Der Widerspruch zwischen Selbst- und Fremdwahrnehmung
Die eigene Wahrnehmung kann zuweilen extrem täuschen. Wer zu sehr von sich selbst eingenommen ist, nimmt die Frustration anderer schon gar nicht mehr wahr. Das Fingerspitzengefühl für den eigenen Auftritt verlangt eine gute Beobachtungsgabe. Leider neigt der Mensch mit zunehmendem Alter zur Selbstverliebtheit. Man hat ja genug selbst erlebt und verfügt über mehr Erfahrung als die Anderen.
Das mag sicher stimmen. Doch darf diese Art der Selbsteinschätzung nicht dazu führen, den Anderen nicht auf Augenhöhe zu begegnen. Zu schnell wird der Wissensschatz des Experten nur herunter gerattert und der Experte merkt gar nicht, wie einer nach dem anderen im Publikum abschaltet. Im Rücken der Führungskraft wird schnell gelästert und im schlimmsten Fall merkt der Vorgesetzte das nicht einmal.
Der aufmerksame Beobachter stellt fest: Die Kommunikation lässt derart zu wünschen übrig, dass der Arbeitserfolg ausbleibt, was auf beiden Seiten zu Frustrationen führt. Je mehr sich die Fronten verhärten, je länger das offene Gespräch und die damit verbundene Kritik verhindert wird, desto unwahrscheinlicher ist die Einsicht, dass beiden Seiten grundlegende Kommunikationsfehler unterlaufen sind.
Das Selbstwertgefühl
Das Selbstwertgefühl ist der Spiegel, an dem jeder Mensch die Aussagen Anderer persönlichen Wert beimisst. Schauen wir doch auf einen Klassiker, um zu verstehen, was damit gemeint ist:
Mann und Frau sitzen im Auto. Sie fährt. Vor einer Ampel stehend, sagt der Mann plötzlich: „Es ist grün!“ Die Frau hat nun 4 verschiedene Interpretationsmöglichkeiten:
- Sachliche Ebene: Es ist tatsächlich Grün geworden.
- Interpretativer Appell: Fahr los!
- Kritische Interpretation auf Beziehungsebene: Du fährst zu langsam. Fahr endlich zu! Oder hat der Mann gemeint, dass sie seine Hilfe braucht?
- Aussage als Selbstoffenbarung: Mann hat es sehr eilig.
Gerade weil in diesem Beispiel die Frau die Aussage verschieden interpretieren kann, kommt es in der Kommunikation nicht auf das „Gemeinte“, sondern auf die Reaktion des anderen an. Dessen Selbstwertgefühl entscheidet über den Wert der Aussage. Je nachdem, ob die Frau die Aussage nun sachlich, als Appell, Kritik oder Selbstoffenbarung auffasst, kommen unterschiedlichen Kriterien zum Zug.
Kritierien der Sachebene:
- Wahrheit: Ist die Aussage korrekt?
- Relevanz: Ist der Sachverhalt wichtig?
- Hinlänglichkeit: Sind die Fakten ausreichend?
Interpretationsmöglichkeiten des Appells:
- Wunsch: Er möchte, dass ich zügiger fahre.
- Ratschlag: Die Frau fasst den Hinweis „Es ist Grün.“ als Tipp auf.
- Handlungsanweisung: Es ist grün! – Jetzt kann ich fahren.
- Appell: Du könntest jetzt losfahren.
Kriterien der Beziehungsebene:
- Art der Forumlierung
- Tonfall
- Gestik
- Körperhaltung
Interpretationsmöglichkeiten der Selbstoffenbarung
- Was ist das für ein Mensch?
- Was denkt er?
- Welche Stimmung hat er?
Das Problem negativer Kommunikation liegt nun darin, dass Aussagen potentiell als Angriff auf die eigene Person wahrgenommen werden können und die mit einer Abwehrhaltung beantwortet werden. Es ist geradezu menschlich, eine Abwehrreaktion mit einer Abwehrreaktion zu kontern. Darunter leiden schließlich die Kommunikationsziele.
Doch wie kommunizieren Sie richtig?
Kommunikation läuft im Regelfall dann optimal, wenn der Gesprächspartner eine volle Wertschätzung erfährt. Empathie und Wahrhaftigkeit in der Kommunikation ermöglichen erst, dass der Andere sich verstanden fühlt und minimiert das Risiko, das Gemeinte misszuverstehen. Aktives Zuhören und offene Fragen ermuntern den Gesprächspartner zum bereitwilligen Erzählen. So kommunizieren Sie im richtigen Quadranten und erfahren im Idealfall sogar mehr, als der Gesprächspartner Ihnen preisgeben wollte.
Sie können mit den Schlagworten Wertschätzung und Empathie nichts anfangen?
Wertschätzung
Das Lob ist dasjenige Mittel, welches anderer Leute Selbstwertgefühl steigen lässt. Nutzen Sie es, indem Sie in der Ich-Form sprechen: „Das hätte ich nicht für möglich gehalten, dass Sie das in so kurzer Zeit schaffen.“ oder „Ich finde es beeindruckend, wie Sie den Spagat zwischen Familie und Beruf meistern!“ Natürlich steigert Lob immer das Selbstwertgefühl, aber auch Kritik lässt sich durch eine Ich-Botschaft sehr viel ehrlicher und erfolgversprechender kommunizieren:
Kritik ohne die Ich-Form: „Mit dieser Mütze siehst Du total lächerlich aus!“
Kritik mit der Ich-Form: „Ich finde es peinlich, wenn die Leute über uns wegen der Mütze lachen. Kannst du nicht eine andere Mütze für mich aufsetzen?“
Für eine erfolgreiche Kommunikation ist die Körpersprache und die Art, wie etwas gesagt wird zu über 90% entscheidend.
Empathie
Empathie ist die Fähigkeit, sich in den anderen hineinversetzen zu können. Damit Ihr Gesprächspartner das Gefühl bekommt, verstanden zu werden, müssen Sie aktiv zuhören. Das bedeutet:
- Lassen Sie Ihren Gesprächspartner ausreden.
- Zeigen Sie durch Nicken und Blickkontakt, dass Sie den Worten folgen und den Inhalt verstehen.
- Zeigen Sie, dass Sie mitdenken, indem Sie offene Fragen stellen.
- Ziehen Sie kleine Zwischenfazits, um Feedback zu geben. Sie zeigen damit, dass Sie den Sachverhalt verstehen wollen und beugen Missverständnissen vor.
- Verarbeiten Sie das Gehörte, indem Sie z.B.:
- konstruktiv Kritik geben.
- Lob aussprechen, wo es angebracht ist.
- in einer konkreten, sachlichen und hilfreichen Art und Weise sagen, was Sie denken.
- ausgewogen Pro und Contra in das Feedback einfließen lassen.
Jeder Kommunikationsexperte beherrscht diese Grundlagen und noch vieles mehr aus dem Effeff.