Venenerkrankungen Venenleiden sind in den hoch technisierten Ländern weit verbreitet und haben in den letzten Jahrzehnten sogar noch zugenommen. Man schätzt, dass über die Hälfte der europäischen Bevölkerung vorübergehend venenkrank ist. Mindestens jeder 10. Erwachsene hat Krampfadern, fast 80 Prozent davon sind Frauen. Noch mehr Personen leiden unter ersten Anzeichen von Venenerkrankungen: abendliche Knöchelschwellungen, die über Nacht wieder zurückgehen; nächtliche Beinkrämpfe, besonders nach stärkeren Belastungen während des Tages; schwere, müde und oft auch heiße Beine sowie pinselartige Erweiterungen der kleinsten Hautvenen (Besenreiser), die zunächst nur als kosmetische Störung empfunden werden.
Die Ursachen der Venenerkrankungen sind vielfältig und beruhen zum großen Teil auf der Tatsache, dass das Blut aus den Beinen unter Überwindung der Schwerkraft sozusagen eine weite Strecke »bergauf« fließen muss, wobei es nicht wie in den Arterien von der Pumparbeit des Herzens vorangetrieben wird. Bei der Bewältigung dieser Arbeit helfen 2 Einrichtungen:
Daneben spielen bei der Entstehung von Venenleiden angeborene Anomalien sowie die Zerstörung der Venenklappen durch eine Venenentzündung oder eine Thrombose eine wichtige Rolle. Andererseits können Stauung und Verlangsamung des Blutstroms auch wieder eine Venenentzündung oder Thrombose heraufbeschwören, sodass ein richtiggehender Teufelskreis entsteht. Bei Frauen stellt die zusätzliche Belastung durch Schwangerschaft und Wochenbett einen verschlimmernden Faktor dar. Im Einzelnen unterscheidet man folgende Venenerkrankungen:
1. Varizen: Krampfadern.
2. Venenentzündung (Phlebitis, Thrombophlebitis): Die Krankheit wird dadurch ausgelöst, dass ein Blutgerinnsel eine oberflächliche Vene verschließt (Thrombose). Als Ursachen wirken Gefäßwandschäden. Verlangsamung der Blutströmung und Beschleunigung der Blutgerinnung zusammen; begünstigende Faktoren sind zudem Operationen. Geburten, Bettruhe, Fettsucht, Bewegungsmangel, aber auch Überanstrengung. Oft findet man einen gut tastbaren, leicht erhabenen, entzündlich geröteten Strang, jedoch keine Schwellung des umgebenden Gewebes. Die Patienten klagen über bandförmige, druckschmerzhafte Zonen; ihr Allgemeinbefinden ist dabei jedoch meist nicht gestört. Sie dürfen keine Bettruhe einhalten, da sich der entzündliche Prozess sonst auf die tiefen Venen ausbreiten kann. Der Arzt legt einen Druck- oder Zinkleimverband an, mit dem sich der Patient bewegen soll. Außerdem werden häufig rosskastanienhaltige Medikamente verordnet.
Bei der Entzündung der tiefen Venen ist das Allgemeinbefinden stärker gestört: Die Patienten leiden unter Unruhe. Angst. Schüttelfrost, Fieber und Herzklopfen. Außerdem klagen sie über Schmerzen im Verlauf der betreffenden Venen, starke Schwellung und blaurote Verfärbung der Gliedmaßen; nicht selten ist auch ein schmerzhafter Strang in der Tiefe tastbar. Die Behandlung richtet sich nach den jeweiligen Gegebenheiten und kann entweder in der Kombination Druckverband und Aufstehen oder in strenger Bettruhe bestehen. Dazu kommt meist eine Therapie mit gerinnungshemmenden Mitteln (Antikoagulanzien). Bei eitriger Thrombophlebitis ist chirurgisches Eingreifen erforderlich. Eine gefürchtete Komplikation - besonders bei der Entzündung der tiefen Beckenvenen - ist die Lungenembolie.
