Tuberkulose Schätzungen der Weltgesundheitsbehörde zufolge ist derzeit rund ein Drittel der Weltbevölkerung mit dem Tuberkuloseerreger (Mycobacterium tuberculosis) infiziert rund 2 Millionen Menschen sterben alljährlich an der Krankheit. Sehr hoch ist die Krankheitshäufigkeit in den Ländern der Dritten Welt und insbesondere in Indien, wo den Angaben zufolge fast ein Viertel der infizierten Personen leben. Weltweit dürfte die Zahl der Tuberkulosefälle in den nächsten Jahren sogar noch ansteigen, was zum einen an der steigenden Beweglichkeit der Menschen, zum anderen aber auch an der engen Verbindung mit der AIDS-Erkrankung liegt. In Deutschland wurde ab 1950 ein deutlicher Rückgang der Tuberkulose registriert, im Jahr 1998 erkrankten "nur noch« 10440 Personen daran. Gefährdet sind vor allem ältere Menschen; die Hälfte der Tuberkulosepatienten ist über 65 Jahre alt.
Dass die Tuberkulose eine Infektionskrankheit ist, weiß man, seit Robert Koch im Jahr 1892 die Erreger (Tuberkelbakterien) entdeckt hat. Man weiß aber auch, dass diese Bakterien allein nicht dafür verantwortlich sind, dass ein Mensch an Tuberkulose erkrankt, sondern dass es auch auf die Disposition des Einzelnen ankommt, d. h. darauf, ob die Erreger eine Ansiedlungsmöglichkeit finden und in welcher Weise sich der Organismus mit ihnen auseinander setzt. Für die meisten Menschen ist die Bekanntschaft mit dem Tuberkuloseerreger - er wird beim Anhusten oder Anniesen (Tröpfcheninfektion) in die Lunge oder aber durch Milch von tuberkulösen Kühen oder durch verunreinigte Lebensmittel in den Darm aufgenommen - ein unvermeidbares Schicksal. Das lässt sich daran erkennen, dass bei einem großen Teil der Menschen der Tuberkulintest positiv ausfällt. Bei dieser Reaktion wird Tuberkulin, die »giftige« Substanz der Tuberkelbakterien in die Haut eingespritzt. Stellt sich danach eine entzündliche Rötung ein, so beweist dies, dass sich der Organismus zuvor schon einmal mit eingedrungenen Tuberkelbakterien auseinander setzen musste und Abwehrstoffe gegen die Erreger gebildet hat. Diese Abwehrstoffe bleiben unter normalen Umständen ständig im Körper und lösen als Reaktion auf geringste Menge Tuberkulin eine entzündliche Rötung aus. Der positive Ausfall der Tuberkulinprobe besagt also nicht etwa, dass der Untersuchte zurzeit krank ist, sondern lediglich, dass er schon einmal in seinem Leben eine Infektion mit Tuberkulosebakterien durchgemacht hat.
Damit die Tuberkulose ausbricht, müssen also 2 Vorbedingungen zusammentreffen: Es müssen Tuberkuloseerreger in den Körper eindringen oder bereits von einem früheren Eindringen her in ihm vorhanden sein, und der Körper muss etwa durch Hunger, ungünstige Lebensbedingungen oder eine vorhergehende andere Erkrankung, beispielsweise AIDS, geschwächt - den Bakterien einen günstigen Boden zu ihrem Gedeihen bieten. Aus diesen beiden Vorbedingungen ergeben sich auch zugleich die Wegweiser bei der Behandlung: Einerseits wird - durch Ruhebehandlung in einer Heilstätte - angestrebt, die Widerstandskraft des Organismus zu steigern, andererseits versucht man, durch Arzneimittel die Erreger so weit zu schwächen, dass die im Organismus vorhandenen Abwehrkräfte mit ihnen fertig werden.
Infiziert sich ein Säugling mit Tuberkulosebakterien, so entsteht eine schwere Allgemeinerkrankung, die in der Art einer Blutvergiftung zur Ansiedlung der Bakterien in allen möglichen Organen führt. Erklärlich ist dieses Geschehen, weil der Organismus des Säuglings den Tuberkulosebakterien nur eine äußerst geringe Abwehrkraft entgegenzusetzen vermag. In der Regel befallen die Tuberkulosebakterien den Menschen zum ersten Mal im Schulalter oder kurz davor. Sie gelangen in die Lunge oder in die Darmwand und lassen hier einen kleinen Krankheitsherd entstehen, den Primärherd, der in seinem Inneren zerfällt, ein Vorgang, den man Verkäsung nennt. Schließlich wird in diesen verkästen Primärherd Kalk eingelagert, der die Tuberkulosebakterien abkapselt und damit unschädlich macht. Oft werden auch die zu diesem Primärherd gehörenden Lymphknoten an der Lungenwurzel (die Hilusdrüsen) bzw. im Bauchraum (wenn der Primärherd in der Darmwand entstand) miterfasst und verkalken dann ebenfalls. Zusammen mit den veränderten Lymphknoten bildet der Primärherd den so genannten tuberkulösen Primärkomplex. Damit kann die Krankheit ihr Bewenden haben, sodass man dem betroffenen Kind oft gar nichts von der Tuberkulose anmerkt, oder für die vorübergehend Unpässlichkeit allenfalls eine harmlose Erkältung verantwortlich macht. Wird der Körper später aber in seiner allgemeinen Abwehrlage geschwächt, so kann der Primärkomplex erneut aufbrechen, wodurch es zu einem zweiten Stadium der Tuberkulose kommt. Eine Phase, in der der Körper besonders gefährdet ist, ist beispielsweise die Zeit der Pubertät. Durch Verbreitung der Tuberkelbakterien auf dem Blut- und Lymphweg kann es dann zu einer allgemeinen Bakterienaussaat in die verschiedenen Organe kommen: Dort entstehen kleine Krankheitsherde, von denen der einzelne etwa die Größe eines Hirse oder Grießkorns (Milium = Hirsekorn) hat; weswegen diese Krankheitsform Miliartuberkulose genannt wird. Es handelt sich dabei um eine überaus gefährliche Erkrankung, bei der sich ein Krankheitsbild wie bei einer schweren Blutvergiftung einstellt.
