Herzinfarkt Umschriebener Untergang von Herzmuskelgewebe infolge einer akuten Unterbrechung der Durchblutung im Bereich der Herzkranzgefäße (Koronargefäße). Je größer der von dieser akuten Durchblutungsstörung betroffene Bezirk ist, umso schwerer sind die Krankheitserscheinungen. Der kritische Sauerstoffmangel des Herzmuskels ist meist durch den direkten Verschluss eines arteriosklerotisch verengten Koronargefäßes mit einem Blutpfropf (Thrombus) bedingt, seltener handelt es sich um eine Embolie, d.h. um den Verschluss durch ein mit dem Blutstrom herangeführtes Gerinnsel. Daneben können auch Verkrampfungen (Spasmen) der Herzkranzgefäße eine Rolle spielen.
Allein in der Bundesrepublik Deutschland erleiden jedes Jahr ca. 280.000 Menschen einen Herzinfarkt, der bei ca. 35 Prozent der Betroffenen zum Tod führt. Etwa 13 Prozent aller Männer und 8 Prozent aller Frauen sterben an einem Herzinfarkt, wobei Frauen meist erst nach den Wechseljahren betroffen sind, wenn die Produktion des gefäßschützenden Geschlechtshormons Östrogen allmählich zurückgeht. Vom Herzinfarkt bevorzugt betroffen sind Männer zwischen 50 und 70Jahren, in zunehmendem Maße aber auch jüngere. Bei Frauen wirkt sich die Kombination Rauchen plus Einnahme von Ovulationshemmern (»Pille«) ungünstig aus.
Die Risikofaktoren für einen Herzinfarkt sind dieselben wie die der koronaren Herzkrankheit: Fettstoffwechselstörungen, Hypertonie (Bluthochdruck), Zuckerkrankheit, Zigarettenrauchen, Übergewicht sowie ein erhöhter Fibrinogenspiegel im Blut, der zu verstärkter Gerinnungsneigung führt. Bewegungsmangel und hektische Lebensweisefördern ebenfalls die Entstehung eines Herzinfarkts. All diese Risikofaktoren können zumindest in gewissem Ausmaß vom Einzelnen minimiert werden. Zusätzlich gibt es jedoch auch unbeeinflussbare Risikofaktoren wie z.B. familiäre Veranlagung, höheres Lebensalter oder Geschlecht (wie bereits erwähnt, sind Männer wesentlich häufiger betroffen als Frauen). Derzeit wird auch der mögliche Zusammenhang zwischen dem Auftreten eines Herzinfarkts und vorausgegangenen Infektionen mit dem Bakterium »Chlamydium pneumoniae« (Chlamydien) diskutiert. An geschädigten Gefäßpassagen wurde vermehrt eine Besiedlung mit diesem Bakterium festgestellt, und die hierdurch verursachten Gefäßveränderungen sind denen der arterioklerotischen Auflagerungen (Arteriosklerose) ähnlich.
Beim Auftreten folgender Beschwerden muss an einen drohenden oder frischen Herzinfarkt gedacht und unverzüglich der Hausarzt bzw. der Notarzt alarmiert werden:
1. plötzlich auftretender oder sich in Minuten verstärkender Brustschmerz (brennend - drückend - beengend - zusammenschnürend - krampfartig), oft in Verbindung mit furchtbarer Todesangst, kaltem Schweiß, Übelkeit und Mattigkeit;
2. plötzlich auftretende Bewusstlosigkeit (»Mir wird plötzlich so schlecht«);
3. plötzlich auftretende oder sich schnell verschlimmernde starke Atemnot (Rasseln auf der Lunge; Erstickungsgefühl; Lufthunger; blassgraue Hautfarbe).
Bei Patienten mit bekannter Angina pectoris muss jeder über 30 Minuten dauernde Anfall als Verdacht auf einen Herzinfarkt angesehen werden.
Verhalten bei drohendem oder frischem Herzinfarkt:
1. So schnell wie möglich den Notarzt rufen! Minuten können lebensrettend sein. Die meisten Patienten kommen zu spät in die Klinik - im Durchschnitt erst 3 Stunden nach dem Infarkt. Gerade die allerersten Stunden sind jedoch entscheidend, da in dieser Zeit noch gute Chancen bestehen, Herzmuskelgewebe vor dem Untergang zu retten.
