Empfängnisverhütung Die Familienplanung, d. h. die bewusste Einflussnahme eines Ehepaares auf Kinderzahl und Geburtenabstand, wird heute als Grundrecht angesehen. Die Empfängnisverhütung ist aber nicht nur für Eheleute, sondern für alle Menschen im fortpflanzungsfähigen Alter eine überaus wichtige Angelegenheit, die dazu beitragen kann, die hohe Zahl von Schwangerschaftsabbrüchen deutlich zu verringern. Sie ist nicht nur angebracht, um eine ungewollte Schwangerschaft zu verhüten, sondern auch um Frauen vor einer Schwangerschaft zu schützen, durch die sie gesundheitlich gefährdet würden. Für die Beurteilung bzw. Empfehlung einer empfängnisverhütenden Maßnahme sind folgende Punkte ausschlaggebend:
Die Zuverlässigkeit wird nach der Versagerquote beurteilt: Das ist die Zahl der bei Anwendung einer Methode ungewollt eintretenden Schwangerschaften, wenn 100 Frauen diese Methode 12 Monate lang anwenden. Die Werte der Versagerquoten reichen von 0,2-0,5 (»zuverlässig«) für die Anti-Baby-Pille und die 3-Monats-Spritze bis zu 15-25 (»unzuverlässig«) für Kalendermethoden und für den unterbrochenen Geschlechtsverkehr (Coitus interruptus). Die Sicherheit einer Methode hängt aber nicht nur von ihrer grundsätzlichen Zuverlässigkeit, sondern ganz entscheidend auch von der korrekten Anwendung durch die Frau bzw. ihren Partner ab. Dabei spielen persönliche Disziplin, Bildungsgrad und wirtschaftliche Verhältnisse eine große Rolle.
Bei der Beurteilung der Unschädlichkeit muss zwischen der unmittelbaren Wirkung auf die Frau selbst, der Wirkung auf die Frucht im Falle eines Versagens und den Spätschäden unterschieden werden. Darauf wird bei den einzelnen Methoden noch eingegangen.
Die Frage der Verträglichkeit und Annehmbarkeit umfasst mehrere Komplexe: Beeinträchtigung des Geschlechtslebens durch Vorbereitungen vor dem Verkehr; allgemeine oder örtliche Nebenwirkungen; rechtliche, moralische oder religiöse Bedenken.
Die heute vielfach zu beobachtende Abneigung gegen »Chemie und Technik« hat dazu geführt, dass viele Frauen die »natürliche Familienplanung« bevorzugen, die sich der unterschiedlichen Rhythmusmethoden bedient. Auch Frauen, die nicht mit den Lehren der katholischen Kirche in Konflikt geraten wollen, tendieren hierzu.
Die gebräuchlichsten Methoden der Empfängnisverhütung in der Reihenfolge ihrer Zuverlässigkeit sind:
1. die Anti-Baby-Pille (Ovulationshemmer, orale Kontrazeptiva): Sie verhindert durch die in ihr enthaltenen Hormone (Östrogen und Gestagen) den Eisprung (Ovulation). Außerdem hat die Pille 2 weitere Effekte, die einer Schwangerschaft entgegenwirken:
Doch auch wenn sie regelmäßig eingenommen wird, kann es aus 2 Gründen zu einer Empfängnis kommen:
Von den verschiedenen Pillenpräparaten werden immer mehr diejenigen mit möglichst geringem Hormongehalt bevorzugt. Für alle Präparate gilt, dass vom 5. bis 24. oder 25. Zyklustag - also 21 oder 22 Tage lang - täglich 1 Pille eingenommen wird. Eine Ausnahme machen die 28-Tage-Packungen: Diese enthalten neben den 21 Hormondragees weitere 7 Dragees ohne Wirkstoff; diese Präparate werden während des ganzen Zyklus täglich eingenommen.
