschiedlichkeit
Flexibilität und Diversität werden von den Befragten als Erfolgsfaktoren begriffen. Bereits auf einem guten Weg befinden sich ihrer Ansicht nach die Umsetzung der Idee im Sinne von beweglichen Führungsstrukturen, individueller Zeiteinteilung und wechselnden Teamkonstellationen.
Die Fähigkeit zur professionellen Gestaltung ergebnisoffener Prozesse
Alle Interviewten stimmen darin überein, dass Prozesskompetenz das aktuell wichtigste Entwicklungsziel darstellt. Das kleinschrittige Vortasten verspricht angesichts einer immer stärker abnehmenden Vorhersagbarkeit erfolgversprechender zu sein als die Orientierung an starren Planvorgaben.
Die Förderung sich selbst organisierender Netzwerke
Die Herausforderungen der modernen Arbeitswelt sind, so glauben die Führungskräfte mehrheitlich, am besten in Netzwerkstrukturen zu lösen: Diese stellen mehr kreative Impulse bereit, haben eine höhere Innovationskraft, beschleunigen Prozesse und verringern Komplexität.
Hierarchische Strukturen haben ausgedient
Das in einer Linienhierarchie steuernde Management ist ein Modell der Vergangenheit, heißt es mit großer Mehrheit. Steuerung und Regelung sind auf Grund der Komplexität und Dynamik der zukünftigen Arbeitsrealität unangemessen. Langfristig bedeutet das den Abschied von Maßnahmen wie Zielemanagement und Controlling.
Kooperation statt Konkurrenz
Ein primär auf Effizienz und Profitmaximierung ausgerichtetes Management ist nach Ansicht von mehr als der Hälfte aller Befragten nicht mehr zukunftsträchtig. Stattdessen müsse die Kooperationsfähigkeit Vorrang vor Renditefixierung erhalten.
Persönliches Coaching
Wenn Hierarchien schwinden, ist eine Idee nur dann durchsetzbar, wenn sie mehrheitlich getragen wird. Einfühlungsvermögen, Einsichtsfähigkeit und andere Soft Skills werden für Führungskräfte und Mitarbeitende gleichermaßen wichtiger. Reflexion und intensive Entwicklungsbegleitung sind in der zukünftigen Arbeitswelt unverzichtbar.
Motivation durch Autonomie und Wertschätzung
Die Relevanz von materiellen Faktoren nimmt in den Augen der Führungskräfte tendenziell ab, was ihren motivierenden Charakter betrifft. Entscheidungsfreiheit, Selbstverantwortung und Wertschätzung sowie der wahrgenommene Sinnzusammenhang einer Tätigkeit werden die Einsatzbereitschaft von Beschäftigten sehr viel stärker determinieren als bisher.
Soziale Verantwortung
Führung muss sich mit dem Ausgleich der Ansprüche und Interessen verschiedener gesellschaftlicher Gruppierungen befassen. Fragen nach der gesellschaftlichen Solidarität und sozialer Verantwortung von Unternehmen nehmen mehr Raum in Führungsangelegenheiten ein.
In drei Schritten zum Paradigmenwechsel
So stellen sich die Ersteller der Studie – ausgehend von den geführten Interviews – eine mögliche Roadmap vor, die den Wechsel in der Führungskultur deutscher Unternehmen einleiten wird:
Phase 1: Aus Management wird Leadership
- Wechsel des Schwerpunktes des Führungshandelns von Effizienz und Ertrag zu Kreativität und Erneuerung
- Linienhierarchie, Zielemanagement und Controlling werden ersetzt durch die flexible Organisation in dezentralen Teams
- Geschäftsmodelle auf den Prüfstand stellen
- Verlagerung des Schwerpunktes von Führung von instrumentell gestützten Führungssystemen zu Identitätsbildung, Team-Coaching und Empowerment
Phase 2: Strukturwandel und veränderte Führungsaufgaben
- Teamstrukturen werden durch selbst organisierende Netzwerke ergänzt oder ersetzt
- Der direkte hierarchische Einfluss nimmt weiter ab, auch durch die Nutzung sozialer Medien in der internen und externen Unternehmenskommunikation
- Erhöhung der Selbstbestimmung der Mitarbeitenden, begleitend Verringerung der Kosten der Zusammenarbeit
- Beschleunigung der Unternehmensprozesse
- Steigerung der Wahrscheinlichkeit kreativer Impulse
- Notwendigkeit einer attraktiven Vision und Etablierung verbindlich vereinbarte Regeln, um das Risiko des Verlustes der gemeinsamen Ausrichtung zu verringern
- Führung kanalisiert durch die Definition von Rahmenbedingungen und die Vermittlung von Sinnzusammenhängen die wachsende Eigendynamik und synchronisiert die Aktivitäten. Führung wird immer indirekter.
- Intensive, begleitende Reflexion auch für Führungskräfte
Phase 3: Werteorientierung eines solidarischen Stakeholder-Handelns
- Einbettung der Unternehmensaktivitäten in einen stabilisierenden Wertekanon
Die Konsequenzen der Studie
Mehr als drei Viertel der interviewten Führungskräfte zeigten sich überzeugt, dass Deutschland als Wirtschaftsstandort weit hinter seinen Möglichkeiten zurückbleiben wird, wenn grundlegende Änderungen in der aktuellen Führungspraxis ausbleiben. Sie sehen den typisch deutschen Führungsstil als einen bestimmenden Nachteil im Wettbewerb um die Gewinnung und Bindung und von Talenten.
Betrachtet man die Entwicklung seit 1950, so öffnet sich die Schere zwischen Führungspraxis und Führungsanforderungen seit Jahren immer stärker. Dass Veränderung unabdingbar ist, ist allen Beteiligten klar, mehr noch, die interviewten Führungskräfte wünschen sich den Wandel sogar. Was bedeutet das in der Praxis?
Bundesarbeitsministerin Andrea Nahles formulierte es bei der Vorstellung der Ergebnisse so:
Die Studie belegt den enormen Handlungsdruck, den die Führungskräfte heute angesichts der Herausforderungen von morgen empfinden, aber auch eine große Veränderungsbereitschaft. Dies ist ein positives Signal: Wer, wenn nicht die Führungskräfte selbst, können die Entwicklung vorantreiben. Die Studie zeigt auch, dass eine moderne Wirtschaft eine moderne Führungskultur braucht, die den Mitarbeiter nicht als bloße Arbeitskraft, sondern als Dialogpartner mit Fähigkeiten, Potenzialen und Bedürfnissen sieht.
Quelle
Der Beitrag basiert auf der Studie „Führungskultur im Wandel“ der Initiative Neue Qualität der Arbeit.