2. Vor allem Ruhe bewahren! Den Kranken nicht allein lassen, sondern mit ihm reden und beruhigend auf ihn einwirken.
3. Fenster öffnen und frische Luft einlassen. Den Raum aber nicht auskühlen lassen.
4. Den Patienten flach lagern! Wenn er aber lieber sitzen, kauern oder auf der Seite liegen möchte, ihn in seiner gewünschten Lage belassen.
5. Alle beengenden Kleidungsstücke öffnen.
6. Falls der Kranke ein Angina-pectoris-Patient ist und sich im Hause Nitroglyzerinkapseln oder -spray befinden, dem Kranken 2-3 Spraystöße unter die Zunge sprühen oder entsprechend Kapseln verabreichen.
7. Verliert der Patient das Bewusstsein, sollte man ihn in die stabile Seitenlage bringen. Anschließend regelmäßig Pulsschlag und Atmung kontrollieren. Notfalls Wiederbelebungsmaßnahmen (Atemspende und Herzmassage) einleiten.
Nicht jeder Herzinfarkt geht mit dramatischen Symptomen einher, manchmal verursacht er nur geringe Beschwerden, ja, 15-20 Prozent der Infarkte, vor allem bei Zuckerkranken und älteren Menschen, bleiben sogar gänzlich unbemerkt (»stumme Infarkte«) und werden erst durch das EKG entdeckt. Bei Patienten über 65Jahren verlaufen nur noch 20 Prozent der Fälle typisch, die übrigen machen sich durch plötzliche Atemnot, Unruhe, Bewusstseinsstörungen, Erbrechen, Herzrhythmusstörungen, Kreislaufkollaps, Schweißausbruch, Schlaganfall oder Herzversagen bemerkbar.
Im Krankenhaus wird die Diagnose durch das Elektrokardiogramm (EKG) und den Nachweis bestimmter Enzyme im Blut gesichert, die aus der untergegangenen Herzmuskulatur stammen. Das EKG kann jedoch kurz nach dem Infarkt noch unauffällig sein und muss daher nach einigen Stunden wiederholt werden.
Das Ziel der Behandlung eines Herzinfarkts ist die umgehende Wiederherstellung der Durchblutung, um Schwere und Ausdehnung möglichst zu begrenzen. Da in mehreren Studien gezeigt wurde, dass Aspirin - wahrscheinlich aufgrund seiner gerinnungshemmenden Eigenschaften - die Sterblichkeit um bis zu 23 Prozent senken kann, wird empfohlen, bereits vor Eintreffen des Notarztes eine Tablette (500 mg) einzunehmen. Unter ärztlicher Aufsicht werden dann Sauerstoff, Schmerz- und Beruhigungsmittel verabreicht. Der Betroffene wird im Notarztwagen, in dem eine entsprechende Ausrüstung einschließlich EKG-Monitor und Defibrillator zur Verfügung steht, in ein Krankenhaus transportiert. Die weitere Behandlung erfolgt auf der Intensivstation. Die medikamentöse Therapie besteht in der Gabe blutverdünnender Medikamente wie Heparin und Acetylsalizylsäure, um weiteren Gefäßverschlüssen vorzubeugen. Beim lebensbedrohlichen Kammerflimmern wird neben der Wiederbelebung eine Defibrillation durchgeführt, um die chaotischen Muskelzuckungen durch eine geordnete Erregungsausbreitung in gezielte Zusammenziehungen umzuwandeln. Liegt der Herzinfarkt und damit der Schmerzbeginn nicht länger als 6 Stunden zurück, wird im Krankenhaus eine Lysetherapie (Thrombolyse) durchgeführt, bei der versucht wird, mit Hilfe gerinnselauflösender Präparate das gefäßverstopfende Blutgerinnsel zu beseitigen. Kann eine Lysetherapie nicht durchgeführt werden oder ist sie erfolglos, kann das verschlossene Gefäß mit Hilfe eines Ballonkatheters aufgedehnt werden. Sofern erforderlich, wird die Durchgängigkeit mittels eines eingesetzten Röhrchens gesichert. Nur sehr selten wird eine