Der Vortrag „Ungeschriebene Gesetzgebungskompetenzen“ von RA Christian Falla ist Bestandteil des Kurses „Einführung in das Verfassungsrecht insb. der Grundrechte“. Der Vortrag ist dabei in folgende Kapitel unterteilt:
Die „Erforderlichkeitsklausel" im Grundgesetz regelt die ...
Welche ungeschriebenen Gesetzgebungskompetenzen kennen Sie?
Die Kompetenz Kraft Sachzusammenhang des Bundes ...
Die Frage nach der Gesetzgebungskompetenz ist nichts anderes als die Frage nach ...
Was trifft im Gesetzgebungsverfahren auf das Initiativrecht zu?
Fraktionen ...
Gesetzesvorlagen ...
Welche Aussagen treffen auf das Leseverfahren im Rahmen der Gesetzgebung im Bundestag zu?
Das Grundgesetz kann nur durch ein Gesetz geändert werden, das den Wortlaut des Grundgesetzes ausdrücklich ändert oder ergänzt. Mit welcher Mehrheit kann solch ein Gesetz beschlossen werden?
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... Dies kann dadurch vermieden werden, dass die Gesetzesvorlage über eine Fraktion (“aus der Mitte des Bundestages”) eingebracht wird. Im Bundestag wird die Gesetzesvorlage in drei Lesungen, d.h. Beratungen, behandelt. Die dritte Beratung endet mit der Schlussabstimmung, dem sogenannten Gesetzesbeschluss (§§ 78 - 86 GeschO BT). Gegebenenfalls ist in Klausuren die Frage relevant, mit welcher Mehrheit ein Gesetz beschlossen werden kann. Grundsätzlich kennt die Verfassung drei verschiedene Formen: – einfache Mehrheit der Anwesenden – einfache Mehrheit der gesetzlichen Mitglieder des Bundestages – verfassungsändernde Mehrheit des Art. 79 II GG. Das jeweilige Mehrheitserfordernis richtet sich nach der verfassungspolitischen Bedeutung des Abstimmungsgegenstandes. Der Normalfall ist deshalb die einfache Mehrheit der Anwesenden, Art. 42 II 1 GG. Die Beschlussfähigkeit ist keine Voraussetzung, vgl. § 45 GeschO BT. Die einfache Mehrheit der gesetzlichen Mitglieder des Bundestages (Mehrheit i.S.v. Art. 121 GG) richtet sich nach der jeweiligen Zahl der gesetzlichen Mitglieder und kann deshalb wegen etwaiger Überhangmandate die Zahl des Bundeswahlgesetzes (§ 1 BWG) überschreiten. Diese Mehrheitsform ist dann erforderlich, wenn die Verfassung dies bestimmt, z.B. in Art. 63 II (Kanzlerwahl) sowie in den weiteren Fällen, in denen dies durch Formulierungen wie etwa “mit der Mehrheit seiner Mitglieder ” (vgl. Art. 77 IV GG) verlangt wird. ...
... Die Bundesregierung hat mit Zustimmung des Bundesrates beim Bundespräsidenten einen Antrag auf Erklärung des Gesetzgebungsnotstandes gestellt. Die Folge ist erneut eine Ermessensentscheidung des Bundespräsidenten (s. oben). In beiden Fällen wird die Annahme des Gesetzes im Bundestag nun wie folgt ersetzt: Die Bundesregierung muss die Gesetzesvorlage (unverändert) erneut in den Bundestag einbringen. Der Bundestag lehnt die Vorlage erneut ab (dem steht gleich, wenn der Bundestag sie zwar annimmt, aber in einer abgeänderten Form, die für die Bundesregierung unannehmbar ist). Der Bundesrat hat der Gesetzesvorlage zugestimmt. Verfassungsändernde Gesetze Art. 79 GG erschwert den Erlass von Gesetzen, sofern sie auf eine Änderung der Verfassung hinauslaufen (Beispiel: “Der große Lauschangriff ” erfordert eine Änderung bzw. Ergänzung von Art. 13 GG). Drei Gesichtspunkte bedürfen einer Erwähnung: Nach Art. 78, 79 I 1 GG muss stets der Text der Verfassung selbst geändert werden. In verfahrensmäßiger Hinsicht ist nach Art. 79 II GG eine qualifizierte Mehrheit von zwei Dritteln der Mitglieder des Bundestages (gesetzliche Mitgliederzahl - Überhangmandate zählen mit) und zwei Dritteln der Stimmen des Bundesrates erforderlich. ...
