Das Vorstellungsgespräch: Prüfung oder gegenseitiges Kennenlernen?
Wenn ein wichtiges Vorstellungsgespräch ansteht, ist es für Bewerber*innen immer ratsam, sich gut darauf vorzubereiten. Neben gedruckter Literatur bietet auch das Internet reichlich Material dazu. Die meist gelesenen Texte zu diesem Thema tragen oft Titel wie „Die zehn häufigsten Fragen“ oder „Die besten Antworten auf die fiesen Fragen der Personaler“ und verweisen damit bereits auf den oft sehr gleichförmigen, standardisierten Charakter des Gesprächs. Auch für spezielle Dinge wie die berühmte Frage nach den Schwächen gibt es inzwischen Anleitungen mit guten Antworten.
Das Vorstellungsgespräch ist der erste persönliche Kontakt zwischen potentiellen neuen Mitarbeiter*innen und Vertreter*innen des möglicherweise zukünftigen Arbeitgebers. Und doch erscheint es oft als eine Prüfung, bei der es gilt, auf die fiesen Fragen ebenso fieser Personalmanager angemessen zu reagieren.
Unter den eingangs erwähnten Überschriften finden sich auf die am häufigsten gestellten Fragen dann auch Antworten, die den Personaler*innen nur eines zeigen: ob sich ein*e Bewerber*in im Vorfeld entsprechend vorbereitet hat. Ob nach den größten Stärken und Schwächen, den Karrierezielen oder den Gründen für die Bewerbung: Die Beantwortung dieser Fragen lässt sich im Vorfeld gut vorbereiten und bietet dem/der Bewerber*in eine gute Möglichkeit, sich in einem positiven Licht darzustellen.
Ob sie oder er jedoch zum Unternehmen passt und für die freie Stelle geeignet ist, lässt sich über solche Standardfragen nur bedingt in Erfahrung bringen.
Die fachliche Eignung sollte sich im Großen und Ganzen bereits anhand der Bewerbungsunterlagen und Qualifikationen ermitteln lassen, sodass der Fokus im Vorstellungsgespräch auf das gegenseitige Kennenlernen gelegt werden kann. Es empfiehlt sich auch, bereits in der Annonce so viele Informationen über die Stelle zu geben wie möglich.
Im Vorstellungsgespräch sollte es schließlich hauptsächlich darum gehen, miteinander in’s Gespräch zu kommen. Die Erwartungen, sowohl der Bewerbenden als auch des Unternehmens, müssen ausführlich geklärt werden. Schließlich soll anhand dieser entschieden werden können, ob beide zueinander passen.
Zu diesem Zweck kann es auch hilfreich sein, den Leitenden der entsprechenden Abteilung mit der vakanten Stelle beim Gespräch dabei zu haben. Dieser kann am besten beurteilen, ob der/die Bewerber*in in’s Team passt.
Leitfaden statt Standardfragen
Das Vorstellungsgespräch sollte nicht unvorbereitet oder mit einer Liste von Standardfragen angetreten werden. Vielmehr empfiehlt es sich, mithilfe des eines Anforderungsprofils einen Leitfaden zu entwerfen. Dieser dient als roter Faden während des Gesprächs, um die relevanten Punkte nicht aus dem Auge zu verlieren. Gleichzeitig bietet er aber genügend Freiraum, um nach links und rechts auszuscheren und auf die Antworten individuell eingehen zu können. Eine gute Vorbereitung bezüglich des Lebenslaufes der Bewerbenden eröffnet einem/einer Personaler*in auch die Möglichkeit zu gezielten Fragen hinsichtlich der bisherigen Tätigkeiten und damit auch zu einem genaueren Bild der Bewerberenden.
Man sollte keine Fragen nach persönlichen Stärken und Schwächen stellen. Häufig werden darauf nur Antworten gegeben, von denen Bewerber*innen glauben, dass sie das Gegenüber gern hören möchte. Stattdessen lieber nach konkreten Erfolgs- und Misserfolgen in der beruflichen Vergangenheit der Bewerbenden fragen. Sofern der/die Bewerber*in ehrlich antwortet, ergibt sich ein viel genaueres Bild seiner/ihrer Fähigkeiten. Wenn zusätzlich nachgefragt wird, inwieweit sich die Bewerbenden ihrer Meinung nach von anderen in der gleichen Situation unterschieden haben, lässt sich aus der Antwort auf Durchsetzungsvermögen, Engagement und Alleinstellungsmerkmale schließen, wie Jochen Mai in der Karrierebibel betont.
Ein*e Personaler*in sollte im Vorstellungsgespräch keine allzu absurden Fragen, wie beispielsweise “Wenn Sie ein Tier wären, welches wären Sie dann?” stellen. Die Antwort darauf erlaubt im besten Falle nur wenig Rückschlüsse auf das Potenzial des/der Bewerber*in. Im schlimmsten Falle riskieren Personaler*innen, von ihrem Gegenüber nicht mehr ernst genommen zu werden. Um die Bewerber*innen aus der Reserve zu locken und ihren Umgang mit Stresssituationen zu überprüfen, empfiehlt es sich eher, mit ihnen Szenarien durchzuspielen, auf die sie im annoncierten Job treffen könnten.
Außerdem sollten die Bewerber*innen nicht mit Fragen, die über das Fachliche hinausgehen, überrumpelt werden. Sie könnten sich damit unwohl fühlen und schlimmstenfalls auch eine geistig abwehrende Haltung einnehmen. Stattdessen sollte sich der Fokus der Fragen von der fachlichen hin zur sozialen Ebene bewegen. Sprich: Fragen, die die Bewerber*innen persönlich betreffen und unter Umständen emotional berühren könnten, wie beispielsweise zu Misserfolgen oder zum Grund des Jobwechsels, sollten erst im späteren Verlauf thematisiert werden. Der Grund dafür ist, dass das Gespräch auf diese Weise erst einmal in Gang kommen und die Bewerber*in “warm” werden kann, bevor potentiell heikle, persönliche Dinge angesprochen werden.
Fazit
Damit das Arbeitsverhältnis von Anfang an von gegenseitigem Respekt und Vertrauen geprägt ist, ist es wichtig, dass das Vorstellungsgespräch auch tatsächlich dies ist: ein Gespräch, keine Prüfung. Personaler*innen sollten nicht aus dem Blick verlieren, dass Standardfragen oft nur in begrenztem Maße individuelle Rückschlüsse auf Bewerber*innen zulassen.
Ähnlich, wie der/die Bewerber*in sich auf das Gespräch vorbereiten muss, sollte dies auch seitens des/der Personaler*in geschehen, um die ideale Besetzung für die freie Stelle zu bekommen. Ein Leitfaden, der die Anforderungen der zu besetzenden Position genau berücksichtigt und dem/der Interviewer*in die Möglichkeit gibt, individuell auf Bewerber*innen einzugehen, ist dabei der beste Weg.
Vor allem in Zeiten großer Mobilität, auch in Karrierefragen, ist es wichtig, die Mitarbeiter*innen eng an das Unternehmen zu binden. Ein erster, guter Eindruck auf beiden Seiten ist dabei der beste Anfang.
Quellen
- Bewerbungsgespräche. Worauf Sie als Personaler achten sollten via berufsstrategie.de
- Stressfaktor Bewerbungsgespräch via karriere.at
- Schwächen im Bewerbungsgespräch. Beispiele und Antworten via karrierebibel.de