3. Venenthrombose (Phlebothrombose): Da die Thrombose der tiefen Beinvenen stets zu einer Venenentzündung führt, gehen Thrombose und Venenentzündung ineinander über und sind klinisch nicht voneinander zu unterscheiden. Gefürchtet ist besonders die Venenthrombose bettlägeriger Patienten, die Krankheit kann aber auch als Folge langer Flug- und Autoreisen mit starrer Zwangshaltung der Beine entstehen. Im Gegensatz zur Entzündung der oberflächlichen Venen handelt es sich hier um eine äußerst gefährliche Erkrankung, in deren Verlauf es bei fast einem Viertel der Patienten zu Embolien kommt und an der etwa jeder Zehnte stirbt!
Die anfänglichen Beschwerden sind uncharakteristisch: Schweregefühl und Müdigkeit in den Beinen: Rheumaähnliche, ziehende Schmerzen, die oft in der Hüfte beginnen und in das Kreuz ausstrahlen; Frösteln im Bein oder Kälteschauer, die das Bein hinaufrieseln. Oft können die Patienten das gestreckte Bein im Liegen nicht heben und empfinden darin schon bei geringen Erschütterungen - beispielsweise bei einem Hustenstoß - heftige Schmerzen. Die Kranken werden unruhig, ängstlich und depressiv. Die ersten äußeren Anzeichen sind verschwommene Konturen im Knöchelbereich und eine glänzende Haut am Unterschenkel mit leichter Schwellung vor dem Schienbein.
Bei derartigen Symptomen muss sofort ein Arzt gerufen werden, der entscheidet, ob eine Krankenhausbehandlung notwendig ist. Je nach Befund kommt die medikamentöse Auflösung des Thrombus oder eine operative Entfernung des Blutgerinnsels in Betracht.
4. postthrombotisches Syndrom (Zustand nach Thrombose): Dabei handelt es sich ein uneinheitliches Krankheitsbild, das auf einer Defektheilung nach einer tiefen Venenthrombose beruht. Diese äußert sich sowohl in einer Störung des Blutstroms in den Venen als auch in einer Beeinträchtigung des Lymphstroms. Die Wand- und Klappenveränderungen in den Venen erhöhen den Strömungswiderstand; dadurch kommt es zu Stauungen, Entzündungen, Krampfadern, Ekzemen und Geschwüren. Zwischen dem akuten Ereignis - eben der Thrombose - und den Folgebeschwerden kann durchaus ein längeres beschwerdefreies Intervall liegen. Die erweiterten Gefäße laufen beim Anheben des Beines über die Horizontale leer; beim Aufstehen füllen sie sich sofort wieder. Das Ziel der Behandlung ist eine Steigerung der Strömungsgeschwindigkeit und eine Normalisierung der Druckverhältnisse. Das gelingt am besten durch die Kombination von Kompressionsverband und Bewegungstherapie mit einem der zahlreichen Venenmittel.
5. Beingeschwür (Unterschenkelgeschwür, Krampfadergeschwür, Ulcus cruris, »offenes Bein«): tief reichender Gewebsdefekt im Unterschenkelbereich, für den es 2 Hauptursachen gibt:
In bei den Fällen staut sich das Blut in den Venen; dadurch tritt Blutflüssigkeit in das Gewebe über, die Haut wird dünn, und aus kleinsten Verletzungen entstehen ziemlich rasch große Geschwüre. Die Behandlung ist sehr langwierig und oft genug für Arzt und Patient enttäuschend. Auf jeden Fall kann nur durch fachkundige Wundbehandlung und einen sachgemäß angelegten Kompressionsverband (wickeln mit elastischen Binden) eine Heilung erzielt werden. Später muss der Patient oft einen Kompressionsstrumpf (Gummistrumpf) tragen. Als Ergänzung sollte er, um die Pumptätigkeit der Beinmuskulatur anzuregen, täglich gymnastische Übungen durchführen.
Venenleidende sollten sich stets an folgenden Merksatz halten: LLL-SSS: liegen, laufen = lobenswert; sitzen, stehen = schlecht.