Sie sitzen im Vorstellungsgespräch und haben ein gutes Gefühl. Ihre Fähigkeiten entsprechen den Anforderungen, Sie scheinen zum Unternehmen zu passen und auch die Chemie zwischen Ihnen und der Personalerin stimmt. Doch plötzlich überrascht man Sie mit einer ziemlich intimen Frage zu Ihrem Privatleben. Was tun?
Obwohl die Frage rein gar nichts mit der zu besetzenden Stelle zu tun hat, befürchten Sie, benachteiligt zu werden, sollten Sie diese wahrheitsgemäß beantworten. Ihnen bleiben drei Optionen: Lügen, schweigen oder die Wahrheit sagen.
Die Wahrheit könnte Sie evtl. die Stelle kosten. Auch das Nichtbeantworten unangenehmer Fragen, lässt Ihr Gegenüber seine eigenen, oft negativen Schlussfolgerungen daraus ziehen. Wer lügt, muss mit einer späteren Anfechtung des Arbeitsverhältnisses wegen arglistiger Täuschung rechnen.
Fragerecht und Recht zur Lüge
In solch einem Szenario hätten Bewerbende in allen drei Fällen mit negativen Konsequenzen zu rechnen. Aus diesem Grund hat die Rechtsprechung Bewerbenden das Recht zur Lüge bei unzulässigen Fragen eingeräumt.
Stellt man Ihnen in einem Vorstellungsgespräch unzulässige Fragen, dürfen Sie lügen, ohne rechtliche Konsequenzen zu befürchten.
Auf der anderen Seite jedoch, ist es Arbeitgebern unter bestimmten Umständen auch erlaubt, Dinge zu erfragen, die ins Privatleben der Bewerbenden gehören. Natürlich nur insofern dies mit der ausgeschriebenen Tätigkeit zu tun hat.
Zulässige und unzulässige Fragen
Damit Personaler*innen Rücksicht nehmen können, bis wohin die Informationsbeschaffung gehen darf und Bewerbende sich notfalls auch mit rechtmäßigen Lügen zu helfen wissen können, ist es wichtig zu wissen, welche Fragen in einem Vorstellungsgespräch überhaupt zulässig sind.
Religions-, Partei- und Gewerkschaftszugehörigkeit sind prinzipiell erst einmal Privatsache und dürfen nicht erfragt werden. Hierbei gibt es jedoch Ausnahmefälle, die in sogenannten Tendenzbetrieben vorkommen. Zum Beispiel sind Politische Gesinnung oder Konfession bei Zeitungen oder kirchlichen Trägern relevant und dürfen nicht vertuscht bzw. erlogen werden, sofern es für die Tätigkeit direkt von Belang ist.
Fragen nach Ihrem Gesundheitszustand und Behinderungen sind unzulässig und gehen im Grunde nur Sie etwas an. Dabei müssen Sie jedoch wahrheitsgemäß zu diesem Thema Auskunft geben, wenn Sie aufgrund einer Krankheit oder Behinderung die Arbeit gar nicht erst ausüben könnten oder Mitmenschen dadurch anstecken bzw. in Gefahr bringen würden.
Ihre geschlechtliche Identität und sexuelle Orientierung sind eindeutig Privatsache und dürfen nicht erfragt werden.
Fragen nach Ihrer Familienplanung, Schwangerschaften und geplante Eheschließungen sind unzulässig und müssen nicht wahrheitsgemäß beantwortet werden. Ausnahmen gibt es, wenn Sie schwanger sind und sich als Schwangerschaftsvertretung bewerben oder wenn sie aufgrund Ihrer Schwangerschaft gewisse Tätigkeiten, wie z. B. schwer heben, aufgrund des Mutterschutzes gar nicht erst ausüben könnten.
Über Vorstrafen und laufende Ermittlungen müssen Sie generell keine wahrheitsgemäße Auskunft geben, solange dies nichts mit der neuen Stelle zu tun hat. So müsste zum Beispiel die Frage nach Verkehrsdelikten von Kraftfahrern dennoch ehrlich beantwortet werden.
Ihre Vermögensverhältnisse oder Fragen nach Schulden gehen niemanden etwas an und sind nur dann zulässig, wenn Sie in einem besonderen Vertrauensverhältnis stehen und eine Tätigkeit mit Geld ausüben würden bzw. der Gefahr der Bestechung oder des Geheimnisverrats ausgesetzt wären.
Fragen nach Hobbies, Sportarten und Interessen müssen Sie nicht wahrheitsgemäß beantworten und sind in den wenigsten Fällen für eine neue Stelle relevant. Eine Ausnahme wäre beispielsweise eine gefährliche Risikosportart, die ein Gefährdungspotenzial darstellen würde.
Bei all den Möglichkeiten zu schwindeln sollte jedoch nicht vergessen werden, dass Lügen im Vorstellungsgespräch bei zulässigen Fragen kein Kavaliersdelikt ist, sondern als arglistige Täuschung, zumindest jedoch als ein Vertrauensbruch eingestuft werden kann.
Fazit
Die Rechtsprechung gibt Bewerbenden mit dem Recht zur Lüge bei unzulässigen Fragen die Möglichkeit, sich vor Ungleichbehandlung und Eingriffen in die Privatsphäre zu schützen. Hierbei sind auch Ausnahmefälle möglich, die jedoch nur dann in Kraft treten, wenn eine Frage sich konkret auf die Ausübung der neuen Tätigkeit bezieht. Lügen, Betrug oder Schweigen bei zulässigen Fragen hingegen, können zu einer berechtigten Anfechtung des Arbeitsverhältnisses führen.