... Es bestand deshalb in formaler Hinsicht der 1815 auf dem Wiener Kongress gegründete Deutsche Bund noch immer fort. Hierbei handelte es sich um einen Staatenbund, es verblieb deshalb bei den Regelungen der Verfassung der einzelnen Länder. Auch die Verfassung des Norddeutschen Bundes von 1867 sowie die Verfassung des Zweiten Deutschen Reichs von 1871 änderten hieran nichts. Sie enthielten keine Grundrechte. Damit kam es in der Weimarer Verfassung erstmals dazu, Grundrechte für einen Gesamtstaat zu konstituieren. Das Grundgesetz brachte - vor dem Hintergrund der Erfahrungen um die Beschränkung von Grundrechten in der Phase bis 1945 - eine erhebliche Neubewertung der Grundrechte insgesamt. In formaler Hinsicht wurden die Grundrechte erstmals zusammengefasst und an die erste Stelle der Verfassung gerückt (ausgenommen sind die grundrechtsgleichen Rechte der Art. 20 IV, 33, 38, 101, 103, 104 GG). In materieller Hinsicht ist die Neubewertung vor allem auf die Ausweitung des Grundrechtsschutzes, sowie darauf zurückzuführen, dass Grundrechte nicht nach Maßgabe des Gesetzes, sondern umgekehrt, Gesetze nur nach Maßgabe der Grundrechte Geltungskraft besitzen. Aus diesen Gründen ist ein Bundesgesetz eben unwirksam, wenn es gegen Grundrechte verstößt. Die Interpretation der Grundrechte: Grundrechte sind ganz besondere Normen. Sie zeichnen sich durch ihre fundamentale Wirkung, durch ihre Vielschichtigkeit sowie dadurch aus, dass sie nicht eindeutig formuliert sind. Bester Beleg der fundamentalen Wirkung der Grundrechte ist bereits Art. 1 III GG, wonach jedes Hoheitshandeln nur dann wirksam ist, wenn es nicht gegen die Grundrechte verstößt. ...
... Auch in Anerkennung des Umstands, dass eine gut ausgestattete Seminarbibliothek notwendiger Teil der juristischen Ausbildung ist, erhebt sich die Frage, ob aus Art. 12 I GG ein Anspruch gegenüber dem Staat auf entsprechende Aktualisierung der Bestandsverzeichnisse und Bestände insgesamt besteht. Wie vorerwähnt, bedeutet die Anerkennung eines nicht beschränkbaren, d.h. originären Leistungsrechts einen erheblichen Eingriff in die Budgethoheit des Parlaments. Da finanzielle Mittel nicht unbeschränkt zur Verfügung stehen, bewirkt die Anerkennung eines solchen unbeschränkten Anspruchs auf Aktualisierung eine staatliche Umverteilung. Dies könnte nur dann Anerkennung finden, wenn bei Ablehnung eines solchen Aktualisierungsanspruches Art. 12 I GG inhaltlich leerliefe. Hierbei ist allerdings zudem zu berücksichtigen, dass der Staat notwendige Ausgaben auch in anderen Bereichen zu tätigen in der Lage sein muss. Ein solcher Anspruch besteht demnach nicht. Individuale und objektiv-rechtliche Geltung der Grundrechte: Der Schutz des einzelnen i.S. staatsgerichteter Abwehrrechte ist die primäre, aber eben nicht einzige Funktion der Grundrechte. Als sekundäre Grundrechtsfunktion werden die sonstigen Wirkungsmöglichkeiten der Grundrechte bezeichnet. Die Frage nach der Geltung der Grundrechte außerhalb eines individualen Bezugs “Staatsbürger” betrifft die Frage, ob die Grundrechte in der Lage sind, staatliches Handeln, unabhängig von einem Menschen, der sich auf sie beruft, i.S. einer objektiven Wertordnung zu begrenzen. ...
... Überwiegend wird diese Auffassung - wobei ich meine zu Recht - abgelehnt. Abgesehen von der Entstehungsgeschichte lässt sich eine solche Betrachtungsweise unter Bezugnahme auf Art. 1 Abs. 3 GG, worin nur die öffentliche Gewalt als Adressat der Grundrechte bezeichnet wird, nicht vertreten. Anerkannt ist hingegen eine mittelbare Geltung der Grundrechte im Privatrechtsverkehr, sogenannte mittelbare Drittwirkung. Diese basiert darauf, dass die Grundrechte zwar nicht unmittelbar im Privatrechtsverkehr Geltung besitzen, diesen allerdings prägen. Und so bestimmt das Bundesverfassungsgericht “Gesetzgebung, Verwaltung und Rechtsprechung empfangen von dem GG Richtlinien und Impulse. So beeinflusst es selbstverständlich auch das bürgerliche Recht; keine bürgerlich-rechtliche Vorschrift darf im Widerspruch zu ihm stehen, jede muss in seinem Geiste ausgelegt werden.”(BVerfGE 7, 198/205). Konkret bedeutet dies, dass die Grundrechte bürgerlich-rechtliche Streitigkeiten nicht unmittelbar lösen, sondern bei Interpretationen der zivilrechtlichen Tatbestandsmerkmale Ausstrahlungswirkung derart besitzen, dass diese unter Berücksichtigung des Grundrechts auszulegen sind. Unbestimmte Tatbestandsmerkmale, die der Auslegung bedürfen, werden deshalb auch als Einbruchstellen der Grundrechte in das bürgerliche Recht bezeichnet. Konkret bedeutet dies, dass privatrechtliche Verträge, die als grundrechtswidrig bezeichnet werden können, nicht schon deshalb unwirksam sind. Ihre Unwirksamkeit kann jedoch, z.B. unter Bezugnahme auf §138 BGB - Sittenwidrigkeit- angenommen werden, da sittenwidrig ein solches Verhalten sein kann, das im diametralen Widerspruch zu grundrechtlichen Wertentscheidungen steht. Als Ausnahmebestimmung hierzu kann Art. 9 Abs. 3 S. 2 GG angesehen werden. ...
