Gicht Die Gicht ist eine erbliche Stoffwechselkrankheit von der 2-3 Prozent der Bevölkerung betroffen sind. Sie befällt Männer zehn mal häufiger als Frauen und tritt bevorzugt zwischen dem 40. und 50. Lebensjahr auf. Als Zivilisations- und Wohlstandskrankheit hat sie in den letzten Jahren und Jahrzehnten stark zugenommen. Die Gicht wird von Laien oft mit den rheumatischen Krankheiten (Rheuma) in einen Topf geworfen, mit denen sie jedoch nicht das Geringste zu tun hat. Das Wesen der Krankheit besteht in einer Erhöhung des Harnsäurespiegels im Blut (Hyperurikämie) und — dadurch bedingt — in einer Ablagerung von Harnsäurekristallen in den Gelenken und bestimmten Organen und Geweben. Die Harnsäure ist ein Abbauprodukt der Purine, lebensnotwendiger Bausteine aller Körperzellen. Sie wird daher ständig beim Zerfall und Neuaufbau der Zellen frei und normalerweise über die Nieren ausgeschieden. Funktioniert diese Ausscheidung nicht oder werden mit der Nahrung — vor allem beim Verzehr zellreicher Organe wie Innereien — vermehrt Purine zugeführt, dann steigt der Harnsäurespiegel über die Normalwerte an.
Man unterscheidet eine primäre und eine sekundäre Gicht. Die primäre Gicht (familiäre Hyperurikämie) — die Veranlagung dazu ist vererbt — beruht entweder auf einer vermehrten Harnsäurebildung oder — weitaus häufiger — auf einer verminderten Harnsäureausscheidung über die Nieren.
Die wesentlich seltenere sekundäre Gicht kann folgende Ursachen haben:
1. vermehrter Anfall von Harnsäure durch erhöhten Zelluntergang bei Leukämie, Polyzythämie, radiologischer oder zytostatischer Behandlung bösartiger Geschwülste, Sarkoidose, ausgedehnter Schuppenflechte und während der Schwangerschaft;
2. verminderte Harnsäureausscheidung bei Nierenversagen;
3. Einfluss verschiedener Medikamente oder Infusionen (Diuretika, Infusionen von Fruchtzucker usw.);
4. Hunger, Nulldiät, fettreiche Kost;
5. Alkoholmissbrauch.
Der erste akute Gichtanfall tritt meist plötzlich — oft nachts — aus bestem Wohlbefinden heraus auf. Je länger der Anfall dauert, umso intensiver wird der Schmerz. Das betroffene Gelenk ist geschwollen und äußerst druckempfindlich, die Haut darüber gespannt, warm und dunkelrot. Meist ist nur ein Gelenk der unteren Extremität befallen; in der Hälfte der Fälle ist es das Großzehengrundgelenk (Podagra). Gleichzeitig können Allgemeinreaktionen — Fieber, Übelkeit und Pulsbeschleunigung — auftreten. Folgen des Anfalls sind häufig heftiger Juckreiz und Schuppung. Eine sofortige medikamentöse Behandlung durch den Arzt ist erforderlich. Anfallauslösend können reichliche Mahlzeiten, übermäßiger Alkoholgenuss (besonders Rotwein), Unfälle, Operationen, Infekte, ungewohnte körperliche Anstrengungen, seelische Belastungen und manche Medikamente (Diuretika) wirken. Auf den ersten Anfall folgt oft ein längeres, beschwerdefreies Intervall. Die nächsten Attacken treten dann jedoch häufig in immer kürzeren Abständen auf. Dabei werden weitere Gelenke, Sehnenscheiden und Schleimbeutel befallen. Der Zustand der chronischen Gicht ist erreicht, wenn sich dauernde Gelenkdeformierungen mit Einschränkung der Beweglichkeit ausgebildet haben und Gichtknoten (Tophi) in der Nähe der Gelenke und in der Ohrmuschel entwickeln. Durch die Gicht werden aber nicht nur die Gelenke, sondern sehr häufig auch die Nieren in Mitleidenschaft gezogen: Es kommt zur Nierenbeckenentzündung, zu Nieren- und Harnleitersteinen sowie zur Hypertonie (Bluthochdruck).
Das Ziel der Dauerbehandlung ist es, die Harnsäurewerte im Blut möglichst zu normalisieren und die Harnsäurebilanz zu stabilisieren. Dazu werden gewöhnlich 2 Arten von Medikamenten verschrieben:
1. Präparate, die die Harnsäureausscheidung vermehren (Urikosurika)
2. Präparate, die die Harnsäurebildung hemmen (Urikostatika).
Durch die Kombination dieser beiden Medikamentengruppen können die Dosen der Einzelmittel verkleinert und dadurch die Nebenwirkungen verringert werden. Zur Langzeit bzw. lebenslangen Dauertherapie gehören neben den genannten Medikamenten:
Das bedeutet für die tägliche Ernährung: Die Kost soll fettarm und hinsichtlich der Kalorien knapp bemessen sein. Da der Gichtkranke sehr oft gleichzeitig an einer Fettstoffwechselstörung und/oder Zuckerkrankheit leidet, sind Zucker und konzentrierte Kohlenhydrate (Honig, Marmelade, Süßigkeiten, Schokolade, süße Getränke usw.) einzuschränken. Auch der Alkoholkonsum muss drastisch verringert werden, und zwar deshalb, weil der Alkohol Gewicht und Blutfettspiegel ansteigen lässt und zur Verfettung der Leber führt. Vor allem sollte der Kranke purinreiche Lebensmittel meiden: Innereien, Ölsardinen, Sardellen, Anchovis, Sprotten, alle Fischkonserven, Fleischextrakte, Fertigsuppen, Fertigsoßen, Gans, Miesmuscheln, Hülsenfrüchte, Sojaprodukte, frische grüne Erbsen, Spinat, Erdnüsse. Auch Fleisch, Wurst, Geflügel, Wild, Süßwasser- und Seefische sowie Krustentiere enthalten in größeren Mengen reichlich Purine; daher sollen von diesen Nahrungsmitteln nicht mehr als 100-150 g täglich genossen werden! Fleisch und Fische sollen gekocht werden, da beim Kochen ein Teil der Purine in das Kochwasser übergeht. Um der Bildung von Harnsäuresteinen vorzubeugen, muss eine ausreichend hohe Flüssigkeitszufuhr von mindestens 2 Litern täglich sichergestellt sein.
Bei der wünschenswerten Gewichtsabnahme muss jedoch auf drastische Fastenkuren verzichtet werden, da strenges Fasten zu einer Erhöhung des Harnsäurespiegels führt. Die Kostumstellung soll durch mit dem Arzt abgestimmte körperliche Aktivitäten (Sport, Gymnastik, Gartenarbeit usw.) unterstützt werden. Gut eingestellte Gichtkranke bleiben anfallsfrei und arbeitsfähig; Komplikationen bleiben aus; ja, bereits bestehende bilden sich unter Umständen sogar zurück.