Folgendes Vorgehen ist zu empfehlen:
Bei einer Reihe anderer Erkrankungen (starke Krampfadern, Fettsucht, Fettstoffwechselstörungen, Migräne, Ohrensausen usw.) ist während der Pilleneinnahme eine besonders intensive ärztliche Überwachung erforderlich. Die meisten unerwünschten Nebenwirkungen - Übelkeit, Schlafstörungen, Reizbarkeit, Gewichtsveränderungen, Pigmentverschiebungen usw. - sind harmlos. Ernster zu nehmen sind Zyklusstörungen: Zwischenblutungen (Schmierblutungen) in der Mitte des Zyklus; heftige »Durchbruchblutungen« in der letzten Pillenwoche; Ausbleiben der Regelblutung. Wenn diese Störungen öfter auftreten, wird der Arzt den Wechsel auf ein anderes Präparat empfehlen.
Die Pille erhöht das Risiko von Gefäßerkrankungen (Herzinfarkt, Schlaganfall, Thrombosen, Embolien), und zwar umso mehr, je älter die Frauen sind und je stärker sie gleichzeitig rauchen! Dagegen kann von einem erhöhten Krebsrisiko durch die Pille keine Rede sein. Scheidenentzündungen durch Pilze und Trichomonaden treten unter der Pille etwas häufiger auf. Eine Akne kann durch die Pille verschwinden, in seltenen Fällen aber auch zum ersten Mal auftreten.
Ein umstrittenes Problem ist die Verordnung der Pille an Jugendliche. Die meisten Einwände dagegen sind heute durch eingehende Untersuchungen widerlegt. Pillen mit geringem Hormongehalt können grundsätzlich bereits nach der ersten Regelblutung verschrieben werden. Vor der Verordnung der Pille an Minderjährige wird sich der Arzt allerdings davon überzeugen, ob die Jugendliche die Bedeutung und Tragweite ihrer Entscheidung kennt. Bekanntlich haben die Jugendlichen heute bereits im Alter von 17 Jahren zu 50 Prozent sexuelle Kontakte. Pro Jahr werden zurzeit in der Bundesrepublik Deutschland etwa 20000 Mädchen unter 18 Jahren ungewollt schwanger. Da damit für die Jugendlichen häufig nicht nur gesundheitliche, sondern auch erhebliche psychische Schäden sowie schwere soziale Probleme verbunden sind, muss man konstatieren, dass die Anwendung der Pille gegenüber einer Schwangerschaft im Jugendalter sicherlich das kleinere Übel darstellt.
2. die 3-Monats-Spritze: Sie gehört ebenso wie die Pille zu den Ovulationshemmern, wirkt genauso und ist ebenso zuverlässig. Die Spritze enthält ein Gestagen, das alle 3 Monate in den Gesäßmuskel gespritzt wird. Der Vorteil der Methode liegt also in erster Linie darin, dass die betreffende Frau nicht Tag für Tag an die Einnahme der Pille denken muss. Dem steht als Nachteil das häufigere Auftreten von zum Teil schweren Zyklusstörungen entgegen. Die 3-Monats-Spritze ist auf keinen Fall für minderjährige Mädchen und junge Frauen mit späterem Kinderwunsch geeignet.
3. die Minipille: Sie wird täglich ohne Pause eingenommen und enthält nur eine so geringe Dosis Gestagen, dass der Eisprung nicht verhindert wird. Vielmehr besteht die empfängnisverhütende Wirkung darin, dass die Verflüssigung des Schleims im Gebärmutterhalskanal ausbleibt und daher die Samenfäden nicht in die Gebärmutter eindringen können. Die Versagerquote liegt bei 2-3, die Methode ist daher nur »relativ zuverlässig«. Zudem ist die Minipille sehr empfindlich gegen Einnahmefehler: Die normale Einnahmezeit soll um nicht mehr als 3 Stunden überschritten werden! Als häufige Nebenwirkungen treten Zyklusstörungen auf. Die Minipille wird in erster Linie solchen Frauen empfohlen, die östrogenhaltige Präparate wegen ihrer Nebenwirkungen nicht vertragen. Außerdem wird sie bei stillenden Müttern verwendet, weil sie Menge und Zusammensetzung der Muttermilch nicht beeinflusst.