... Mutterleib entwickelnde Leben steht als selbstständiges Rechtsgut unter dem Schutz der Verfassung (Art. 2 I, Art. 1 I GG).” Damit scheint auch der nicht geborene Mensch Adressat der Grundrechte aus Art. 2 II GG zu sein. Die Entscheidung lässt im folgenden allerdings offen, ob der Nichtgeborene selbst Grundrechtsträger ist oder ob - in Ermangelung seiner Grundrechtsfähigkeit - sein Leben über die objektiv-rechtliche Geltung der Grundrechte geschützt ist. Für Verstorbene bestimmte BVerfGE 30, 173 - Mephisto -, dass der allgemeine Achtungsanspruch, der einer Person kraft ihres Persönlichkeitsrechts zusteht, nicht mit dem Tode dieser Person endet. Nach dieser Auffassung soll Art. 1 I GG gewisse Fortwirkungen entfalten. Sicher ist, dass das Persönlichkeitsrecht des Verstorbenen auf den Erben im Rahmen der Gesamtrechtsnachfolge übergeht und aufgrund dessen wahrgenommen wird. Zusammengefasst werden kann also, dass die Grundrechtsfähigkeit insoweit mit der Rechtsfähigkeit verglichen werden kann, als sie auch Geschäftsunfähigen und Kindern grundsätzlich zusteht. Grundrechte im besonderen Gewaltverhältnis: Mit dem Begriff “besonderes Gewaltverhältnis”, gelegentlich auch als Sonderstatusverhältnis bezeichnet, werden solche Rechtsverhältnisse beschrieben, die eine besonders enge Beziehung des einzelnen zum Staat begründen. Erwähnenswert sind insbesondere das Beamtenverhältnis sowie das Verhältnis von Soldaten, Strafgefangenen und Schülern zum Staat. Früher wurde die Auffassung vertreten, wonach im besonderen Gewaltverhältnis die Grundrechte keine Geltung beanspruchen könnten. Nach BVerfGE 33, 1 ff. - Strafgefangenen-Entscheidung - ist diese Auffassung überholt. ...
... Als legitim wird insoweit der Verzicht auf Rechtsmittel bzw. Rechtsbehelfe im Vorfeld der Verkündung der Entscheidung angesehen, wenn die Entscheidung bereits in ihrem wesentlichen Inhalt konkretisiert ist. Dementsprechend wäre - ohne Kenntnis der Entscheidung - ein pauschaler Verzicht auf potentielle Rechtsmittel unzulässig. Als grundsätzlich zulässig zu erachten ist weiterhin der Verzicht auf den Schutz personenbezogener Daten (BverfGE 65, 1 Volkszählungsurteil). Unzulässig ist hingegen der Verzicht auf die geheime Stimmabgabe. Natürliche und juristische Personen: Unbestritten ist die gerade eben erläuterte Grundrechtsfähigkeit natürlicher Personen. Offen ist, in welchem Falle Grundrechte auch für juristische Personen, gegebenenfalls auch solche des Öffentlichen Rechts, und auf nicht-rechtsfähige Personenvereinigungen Anwendung finden. Die Grundrechtsfähigkeit juristischer Personen des Öffentlichen Rechts ist in vielen Varianten Ihres Staatsexamens von großer Bedeutung. So beispielsweise, wenn sich eine Gemeinde oder sonst ein Hoheitsträger gegen staatliche Aufsichtsmaßnahmen wendet. Bitte beachten Sie insoweit auch, dass es sich hier nicht um ein materiell-rechtliches, sondern vielmehr bereits um ein Problem mit prozessualer Konsequenz handelt; denn klagebefugt ist die Gemeinde bzw. der jeweilige Hoheitsträger, wenn er vortragen kann, durch die Aufsichtsmaßnahmen möglicherweise in eigenen Rechten verletzt zu sein. Solche eigenen Rechte könnten - sofern die Gemeinde bzw. ein sonstiger Hoheitsträger grundrechtsfähig ist - gegebenenfalls Grundrechte sein. ...