Weniger ernst ist die Aussaat der Tuberkelbakterien allein in die Lungenspitzen, die zur Lungenspitzenentzündung führt. Auch bei Erwachsenen kann es durch besondere Umstände - etwa nach einer anderen Krankheit, infolge unzureichender Ernährung oder ungesunder Lebensführung - zu einem Aufbrechen des Primärkomplexes oder eines bereits in früheren Jahren entstandenen »Spitzenherdes« in der Lunge kommen.
Häufiger jedoch entsteht die Tuberkulose durch eine »Superinfektion«, d. h, durch eine zweite, neue Ansteckung mit Tuberkuloseerregern, die deshalb nicht ebenso wie die Erstinfektion verläuft, weil der Körper bereits eine innere Umstimmung, eine Änderung seiner Abwehrkräfte, erfahren hat. So entstehen denn in der Lunge Krankheitsherde, die in ihrem Inneren zerfallen und einen Hohlraum (Kaverne) bilden können. Kommt ein solcher Krankheitsherd mit einem in seiner Nähe gelegenen Blutgefäß in Kontakt, so tritt Bluthusten oder gar ein Blutsturz aus der Lunge (Hämoptoe)" auf. Reicht der Krankheitsherd bis an das Brustfell, so kann auch dieses in Form einer tuberkulösen Brustfellentzündung miterkranken. Wenn die Erreger mit dem Blut zu anderen Organen verschleppt werden, so entstehen dadurch die verschiedenen Organtuberkulosen: etwa eine Haut-, Knochen- oder Gelenktuberkulose bzw. eine tuberkulöse Hirnhautentzündung.
Auffällig ist, dass sehr viele AIDS-Kranke gleichzeitig an Tuberkulose erkranken. Hierin liegt unter anderem ein Grund für die wachsende Zahl der Tuberkulosekranken auf dem afrikanischen Kontinent. Lange Zeit wurde angenommen, dass es sich bei diesen Patienten vor allem um Menschen mit einen tuberkulösen Herd handelt, der unter der Immunschwäche wieder aktiv wird. Neuere Untersuchungen zeigen jedoch, dass bei nahezu jedem zweiten Betroffenen eine Neuinfektion vorliegt, die offenbar durch die Immunschwäche erleichtert wird, sodass die AIDS-Infektion der Tuberkulose gewissermaßen den Weg bahnt.
Zur Erkennung einer Tuberkulose dienen dem Arzt vornehmlich Röntgenaufnahmen und die Untersuchung des Auswurfs. Werden mit dem Auswurf ansteckungsfähige Tuberkulosebakterien ausgeschieden, so spricht man von einer offenen Tuberkulose; sind keine Bakterien mehr im Auswurf zu finden, so handelt es sich um eine geschlossene Tuberkulose. Da die Chance einer Heilung umso größer ist, je kleiner der tuberkulöse Krankheitsherd ist, kommt der möglichst frühzeitigen Diagnose einer tuberkulösen Erkrankung besondere Bedeutung zu.
Daher ist es für den Einzelnen wichtig, rechtzeitig zum Arzt zu gehen, wenn er an verdächtigen Allgemeinerscheinungen leidet, z. B.:
Um das Risiko einer Resistenzentwicklung gering zu halten, werden Tuberkulose-Patienten nach dem Empfehlungen des Robert-Koch-Instituts ausschließlich mit einer Medikamentenkombination behandelt. Verabreicht werden dabei Antibiotika, die gegen die Tuberkuloseerreger wirksam sind, sogenannte Tuberkulostatika. Die Anfangsphase der Therapie erstreckt sich über 2 Monate; bei ausgedehnten Prozessen, bei Patienten mit Abwehrschwäche, aber auch bei mangelnder klinischer oder röntgenologischer Rückbildung kann eine Ausweitung dieser Anfangsphase auf 3 Monate sinnvoll sein. Danach schließt sich eine 4-monatige Stabilisierungsphase an, in der die Anzahl der Medikamente reduziert wird. Bei 70-80 Prozent der Patienten verändert sich unter dieser Behandlung der Auswurf: Der ursprünglich positive Befund wird negativ. Bleibt die Tuberkulose trotzdem aktiv, so muss selbstverständlich weiterbehandelt werden; die Standardtherapie kann in derartigen Fällen sogar 9-12 Monate lang erforderlich sein. Von enormer Bedeutung ist dabei vor allem die zuverlässige Mitarbeit (Compliance) des Patienten, denn nur bei strikter Einhaltung der ärztlichen Anweisungen über den gesamten Behandlungszeitraum ist mit einem Erfolg der Behandlung zu rechnen. Eine kurzzeitige Isolierung des Patienten ist nur in Ausnahmefällen, meist nur bei offener Lungentuberkulose, notwendig.
Bei Tuberkuloseherden außerhalb der Lunge (Harnwege, Knochen, Kehlkopf, Nebennieren, Hirnhaut) ist ebenfalls eine langfristige Chemotherapie das Mittel der Wahl; auch bei diesen Lokalisationen werden heute chirurgische Eingriffe viel später in Erwägung gezogen als früher.
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