4. die Pille am »Morgen danach« (morning-after-pill, Postkoitalpille): Sie verhindert die Einnistung des befruchteten Eies in die Gebärmutter, was deshalb nicht als Schwangerschaftsabbruch zu bewerten ist, weil nach dem Strafgesetz ein Eingriff erst dann als Schwangerschaftsabbruch gilt, wenn er nach vollendeter Einnistung des Keims in die Gebärmutter vorgenommen wird. Diese Pille enthält eine große Menge Östrogen. Die Einnahme darf nicht später als 48 Stunden nach dem sexuellen Kontakt beginnen. Die Frau erhält bei der ärztlichen Konsultation 2 Pillen und weitere 2 Pillen 12 Stunden später. An Nebenwirkungen ist mit zum Teil erheblicher Übelkeit, mit Erbrechen, Kreislaufproblemen und Zyklusstörungen zu rechnen. Die »Pille danach« wird als »Notbremse« eingesetzt, wenn keine Empfängnisverhütung betrieben wurde, wenn es Probleme mit dem Kondom gab oder wenn eine Vergewaltigung stattgefunden hat. Eine Schwangerschaft wird mit 98-99-prozentiger Sicherheit verhindert.
5. die »Pille für den Mann« Sie befindet sich noch immer im Versuchsstadium. Durch die Zufuhr hoher Dosen männlicher Geschlechtshormone gelingt es, bei Männern eine vorübergehende Sterilität hervorzurufen. Die Produktion der Samenfäden wird eingestellt. Als Nebenwirkungen können auftreten: Abnahme von Libido und Potenz sowie unter Umständen völliges Erlöschen der Samenproduktion.
6. Mechanische Methoden:
7. chemische Methoden: Hierbei werden unmittelbar vor dem Geschlechtsverkehr chemische Präparate - Schaum-Ovulum, Schaum-Spray - in die Scheide eingebracht. Die Versagerquote liegt bei 5-10, was eine »mittlere Zuverlässigkeit« bedeutet. Die Wirkungsweise beruht einerseits auf dem mechanischen Verschluss des äußeren Muttermundes und andererseits auf der raschen Abtötung der Samenfäden. Die Verträglichkeit der Präparate ist gut; gelegentlich klagen die Frauen über Brennen und Wärmegefühl in der Scheide. Vielfach wird eine Kombination dieser chemischen Verhütungsmittel mit Scheidendiaphragma oder Kondom empfohlen, um die Sicherheit zu erhöhen.
8. Methoden ohne Anwendung von Mitteln (» natürliche Methoden«):
Bei der Anwendung der Temperaturmethode müssen folgende Regeln eingehalten werden:
All diese Methoden der »natürlichen Familienplanung« werden nur von 6 Prozent der Frauen angewendet. In Phasen mit unregelmäßigen Zyklen, bei jungen Mädchen und Frauen in den Wechseljahren sind sie zu unsicher. Die auf der Bestimmung der unfruchtbaren Tage beruhenden Methoden der periodischen Enthaltsamkeit sind für junge Paare nicht gut geeignet, da zu viele Abstinenztage gefordert werden. Die Temperaturmethode setzt bei der Frau einen gewissen Intelligenzgrad und Zuverlässigkeit beim täglichen Messen voraus; sie ist außerdem während der Stillperiode nicht praktikabel und bei stärkeren Schwankungen des Menstruationsintervalls nur bedingt anwendbar.
Die Empfängnisregelung schützt nicht nur vor ungewollten Schwangerschaften, sondern ist auch als Maßnahme einer positiven Geburtenregelung anzusehen. Sie bietet dem Ehepaar die Möglichkeit, einen sinnvollen Zeitpunkt für die Schwangerschaft auszuwählen. Das günstigste Alter einer Frau für eine Schwangerschaft liegt zwischen dem 18. und 32. Lebensjahr. Das hat nicht nur psychologische, sondern auch medizinische Gründe; Vor dem 18. Lebensjahr sind die Risiken für Mutter und Kind größer als in den folgenden Jahren; mit 32 Jahren steigen sie bereits wieder an. Je älter eine Frau bei der Schwangerschaft ist, desto größer ist die Gefahr, dass ein Kind mit Down-Syndrom geboren wird. Doch auch Frauen über 40 können heute mit Hilfe der modernen Medizin durchaus gesunde Babys zur Welt bringen.
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