Bypassoperation (Bypass), also die Umgehung des verschlossenen Gefäßes im Rahmen einer Operation am offenen Herzen, erforderlich, da eine solche Notfalloperation mit hohen Risiken behaftet ist. Auf der Intensivstation wird der Patient kontinuierlich überwacht. Das fortwährend erstellte EKG lässt eintretende Komplikationen rasch erkennen, so dass diese sofort behandelt werden können. Anfangs hat der Kranke strenge Bettruhe einzuhalten, die je nach weiterem Krankheitsverlauf stufenweise gelockert wird. Nach Überbrückung der gefährlichen, weil besonders komplikationsreichen ersten 2-3 Tage kann der Kranke in der Regel auf eine internistische Normalstation verlegt werden. Häufig schließt sich an den Krankenhausaufenthalt eine Anschlussheilbehandlung an, in der dem Genesenden Hilfe für das Leben nach dem Infarkt gegeben wird. Regelmäßige Kontrolluntersuchungen (EKG- bzw. Belastungs-EKG) durch den Hausarzt sind unerlässlich; zudem wird in der Regel für längere Zeit eine medikamentöse Therapie weitergeführt.
Nach einem überstandenen Herzinfarkt soll sich der Patient an folgende Regeln halten, um das Risiko eines weiteren Infarktes zu vermeiden:
- regelmäßige Lebensweise mit ausreichenden Ruhezeiten;
- fettreduzierte, cholesterinarme Ernährung. Von Vorteil ist hier die sog. Mittelmeerkost (Olivenöl, Knoblauch, Fisch, Gemüse), da sie vermehrt ungesättigte Fettsäuren und zell- schützende Antioxidanzien enthält. Seefisch versorgt den Organismus mit natürlichen Fettsäuren, von denen vermutet wird, dass sie die Entstehung arteriosklerotischer Gefäßveränderungen verlangsamen. Auch sollte die tägliche Nahrung ausreichend Folsäure enthalten, da diese zu den B-Vitaminen zählende Substanz einem bei Herzinfarkt im Blut erhöhten schädlichen Eiweißstoff entgegenwirkt;
- strengstes Rauchverbot! Wer nach dem Infarkt das Rauchen aufgibt, hat doppelt so hohe Überlebenschancen wie ein Weiterraucher;
- alkoholische Getränke nur in geringen Mengen. Größerer Alkoholgenuss kann Herzrhythmusstörungen auslösen;
- körperliche Betätigung als Herz- und Kreislauftraining: Bei jedem Wetter spazieren gehen! Unter ärztlicher Betreuung kann langfristig mit mäßigem Ausdauersport begonnen werden, da körperliche Bewegung die Bildung von neuen Kapillaren und damit von Umgehungskreisläufen am Herz fördert;
- keine Arbeit bei starker Hitze, Kälte, Lärm, im Akkord. Wechsel- und Nachtschicht; keine Terminzwänge;
- wenn keine Komplikationen vorliegen, kann nach 3 Monaten vorsichtig das Autofahren wieder aufgenommen werden;
- im Urlaub ein Schonklima bevorzugen. Keine großen Reisen mit Zeitverschiebungen und großer Klimaumstellung;
- sofern nicht Begleitkrankheiten dagegen sprechen, empfiehlt sich die Dauerbehandlung mit Acetylsalizylsäure, um die Bildung von Blutgerinnseln an der Gefäßinnenwand zu verhindern. Die Einnahme eines Betablockers wirkt puls- und blutdrucksenkend, entlastet das Herz und schützt vor dem plötzlichen Herztod. Bei verminderter Pumpleistung des Herzens werden ACE-Hemmer eingesetzt. Zurzeit wird diskutiert, ob es sinnvoll ist, bestimmte Antibiotika einzunehmen. Da es aber noch nicht sicher erwiesen gilt, dass Bakterien wirklich zu den Auslösern eines Herzinfarktes gehören, scheint eine solche Therapie derzeit nicht angebracht.
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