Die Diplompädagogin Caroline Lieser hat sich intensiv mit Selbstcoaching auseinandergesetzt und definiert es als „eine freiwillige, zeitlich begrenzte, methodengeleitete individuelle Intervention, die das Individuum darin unterstützt, berufliche und private Ziele zu erreichen“. (Lieser, S. 44)
Selbstcoaching ist nicht eine einzige Methode, die man im Handumdrehen lernen kann. Sie besteht vielmehr aus einer breiten Palette von bedarfsgerecht zusammengestellten Tools. Alle Methoden haben jedoch die Gemeinsamkeit, dass sie einem die Tür zum Selbst öffnen sollen.
Die Mischung macht’s! Selbstcoaching bedeutet Vielfalt und Individualität
Experten unterscheiden Selbstcoaching – je nach Wirksamkeit auf den Lernprozess – in drei Bereiche. Die Methoden der ersten Disziplin behandeln unterbewusste Gedanken, die sich negativ auf das Stresslevel auswirken können oder Hemmnisse entstehen lassen. Typische Problemstellungen sind der Hang zum Perfektionismus oder Überforderungsgefühle, die beispielsweise mit der Cahier-Methode behandelt werden.
Ziel der zweiten Disziplin ist die Selbstreflexion, bzw. die Selbsterkenntnis. Hierbei sollen charakteristische Wesenszüge und Verhaltensweisen formuliert werden, um sich selbst genauer kennenzulernen. Das hilft zum einen, die eigenen Stärken und Schwächen besser einschätzen zu können, aber auch das Verhalten anderer Menschen nachzuvollziehen.
Vor allem für Führungskräfte sind solche sogenannten „Studienreisen ins Ich“ (Wer bin ich? Was will ich?) empfehlenswert, da sie auf längere Sicht Empathie entwickeln.
Die dritte Disziplin des Selbstcoachings bilden Übungen, die konkrete, kleinere Problemstellungen behandeln, beispielsweise Konfliktlösung und Krisenmanagement. Symbolübungen sowie der Wechsel von Perspektive oder Verhältnissen gehören zu den gängigen Methoden.
Coach oder kein Coach? Wann Sie sich für Selbstcoaching entscheiden sollten
Viele Menschen scheuen sich davor, professionelle Hilfe zu holen, wenn sie ein Problem haben oder sich weiterentwickeln möchten. Für alle, die zur Kategorie „Ich möchte es aus eigener Kraft schaffen“ gehören, bietet Selbstcoaching eine sinnvolle Alternative zum persönlichen Trainer.
Zum einen sind die Kosten weitaus geringer und zum anderen ist ein wirklich guter, vertrauenswürdiger Experte gar nicht so einfach zu finden – der Begriff „Coach“ ist nämlich nicht geschützt und ruft viele selbsternannte Profis auf den Plan.
Hinzu kommt, dass auch ein guter Coach lediglich Hilfe zur Selbsthilfe leisten sollte – in diesem Fall erledigen Sie den Job eben allein. Sie kennen sich sowieso am allerbesten. Zudem können Sie Zeiten, Inhalte und Dauer Ihres Programms selbst bestimmen und sind keinen unerwünschten Einflussnahmen eines inkompetenten Coaches ausgesetzt.
Gerade wenn es um einfachere Sachverhalte oder um die bloße Selbstreflexion geht, ist ohnehin nicht zwangsläufig ein Coach nötig. Mit passender Literatur oder Onlineangeboten können Sie sich bis zu einem bestimmten Punkt selbst helfen. Und wenn Sie sich tatsächlich erfolgreich weiterentwickeln konnten, wirkt sich dies positiv auf das Selbstvertrauen aus, gibt Mut und die Zuversicht, dass einen nichts mehr umhauen kann.
So funktioniert Selbstcoaching
Wer sich ein wenig mit dem Thema befasst, wird schnell feststellen wie große die Bandbreite an Problemlösungen und Weiterentwicklungsmöglichkeiten ist. Zahlreiche Seminare, Onlinekurse, Bücher und Podcasts stehen für mehr oder weniger Geld zur Verfügung. Sie zielen auf private, aber auch auf berufliche Aspekte ab. Ein paar Beispiele:
- Wie kann ich mit Ängsten und Zweifeln besser umgehen?
- Wie löse ich Konflikte?
- Wie trete ich selbstsicherer auf?
- Wie kann ich Krisen und Stress vorbeugen?
- Wie motiviere ich mich und andere?
- etc.
Am Anfang steht dabei meist eine „Eigenanalyse“, die Stärken und Schwächen, Motive und Erwartungen aufzeigt. Welche Ziele möchten Sie erreichen? Welche Wege könnten dahin führen? Was oder wen brauchen Sie dafür?
Anschließend werden konkrete Handlungsempfehlungen erteilt, die einen oftmals aus der eigenen Komfortzone zu holen versuchen. Am Ende steht der Rückblick: ist das Ziel erreicht worden, konnte das Problem gelöst werden, was müssen Sie für einen nachhaltigen Erfolg tun?
Bedenken Sie, dass viele Selbstcoaching-Methoden keine wissenschaftliche Fundierung bezüglich Wirksamkeit und Nachhaltigkeit aufweisen können. Der konzeptionelle Ansatz fehlt oft, wenn Sie auf eigene Faust Tools auswählen.
Zudem besteht die Gefahr der Selbsttäuschung oder Entwicklung in die falschen Richtung. Haben Sie Ihre ausbaufähigen Potentiale wirklich erkannt oder setzen Sie auf das falsche Pferd? Mitunter fehlt Ihnen das richtungsweisende Feedback.
Wo stößt Selbstcoaching an seine Grenzen?
Die Entscheidung für das Selbstcoaching ist meist schnell getroffen, an der Umsetzung scheitern jedoch viele. Wer keinen Unterstützer hat, der einen antreibt, muss enorme Tatkraft aufbringen, einen starken Willen und keine Angst vor Widerständen haben.
Es ist eben ein großer Unterschied, ob man eine Coaching-Methode erlernt hat, oder sie auch tatsächlich umsetzt, selbst wenn Kollegen oder Bekannte das neue Verhalten kritisch oder belustigt beäugen.
Oliver Teufel, Pfarrer und systemischer Coach schildert seine Erfahrungen wie folgt: „Letztendlich war für mich das Resultat meiner anfänglichen Selbstcoaching-Versuche, dass zu allem Stress noch die Frustration dazu kam, dass ich es nicht geschafft hatte, mich so selbst zu coachen, dass ich entspannter und effektiver geworden wäre.“
Es gibt noch weitere Hemmnisse, die in der menschlichen Natur liegen: Prokastrination, auch „Aufschieberitis“ genannt, die Angst vor Veränderungen oder unliebsamen Entdeckungen, Frustation und das sogenannte „Johari-Fenster“, was die begrenzte Reflexions- und Veränderungsfähigkeit des Menschen meint. Irgendwann ist jeder mit seiner Weisheit am Ende.
Im Selbstcoaching besteht die Gefahr, sich „festzudenken“, keinen Ausweg mehr zu kennen – dann wird externe Hilfe doch nötig.
Quellen
Lieser, Caroline: Lernprozesse im Selbstcoaching. Wiesbaden: Springer 2012.